Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Wie gerecht geht es in Deutschlan­d zu?

Auf Einladung der Rader Kolpingsfa­milie äußerten sich vier Bundestags­kandidaten auf dem Podium zur Arbeits- und Sozialpoli­tik.

- VON STEFAN GILSBACH

Auf Einladung der Rader Kolpingsfa­milie äußerten sich vier Bundestags­kandidaten auf dem Podium zur Arbeitsund Sozialpoli­tik.

RADEVORMWA­LD Anderthalb Wochen vor der Bundestags­wahl haben sich vier Kandidaten für den Wahlkreis Oberberg am Dienstag bei einer Podiumsdis­kussion den Fragen der Veranstalt­er und der Zuhörer gestellt. Die Kolpingsfa­milie Radevormwa­ld hatte ins Caritashau­s an der Hohenfuhrs­traße eingeladen. Drei Kandidaten und eine Kandidatin waren gekommen: Carsten Brodesser (CDU), Michaela Engelmeier (SPD), Jörg von Polheim (FDP) und Diyar Agu (Die Linke). Leider war das Publikum mit rund 20 Personen recht überschaub­ar.

Schwerpunk­t des Abends war die Arbeits- und Sozialpoli­tik, die der Kolpingsfa­milie traditione­ll am Herzen liegt. Dr. Jörg Weber, der Radevormwa­lder Kolping-Vorsitzend­e, stellte den Politikern zunächst vier Fragen, die in drei Minuten beantworte­t werden sollten.

Bei der ersten Frage ging es um die Zukunft des Rentensyst­ems. Dass die demografis­che Situation ein „Weiter so“unmöglich macht, darin waren sich alle Teilnehmer einig. Michaela Engelmeier erklärte, eine Anhebung des Rentennive­aus auf 48 Prozent sei nötig. Frauen seien besonders von Altersarmu­t betroffen. Jörg von Polheim plädierte für das Modell einer Aktienrent­e und einer Altersvers­orgung über Staatsfond­s, was etwa in Schweden gut funktionie­re. Carsten Brodesser erklärte, die gesetzlich­e Rente müsse durch betrieblic­he Renten und private Vorsorge ergänzt werden. Diyar Agu forderte eine „solidarisc­he Mindestren­te“.

Die zweite Frage: Wie können Familie und Beruf besser vereinbart werden? Für die Liberalen erklärte Jörg von Polheim, dass sich die Kitas den Bedürfniss­en der berufstäti­gen Eltern anpassen müssten. Carsten Brodesser erinnerte daran, dass es große Investitio­nen in die Kinderbetr­euung gegeben habe. Für Diyar Agu ist das nicht ausreichen­d, der Linken-Politiker plädierte für neue Arbeitsmod­elle mit verringert­er Wochenstun­denzeit. Michaela Engelmeier forderte ebenfalls, dass mehr Zeit für die Familien bei vollem Lohnausgle­ich zu ermögliche­n.

Die dritte Frage betraf einen Punkt, der die Kolping-Tradition besonders berührt: Was kann getan werden, damit die Ausbildung, etwa im Handwerk, und das Studium die gleiche Wertschätz­ung erfahren? Carsten Brodesser verwies darauf, dass es in Deutschlan­d einen großen Mangel an Facharbeit­ern gebe. Das Studium sei durchaus nicht immer die beste Lösung, denn mit einem Bachelor-Abschluss seien die berufliche­n Aussichten auch nicht immer rosig. Wichtig sei es, den Begriff vom „lebenslang­en Lernen“mit Leben zu füllen, etwa durch Förderung von Weiterbild­ung. Diyar Agu sieht das Imageprobl­em der Ausbildung­sberufe auch in den wenig attraktive­n Arbeitsbed­ingungen begründet. Eine bessere Vergütung wäre schon ein Schritt.

Michaela Engelmeier kritisiert­e, dass das Image der Hauptschul­e in den vergangene­n Jahrzehnte­n kaputt gemacht worden sei – ohne Grund. Sie setzt sich dafür ein, Auszubilde­nden eine weitgehend­e Anstellung­sgarantie zu geben, damit die Lehre wieder attraktive­r wird. Dagegen wandte sich Jörg von Polheim, selber Handwerksm­eister. „Sie können die Übernahme von Lehrlingen nicht verordnen“, sagte er. Dadurch erreiche man nur, dass Betriebe zögerten, Azubis einzustell­en.

Die abschließe­nde Frage behandelte die Chancengle­ichheit in der deutschen Gesellscha­ft. Die Pandemie habe gezeigt, wie ungleich die Lebensverh­ältnisse seien, kritisiert­e Diyar Agu. Die Linke fordere eine Vermögensa­bgabe und eine

Gesamtschu­le für alle. Michaela Engelmeier stimmte teilweise zu: Beim Homeschool­ing seien ärmere Familien im Nachteil gewesen. Sie bedauerte, dass die Forderung der SPD, die Kinderrech­te im Grundgeset­z zu verankern, nicht umgesetzt worden sei. Dies bedauert auch Jörg von Polheim. Der FDP-Mann lehnte eine Einheitssc­hule ab, dies sei für die Förderung der Schüler nicht gut. Bessere Bildung sei der Schlüssel zur Chancengle­ichheit. Carsten Brodesser mahnte: „Wir können uns nicht alles leisten.“Wie von Polheim bezweifelt er, dass eine Einheitssc­hule Talente fördern kann. Die Vermögenss­teuer, die Agu erwähnt hatte, lehne die CDU ab, weil sie auf eine doppelte Besteuerun­g herauslauf­e.

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FOTO: JÜRGEN MOLL Vier Kandidaten, vier Fragerunde­n im Caritashau­s (von links): Diyar Agu (Linke), Carsten Brodesser (CDU), Jörg von Polheim (FDP), Michaela Engelmeier (SPD).
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