Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Nachholen der OPs dauert Monate
Nach dem Ende der Streiks an den NRW-Unikliniken begrüßt das Land den Tarifvertrag Entlastung. Danach erhalten Pflegekräfte bis zu 18 zusätzliche freie Tage im Jahr. Minister Laumann sieht eine Signalwirkung für andere Kliniken.
Patienten können aufatmen. Die Streiks an den sechs Unikliniken des Landes wurden am Mittwoch offiziell beendet. Zuvor hatte sich die Gewerkschaft Verdi mit den Kliniken auf einen Tarifvertrag zur Entlastung vor allem der Pflegekräfte geeinigt. Die Unikliniken wollen nun rasch den Betrieb wieder hochfahren und die vielen Operationen nachholen. Rund 10.000 Eingriffe waren landesweit durch den Streik ausgefallen. „Die letzten Wochen haben allen Beteiligten viel abverlangt – den Beschäftigten, den Patientinnen und Patienten und den Klinikleitungen. Ich bin daher sehr froh, dass die Sozialpartner jetzt eine Lösung im Tarifkonflikt gefunden haben“, sagte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU).
Der Tarifvertrag sieht bessere Personalschlüssel vor allem bei patientennahen Berufsgruppen wie Pflegekräften sowie schichtgenaue Belastungsmessungen vor. Sind die Grenzwerte erreicht, erhalten die Beschäftigten Belastungspunkte, die sie sammeln und in zusätzliche freie Tage oder einen finanziellen Ausgleich umwandeln können. „Im ersten Jahr der Umsetzung können bis zu elf freie Tage zusammenkommen, im zweiten Jahr sind es 14 und ab dem dritten Jahr maximal 18 zusätzliche freie Tage“, so Verdi. Diese bis zu 18 zusätzlichen freien Tage sollen die Beschäftigten entlasten und die Jobs attraktiver machen. Zudem sollen Auszubildende persönlich angeleitet werden.
„Ich habe einmal gesagt: Die Pflege braucht einen Lokführermoment. Den haben die Beschäftigten an den Universitätskliniken nun für sich beansprucht – und das mit Erfolg“, so Laumann. Auch die Unikliniken zeigten sich erleichtert, dass der längste Arbeitskampf in der Geschichte des NRW-Gesundheitswesens vorbei ist. Nun wird es ihre Aufgabe sein, neue Stellen zu schaffen, um die zusätzlichen freien Tage zu kompensieren, und dafür Mitarbeiter zu finden.
Die Finanzierung bleibt an Krankenversicherungen und Land hängen. Die Kosten für die Pflege am Bett übernehmen die Kassen, die nicht mit am Verhandlungstisch saßen. Laumann mahnte: „Entscheidend ist, dass die gesetzlichen Krankenkassen die tariflich vereinbarten Pflegepersonalkosten auch refinanzieren.“Die Mehrkosten für Mitarbeiter etwa in Logistik und IT soll dagegen das Land übernehmen: „Der Landtag hat in einer Entschließung festgestellt, dass das Land als Träger der Unikliniken der Adressat für aus dem Tarifabschluss entstehende Kosten ist, die über die duale Krankenhausfinanzierung hinausgehen“, so Laumanns Sprecherin. Der Landtag wolle für eine „auskömmliche Finanzierung“der Unikliniken sorgen. Zur Höhe der Kosten könne man noch nichts sagen.
Laumann geht davon aus, dass nun auch Mitarbeiter in kommunalen und anderen Häusern mehr Entlastung fordern. „Natürlich geht davon eine Signalwirkung auch für andere Krankenhäuser aus“, sagte er unserer Redaktion. „Gute Arbeitsbedingungen hängen von Tarifverträgen ab. Und die sind Verhandlungssache zwischen den Tarifpartnern.“
Mehr als elf Wochen hat der Streik an den Unikliniken gedauert. Tausende Operationen mussten in dieser Zeit verschoben werden, eine Vielzahl von Corona-Erkrankten verschärfte die Lage zusätzlich. Nun gilt es, die ausgefallenen Behandlungen nachzuholen. Welche Patienten nun zuerst behandelt werden, richtet sich überall nach der Dringlichkeit. „Das ist das übliche Vorgehen bei limitierten Ressourcen“, sagte Tobias Pott, Sprecher der Uniklinik Düsseldorf. Bis wann die verschobenen Operationen „abgearbeitet“würden, lasse sich nicht sagen. „Wir sind aber zuversichtlich, dass wir innerhalb der nächsten Tage unsere Leistung wieder auf 100 Prozent hochfahren können“, so Pott.
Bei der Frage, welche Operationen zuerst nachgeholt werden, werde streng nach der Schwere der Fälle priorisiert, sagte auch eine Sprecherin des Uniklinikums Münster. In Bonn entscheiden die ärztlichen Leitungen, welche Operationen nachgeholt werden, so die Sprecherin. Zwischen den Abteilungen gibt es eine tägliche OP-Planungskonferenz. Ausgefallen sei eine vierstellige Zahl von Eingriffen, die man innerhalb von zwei bis drei Monaten nachholen wolle.