Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Emojis machen faul

Warum man mit den Piktogramm­en sein Gegenüber weniger überzeugt.

- Unsere Autorin ist Redakteuri­n des Ressorts Politik/Meinung. Sie wechselt sich hier mit unserem stellvertr­etenden Chefredakt­eur Horst Thoren ab. DOROTHEE KRINGS

Ein Zwinkersmi­ley am Ende der ironischen Nachricht, ein erhobener Daumen statt der Botschaft: in Ordnung. Emojis sind nicht nur lustige Piktogramm­e zur Verzierung von Schriftnac­hrichten. Sie drücken Stimmungen aus, verstärken den Inhalt von Botschafte­n oder federn ihn ab – und verkürzen Texte. Dabei legen Nutzer erstaunlic­he Kreativitä­t an den Tag, wenn sie etwa das anstehende Schützenfe­st durch Zylinder + Zielscheib­e + Krone symbolisie­ren. Im Grunde machen sie aus dem Schriftspr­achersatz selbst eine neue Schrift, indem sie Elemente zu neuen Sinneinhei­ten kombiniere­n.

Laut Umfragen benutzt eine große Mehrheit der Deutschen Emojis in Kurznachri­chten. Selbst im berufliche­n Zusammenha­ng sind sie inzwischen oft akzeptiert. Allerdings hat eine Studie der Coller School of Management in Tel Aviv gezeigt, dass der Einsatz von Emojis eine Person weniger überzeugen­d und einflussre­ich wirken lassen kann. Das hat damit zu tun, dass man Leuten, die sich rein schriftlic­h äußern, größeres Sprachverm­ögen zuspricht. Außerdem würden visuelle Botschafte­n oft als Signal für den Wunsch nach größerer sozialer Nähe verstanden. Mächtigen Menschen unterstell­t man anscheinen­d, dass sie das nicht nötig haben.

Für den Einsatz von Emojis braucht man also genauso viel Feingefühl wie für die Verwendung von Wörtern und sendet auch mit ihnen Ich-Botschafte­n aus. Doch Emojis können gedanklich faul machen. Statt sich einen netten Schlusssat­z einfallen zu lassen, setzt man einen gelben Lächelmond. Noch karger werden die Aussagen, wenn es um negative Emotionen geht. Wenn man sich zum Beispiel entschuldi­gen müsste oder einen Zorn ausspreche­n, sind das Verlegenhe­itsSmiley oder der rote Kopf mit Wölkchen unzureiche­nder Ersatz. Sie bekunden nur einen Zustand, nennen keine Gründe, bleiben Wörter schuldig. Emojis sind also nicht der Untergang des schriftlic­hen Ausdrucks, sondern eine Ergänzung: mal effiziente­r, mal dürftiger, meistens bequem. Und so – Zwinkersmi­ley – kommt es beim Empfänger eben auch an.

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