Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Stadt, Land, Flüsschen
In der 35.000 Einwohner-Stadt am linken Niederrhein erzählt man sich seit Jahrhunderten die Geschichte vom Drachtentöter. Heute lockt die Landlebenstadt nahe der holländischen Grenze mit viel Stadtlebenlandluft.
Jahrhunderte viele Beinamen verdient: Herzogstadt, Drachenstadt, Niersstadt, Landlebenstadt, Fairtrade-Stadt, Schulstadt, Fahrradstadt – fehlt nur noch Johannes-Oerding-Stadt. Eine Stadt mit viel Geschichte nahe der holländischen Grenze.
Die erste schriftliche Erwähnung gibt es um 900, damals noch unter dem Namen Gelleron beziehungsweise Gelre, Gielra, Gellero, Gelera, Gellere, Gellera und schließlich Geldren. Der Sage nach durchbohrte einer der beiden Söhne des Grafen von Pont, Wichard oder Lupold, mit einem Speer das Herz eines feuerspeienden Drachen, der kurz vor seinem Ableben noch dreimal „Gelre“geröchelt haben soll.
Ausgangspunkt für das heutige Geldern war eine mittelalterliche Siedlung vor einer Burg der Grafen von Geldern an einem wichtigen Niersübergang, die mit Wällen, Mauern und Gräben geschützt wurde und 1229 Stadtrechte erhielt. Von der knapp 1800 Meter langen Stadtmauer ist nicht mehr viel zu sehen. Überragendes Bauwerk war die Pfarrkirche Maria Magdalena aus dem 14. und frühen 15. Jahrhundert, die Graf Reinald von Geldern 1306 den Karmelitern übertragen hatte. Doch erst nach der Eröffnung der Eisenbahnstrecke von Köln über Geldern nach Kleve im Jahre 1863 entwickelte sich die Stadt weiter. Im Zweiten Weltkrieg wurde Geldern
Straßenmaler
weitestgehend zerstört. Während die Hauptkirchen restauriert wurden, sollten das Rathaus und zahlreiche Wohnhäuser im Herzen der Stadt nicht wiederaufgebaut werden, wodurch der heute großzügige Marktplatz entstanden ist, der sich für die Straßenparty in eine riesige Open-Air-Bühne verwandelt.
Mit der kommunalen Neugliederung wurden am 1. Juli 1969 die bisher selbständigen Orte Geldern, KapelIen, Pont, Veert, Vernum und Walbeck sowie die Baersdonk, der nördliche Zipfel der damaligen Gemeinde Nieukerk, zur neuen Stadt geformt. 1975 verlor Geldern jedoch an politischem Einfluss, als der Kreissitz an Kleve übertragen wurde.
Heute ist von der Landlebenstadt die Rede, die mit der größten Straßenkirmes am Niederrhein über Hunderttausend Besucher anlockt; die mit der Steprather Mühle die älteste voll funktionierende Windmühle Deutschlands zu bieten hat; und mit der neugotischen Villa von Eerden eines der schönsten Standesämter; und im Nierspark eine von 100 Klimaschutzsiedlungen in ganz NRW.
Überdauert hat der Ausspruch von „Dä Geldersche Wend“, der hauptsächlich von Bewohnern der umliegenden Dörfer benutzt wird. Damit wird in ironischer Weise der „Geldrianer“als Angeber, Besserwisser und Eingebildeter bezeichnet. Dirk Weber