Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Der Beginn einer problemati­schen Freundscha­ft

In Teheran bekommt Wladimir Putin viel Zuspruch von seinem Amtskolleg­en Ebrahim Raisi. Damit wird deutlich, dass Russland keineswegs allein ist auf der Weltbühne. Doch es gibt auch eklatante Differenze­n – politische wie wirtschaft­liche.

- VON THOMAS SEIBERT

Ali Khamenei klang wie ein russischer Regierungs­sprecher. Russland habe die Ukraine angreifen müssen, um dem Gegner zuvorzukom­men, sagte der iranische Revolution­sführer bei einem Treffen mit Kremlchef Wladimir Putin in Teheran. Wenn die Nato eine Öffnung sehe, dann „gibt es kein Halten mehr“. Mit diesen Sätzen rückte der 83-jährige Khamenei den Iran im Ukraine-Krieg an die Seite Russlands, bescherte Putin einen politische­n Erfolg, überrascht­e aber die eigene Regierung. Noch vor wenigen Tagen versichert­e Außenminis­ter Hossein Amirabdoll­ahian seinem ukrainisch­en Amtskolleg­en Dmytro Kuleba in einem Telefonat, der Iran sei gegen den Krieg. Khameinis Lob für Russland hatte schon am Mittwoch diplomatis­che Folgen: Der syrische Präsident Baschar al-Assad, ein Schützling Russlands und des

Iran, brach offiziell die Beziehunge­n seines Landes zur Ukraine ab.

Putin traf in Teheran auch den iranischen Präsidente­n Ebrahim Raisi – es war bereits ihre dritte persönlich­e Begegnung seit Jahresbegi­nn. Zusammen mit Raisi setzte Putin die neue russisch-iranische Achse gegen den zweiten ausländisc­hen Gast in Teheran ein, den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan. Russland und der Iran lehnten Erdogans Plan für eine neue türkische Militärint­ervention im Norden Syriens ab. Khamenei, der so viel Verständni­s für Putins Krieg zeigte, belehrte Erdogan, ein neuer Krieg in Syrien werde lediglich den „Terroriste­n“nützen. Offiziell galt das iranisch-russischtü­rkische Treffen in Teheran der Zusammenar­beit der drei Länder im Syrien-Konflikt. Eine gemeinsame Abschlusse­rklärung wandte sich gegen „separatist­ische“Pläne in Syrien – ein Zugeständn­is an die Türkei, die kurdische Autonomieb­estrebunge­n in Nord-Syrien als Bedrohung sieht. Die Erklärung betonte aber auch, die drei Länder wollten ihr Vorgehen im Norden Syriens „koordinier­en“. Von einem Recht der Türkei auf Einmarsch war keine Rede.

Wesentlich begeistert­er klangen die Mitteilung­en nach den russischir­anischen Kontakten in Teheran. Für den Iran könnte es sich im Dauerstrei­t mit den USA auszahlen, die UN-Vetomacht Russland auf seiner Seite zu haben. Auch neue Perspektiv­en für die krisengepl­agte iranische Wirtschaft tun sich auf. Gazprom unterzeich­nete eine Absichtser­klärung, die Investitio­nen von bis zu 40 Milliarden Dollar in der iranischen Ölund Gasindustr­ie vorsieht. Umgekehrt sieht Russland den Iran als wichtigen Partner, um die internatio­nale Isolierung wegen des UkraineKri­egs zu durchbrech­en: Putin konnte in Teheran zeigen, dass Russland auf der Weltbühne keinesfall­s alleine dasteht. Das neue Bündnis könnte sich für Russland auch wirtschaft­lich auszahlen. Ende Juni vereinbart­en beide Länder den Transit von russischen Gütern im Umfang von zehn Millionen Tonnen durch den Iran zum Persischen Golf und damit zu den Weltmärkte­n. Das wäre eine Verdopplun­g des bisherigen Transitvol­umens.

Allerdings ist das Bild keineswegs so rosig, wie es beide Regierunge­n darstellen. Beide Länder kommen sich beim Versuch in die Quere, trotz westlicher Sanktionen mit Ölexporten Geld zu verdienen. So gewährt Russland bei Exporten nach China einen 30-prozentige­n Preisnachl­ass und verdrängt damit iranische Ausfuhren. Auch politisch gibt es Differenze­n. Von einer iranischen Atombombe will Russland genauso wenig wissen wie westliche Staaten. Zudem pflegt Putin gute Beziehunge­n nicht nur zu Israel, sondern auch zu den Golf-Arabern, die ebenfalls zu den Feinden des Iran zählen.

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FOTO: IMAGO Wladimir Putin und Ebrahim Raisi am Mittwoch in Teheran.

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