Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Ampel streitet über Laufzeitverlängerung bei Atomkraft
In der Debatte über die Atomkraft in Deutschland ist der Vorwurf der ideologischen Argumentation sehr beliebt und wird oft bemüht. Egal, ob von den Befürwortern oder den Gegnern längerer Laufzeiten. Die Debatte ist hochpolitisch. Und es herrscht weiter Streit – auch innerhalb der Ampelkoalition. Eine neue Überprüfung der Sicherheit der deutschen Stromversorgung hat die
Diskussion wieder angefacht. Ausgerechnet das grün geführte Wirtschaftsministerium hat den Stresstest angeordnet. Bisher sprechen sich die Grünen noch klar gegen eine Verlängerung der Atomkraft aus. Sie sei eine „Hochrisikotechnologie“, sagte Bundestagsfraktionschefin Britta Haßelmann zu Wochenbeginn.
Trotzdem hat das Haus von Minister Robert Habeck die vier Übertragungsnetzbetreiber 50 Hertz, Amprion, Tennet und Transnet BW nun beauftragt, die Stressresistenz der Stromnetze erneut zu prüfen, diesmal unter verschärften Annahmen. Dazu gehört der drohende Komplettausfall russischer Gaslieferungen, weiter steigende Gaspreise oder Probleme mit anderen Energiequellen. Mit den Ergebnissen wird in den nächsten Wochen gerechnet.
Die FDP, die stets längere Atomlaufzeiten fordert, frohlockt. Er begrüße den Stresstest der Stromversorgung sehr, sagte FDP-Generalsekretärs Bijan
Djir-Sarai: „Eine befristete Laufzeitverlängerung der drei deutschen Kernkraftwerke würde uns helfen, dringend benötigtes Gas einzusparen, weil wir es nicht für die Verstromung nutzen müssten.“Dabei werden die inhaltlichen Argumente, die der FDP-Politiker vorbringt, keineswegs von allen geteilt. Nach Berechnungen des Energieversorgers Green Planet Energy könnte ein dreimonatiger Weiterbetrieb der noch laufenden Atomkraftwerke Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2 maximal ein Prozent des deutschen Gasbedarfs ersetzen.
Die CSU, die eine Laufzeitverlängerung befürwortet, verschärft die Tonlage. So erhob CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt am Mittwoch den Vorwurf, „dass offensichtlich aus der Bundesregierung heraus die Öffentlichkeit belogen worden ist“. Dobrindt warf dem Wirtschafts- und Umweltministerium vor, verschwiegen zu haben, dass neue Brennstäbe aus den Vereinigten Staaten hätten geliefert werden können. Was Dobrindt nicht sagt: Auch der befristete Weiterbetrieb der Meiler könnte ohne neue Brennstäbe erfolgen. Dass die Meiler über den gesamten Zyklus neuer Brennstäbe weiterlaufen, gilt als höchst unwahrscheinlich.
Und so steht weiterhin Einschätzung gegen Einschätzung. Zumindest die Verlängerung der Atomkraftdebatte scheint sicher.