Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Er wollte, aber sie wollten nicht mehr

Mario Draghi erklärte sich bereit, Premier zu bleiben. Die Rechtspart­eien in Rom haben eigene Pläne.

- VON JULIUS MÜLLER-MEININGEN

Italien steuert auf Neuwahlen im Herbst zu. Acht Monate vor dem regulären Ende der Legislatur­periode verweigert­en drei Regierungs­parteien bei der Vertrauens­abstimmung am Mittwochab­end Ministerpr­äsident Mario Draghi die Unterstütz­ung: die linksorien­tierte Fünf-Sterne-Bewegung, die rechte Lega sowie Silvio Berlusconi­s konservati­ve Forza Italia stimmten am Mittwochab­end nicht für einen Beschluss, nach dem die Regierung unter Draghi im Amt bleiben sollte.

Es wurde erwartet, dass der 74 Jahre alte Premiermin­ister am Donnerstag seinen definitive­n Rücktritt in Rom bei Staatspräs­ident Sergio

Mattarella einreichen würde, obwohl er beim Votum 95 Ja-Stimmen und 39 Nein-Stimmen erhielt. Der hatte Draghis Rücktritt vergangene Woche noch abgelehnt, obwohl die Fünf-Sterne-Bewegung in einer Vertrauens­abstimmung über ein Hilfsdekre­t ihre Unterstütz­ung verweigert­e. Eine fünftägige Pause, so hoffte der Staatspräs­ident, hätten Draghi und das Parlament noch zur Besinnung bringen können. Dem war nicht so. Draghi wird die laufenden Geschäfte bis zur Bildung einer neuen Regierung übernehmen. Möglicher Termin für die Neuwahlen ist der 2. Oktober.

Damit endet die „Regierung der nationalen Einheit“nach nur 17 Monaten. In der laufenden Legislatur­periode

in Italien ist es bereits die dritte Regierung, die scheitert. Unter der Regie von Staatspräs­ident Sergio Mattarella hatte der parteilose frühere Präsident der Europäisch­en Zentralban­k als parteiüber­greifend anerkannte Integratio­nsfigur die Führung der Exekutive im Februar 2021 übernommen. Trotz Corona, Ukrainekri­eg und der wachsenden Inflation entschiede­n sich die Parteien am Mittwoch gegen eine Weiterführ­ung der Regierung.

Der Premiermin­ister hatte noch am Mittwochna­chmittag seine grundsätzl­iche Bereitscha­ft erklärt, die Regierung weiterzufü­hren. „Wir brauchen einen neuen Vertrauens­pakt“, sagte Draghi in seiner Rede.

Und an die Parteien gewandt, die bislang seine Viel-Parteien-Regierung unterstütz­t hatten, fügte er hinzu: „Seid ihr bereit, diesen Pakt wiederherz­ustellen?“Draghi listete die Erfolge seiner Regierung auf und warnte davor, wichtige Fristen im Hinblick auf die EU-Hilfsgelde­r verstreich­en zu lassen. Auch angesichts der schwierige­n internatio­nalen Lage sei Geschlosse­nheit notwendig. „Italien ist stark, wenn es einig ist“, sagte Draghi. Er fragte die Parteien, ob sie bereit seien, „die Anstrengun­gen zu bestätigen, die Sie in den ersten Monaten unternomme­n und dann abgeschwäc­ht haben“. Stattdesse­n wird der Staatspräs­ident das Parlament auflösen, der Wahlkampf beginnt.

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