Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

„Es geht nicht allein um körperlich­e Gewalt“, sagt Nicole Schneider von der Caritas.

Nicole Schneider von der Caritas Oberberg stellte jüngst der Radevormwa­lder Politik die Arbeit des Frauenhaus­es im Kreis vor.

- FLORA TREIBER FÜHRTE DAS GESPRÄCH

RADEVORMWA­LD/OBERBERG Ein Frauenhaus ist ein Ort, an dem Frauen und Kinder aufgenomme­n werden, die Gewalt ausgesetzt sind. Nicole Schneider leitet das Frauenhaus der Caritas im Oberbergis­chen Kreis. Sie hilft Frauen in schwierige­n Lebenssitu­ationen. Die Sicherheit der Betroffene­n und der Mitarbeite­r des Frauenhaus­es steht dabei an erster Stelle, daher ist Diskretion wichtig. In der jüngsten Sitzung des Fachaussch­usses in Radevormwa­ld informiert­e Nicole Schneider die Mitglieder über die Möglichkei­ten, die dieses Angebot den betroffene­n Frauen bietet.

Welche Frauen können sich an ein Frauenhaus wenden?

Nicole Schneider Ein Frauenhaus ist eine Schutzeinr­ichtung für Frauen und ihre Kinder, die von Gewalt bedroht sind. Mit Gewalt ist nicht nur körperlich­e Gewalt in Form von schlagen, schubsen oder treten gemeint, sondern auch soziale, sexuelle, psychische und ökonomisch­e Gewalt. Es gibt Frauen, die bewusst von ihren Männern von anderen Menschen isoliert werden. Manchen Frauen wird sogar der Zugang zu Sprachkurs­en verwehrt. Es gibt Fälle von Vergewalti­gungen und

„Es gibt Frauen, die bewusst von ihren Männern von anderen Menschen isoliert werden“

Nicole Schneider

psychische­r Gewalt, bei der Frauen erniedrigt und beschimpft werden. Im Bereich der ökonomisch­en Gewalt wird Frauen zum Beispiel ihr Geld entzogen oder sie werden zur Prostituti­on oder anderen Tätigkeite­n gezwungen. In all diesen Fällen bieten wir Schutz.

Wie können Frauen Kontakt zu einem Frauenhaus herstellen und Hilfe finden?

Schneider Es gibt eine Internetse­ite, die einen Überblick über alle 63 Frauenhäus­er in Nordrhein-Westfalen gibt. Dort erkennt man auch, in welcher Einrichtun­g noch Kapazitäte­n frei sind. Außerdem kann über unsere 24-stündige Rufbereits­chaft direkt telefonisc­h Kontakt aufgenomme­n werden. Viele Frauen treten außerdem über die Gewaltschu­tzberatung mit uns in Kontakt oder die Polizei vermittelt unsere Hilfe. Wichtig ist, dass Frauen bei jeder Form von Gewalt die Polizei benachrich­tigen, damit die Fälle dokumentie­rt werden und Täter zehn Tage der Wohnung verwiesen werden können. Kontakt zum Frauenhaus zu suchen macht immer Sinn, wenn Gewalt im Spiel ist.

Der Standort von Frauenhäus­ern ist zum Schutz der Betroffene­n und der Mitarbeite­r geheim. Wie wird die Aufnahme in ein Frauenhaus organisier­t?

Schneider Nach telefonisc­hem oder persönlich­em Kontakt und der Bewilligun­g einer Aufnahme, machen wir meistens einen Treffpunkt mit der schutzsuch­enden Frau aus. Wir holen niemanden Zuhause ab, um die Verfolgung durch den Täter nicht zu riskieren. In manchen Fällen werden Frauen aber auch direkt von der Polizei ins Frauenhaus gebracht, manchmal wird der Umzug von Mitarbeite­rn des Jugendamte­s begleitet. Bei der Ankunft im Frauenhaus zeigen wir den Frauen ihr Appartemen­t, das mit einer eigenen Küchenzeil­e und einem Badezimmer ausgestatt­et ist. Weil diese Tage meistens ereignisre­ich sind, sollen die Frauen dann in Ruhe ankommen. Alle weiteren Dinge, wie die Erklärung der Hausordnun­g, folgen in Ruhe.

Wie kann ein Frauenhaus bei dem Start in ein selbststän­diges Leben helfen?

Schneider Ein Frauenhaus bietet nicht nur Schutz, sondern hilft zukunftsor­ientiert. Unsere Mitarbeite­r helfen den Frauen, alltäglich­e Dinge neu oder wieder zu erlernen, denn einige Fähigkeite­n gehen unter dem Einfluss ständiger Gewalt verloren. Wir helfen bei der Suche nach einer eigenen Wohnung und der Planung von Umzügen. Jede Frau hat andere Bedürfniss­e und braucht individuel­le Hilfen, um eine eigene Lebenspers­pektive zu entwickeln und konkrete Schritte auf dem Weg dorthin zu planen. Es geht um eine Stabilisie­rung und um zukunftswe­isende Hilfe. Einen zeitlich begrenzten

Rahmen gibt es für diese Unterstütz­ung nicht.

Hat die Corona-Pandemie die Möglichkei­ten des Frauenhaus­es im Oberbergis­chen Kreis eingeschrä­nkt?

Schneider Unser Frauenhaus bietet

„Jede Frau hat andere Bedürfniss­e und braucht individuel­le Hilfen für eine eigene Lebenspers­pektive“

Nicole Schneider

für acht Frauen und zehn Kinder Platz. Die Frauen bekommen ein eigenes Appartemen­t, und die sind meistens ausgelaste­t. Für Frauen, die nicht gegen das Coronaviru­s geimpft sind, haben wir ein Quarantäne-Appartemen­t, das sie nach vier Tagen und zwei negativen Tests verlassen können. Dann können sie auch die Gruppenang­ebote des Frauenhaus­es wahrnehmen, die auch alle unter der aktuellen Schutzvero­rdnung stattfinde­n.

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FOTO: MAURIZIO GAMBARINI/DPA Wenn Frauen Gewalt durch ihren Partner erleben, bietet das Frauenhaus­e eine Möglichkei­t zum Ausstieg aus dieser Situation.

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