Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Gleicher Sport, gleiche Gehälter?
Fußballer sind Millionäre, Fußballerinnen fahren beruflich zweigleisig. Daran erinnert die Frauen-EM erneut. Warum mit der Bezahlung weder der sportliche noch der gesellschaftliche Stellenwert steigen würde.
Wenn Deutschlands Fußballfrauen an diesem Donnerstagabend im Brentford Community Stadium in London zum EM-Viertelfinale gegen Österreich auflaufen, werden gut 16.000 Fans live vor Ort sein und Millionen vor den Fernsehbildschirmen. Einen Besucherrekord vermeldet die Uefa bereits: Nie zuvor wurden so viele Tickets für ein Frauenturnier verkauft – 370.000 allein in der Gruppenphase, eine halbe Million insgesamt, 90.000 fürs Finale in Wembley. Wenn dort am 31. Juli die Siegertrophäe überreicht wird, „werden wir ein wunderbares Vermächtnis hinterlassen“, sagt Ex-Nationalspielerin Nadine
Keßler, bei der Uefa
Leiterin der Abteilung Frauenfußball.
Doch während es den einen um unbezahlbare Erlebnisse oder um Imagegewinn geht, erhoffen sich die anderen messbare Veränderungen. Und zwar in Sachen Geld: Die Siegprämien für Nationalspielerinnen bei großen Turnieren sind zwar gestiegen und bestehen nicht mehr aus einem Kaffeeservice, wie es tatsächlich bei der EM 1991 der Fall war, im Vergleich zu Nationalspielern sind die Summen für die Frauen allerdings mickrig. Gleiche Leistung, gleiche Vergütung, so die Forderung, die zuerst Bundesinnenministerin Nancy Faeser und dann sogar Bundeskanzler Olaf Scholz auf Twitter kundtat: „Wir haben 2022. Frauen und Männer sollten gleich bezahlt werden. Das gilt auch für den Sport, besonders für Nationalmannschaften“, so Scholz, der damit die aktuelle Debatte um „Equal Pay“, also die Gleichbezahlung der Geschlechter, befeuert. Es geht manchen um nicht weniger als die Frage, ob echte Gleichberechtigung erst dann erreicht ist, wenn Frauen und Männer im Profifußball das Gleiche verdienen.
Zunächst tut ein sachlicher Blick auf den Ist-Zustand im deutschen Frauenfußball gut: auf die Bundesliga, auf die Nationalmannschaft und auf den Nachwuchs. In allen drei Bereichen gab es in den vergangenen Jahren – Corona ausgeklammert – keinen Grund für überbordende Euphorie. Die Bundesliga hat sich zwar sportlich etabliert, hält vor allem mit dem VfL Wolfsburg und Bayern München auch international oft in der Spitze mit, aber es fehlt der Zwölfer-Liga an vielem. Vor allem an Zuschauern. 2003/2004 lag der Schnitt bei 548, 2011/12 und 2014 bis 2016 mal knapp über 1000 und in der letzten Saison vor Corona, 2018/2019, bei 833.
Die Liga hat einen Namenssponsor, einen TV-Vertrag und beschäftigt internationale Spitzenspielerinnen. Sie bleibt ein Zuschussgeschäft: Einem durchschnittlichen Umsatz von 1,26 Millionen Euro pro Saison und Klub stehen Ausgaben in Höhe von 2,46 Millionen Euro gegenüber. Wie sollen da Vereine als Wirtschaftsunternehmen Millionengehälter zahlen können? Und die Nationalmannschaft, die mit sympathischen Top-Sportlerinnen momentan so begeistert? Die schied 2017 im EM-Viertelfinale aus, 2019 im WM-Viertelfinale und verpasste Olympia 2021. Drei große Bühnen – und man merkt jetzt, wie groß die EM-Bühne ist – blieben ungenutzt. Auch um einen neuen Boom bei Mädchen auszulösen, der bitter nötig ist: Kurz vor der EM kommunizierte der DFB, dass er seit 2010 die Hälfte seiner Mädchenmannschaften verloren hat.
Trotz allem könnte der DFB den Frauen mehr bezahlen. Oder eben den Männern weniger. Trotz allem ist der neidische Blick in andere Länder erlaubt: in die USA, wo die Frauen-Nationalmannschaft um ein vielfaches erfolgreicher ist als die der Männer. Und wo Stars wie Megan Rapinoe einen Tarifvertrag ausgehandelt haben, der den Fußballerinnen
gleiche Bezahlung garantiert. Nach Spanien, wo die Spielerinnen künftig einen gleichen Anteil an den von Uefa und Fifa verteilten Bonuszahlungen und an TV-Geldern erhalten. Oder ins EM-Gastgeberland Großbritannien, wo die Star-Spielerinnen im Schnitt bis zu 200.000 Pfund pro Saison verdienen, während in Deutschland Spitzenprofis höchstens ein niedriges fünfstelliges Monatsgehalt beziehen.
Die Debatte um Equal Pay krankt unter dem Strich an zwei Punkten: Ja, der Gender-Pay-Gap, die Geschlechtereinkommenslücke, ist ein Problem in Deutschland. Auch 2021 lag der durchschnittliche Stundenlohn von Männern um 18 Prozent höher als der von Frauen für die gleiche Arbeit. 2006 lag sie bei 23 Prozent. Die Gründe dafür sind vielfältig, die regionalen Unterschiede teilweise immens. Dieses marktwirtschaftliche Phänomen auf den Fußball oder den Profisport insgesamt zu übertragen und von ihm die Lösung zu erwarten, wird beidem nicht gerecht. Schon weil im Sport – wie auch in Kunst und Kultur – andere ökonomische Gesetze gelten.
Frauenfußball hat schon für sich eine viel jüngere Historie. „Früher nicht erlaubt. Heute verboten gut“, lautet der (ernst gemeinte) neue Werbeslogan des DFB. „Der Frauenfußball ist attraktiv und selbstbewusst wie eh und je.“Angesichts der Zahlen zur EM aktuell mag das sogar stimmen. Prämien oder Gehälter zu erhöhen, würde weder die Popularität von Frauenfußball noch die Gleichberechtigung steigern. Im Profisport sind vergleichbare Bedingungen wichtiger: eben Equal Play statt Equal Pay. Auch wenn das gesamtgesellschaftlich anders ist. Und so liegt die Lösung am Ende vielleicht gerade darin, den Frauenfußball nicht in allem krampfhaft dem Männerfußball anzugleichen. Sondern stattdessen offensiv und selbstbewusst den Frauenfußball als Frauenfußball zu promoten. Und das ist vielleicht der größere Schritt in Richtung Gleichberechtigung als jeder Versuch, es den Männern gleichzutun.
„Wir haben 2022. Frauen und Männer sollten gleich bezahlt werden“Olaf Scholz Bundeskanzler, auf Twitter