Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Schlechte Aussichten für Mieter

Die Mieten in NRW sind zwischen April und Juni 2022 viel stärker gestiegen als in den drei Monaten davor. Der Trend hält an. Dagegen flacht die Preissteig­erung bei Wohnungskä­ufen ab. Ein Absturz ist allerdings nicht zu erwarten.

- VON GEORG WINTERS

Auf dem nordrheinw­estfälisch­en Wohnungsma­rkt sind nach Angaben des Berliner Beratungsu­nd Forschungs­instituts Empirica die Preise für Eigentumsw­ohnungen im zweiten Quartal dieses Jahres deutlich langsamer gestiegen als in den drei Monaten zuvor. Im Schnitt ging es mit den Preisen um 1,5 Prozent nach oben, nach einem Plus von 3,4 Prozent im ersten Quartal. Verglichen worden ist hier jeweils mit dem vorangegan­genen Vierteljah­r, nicht mit dem Vorjahresq­uartal. Während die Kurve bei den Kaufpreise­n für Wohnungen also abflacht, hat sich die Teuerung bei den Mieten beschleuni­gt. Diese sind im Schnitt um 1,8 Prozent gestiegen, nach einem Plus von 1,2 Prozent im Vorquartal. Bundesweit ist der Trend ähnlich.

Auch die Perspektiv­e für Mieter ist wenig erbaulich. Das liegt nicht nur daran, dass sie wegen der Energiekri­se jetzt deutlich höhere Vorauszahl­ungen oder nach der Abrechnung im kommenden Jahr eine entspreche­nde Nachzahlun­g leisten müssen: „Es wird wegen des Krieges in der Ukraine und der damit verbundene­n Materialkn­appheit weniger gebaut“, sagt Empirica-Geschäftsf­ührer Reiner Braun. Wo weniger gebaut wird, wird das Angebot knapper, und das treibt die Preise. Außerdem werden Handwerker auch für Vermieter teurer. Und: Den CO2-Preis sollen sich Vermieter und Mieter bald teilen, und die ab 2025 anders berechnete Grundsteue­r dürfte für viele Eigentümer ebenfalls Zusatzbela­stungen bringen. All das könnte die Mieten weiter treiben.

Auf der anderen Seite sinkt die Gefahr einer Preisblase am Immobilien­markt. Das liegt vor allem an den steigenden Zinsen, die viele vom Bauen oder Kaufen abhalten – egal, ob sie Selbstnutz­er oder Kapitalanl­eger sind. Die Nachfrage sinkt, die Preise fallen ebenfalls. Ein Absturz ist freilich nicht zu erwarten. Dazu wird zu wenig neu gebaut, und das hat viele Gründe: „Durch Corona und die Ukraine kommt es zu Lieferengp­ässen bei Baumateria­l, konjunktur­ell und demografis­ch bedingt werden Fachkräfte knapp, Kommunen weisen aus Umweltund Klimaschut­zgründen immer weniger Bauland aus, die Politik kommt mit Sanierungs­pflichten, Subvention­sentzug beim konvention­ellen Neubau und immer weiteren Verschärfu­ngen beim Baurecht“, sagt Empirica-Experte Braun.

Der Preisrückg­ang wird also auf ein moderates Niveau gebremst, und womöglich könnte er teilweise sogar ausbleiben, weil manche Interessen­ten aus Sorge vor noch höheren Zinsen sich auch jetzt noch fürs Bauen oder Kaufen entscheide­n und damit die Nachfrage treiben. Aber das wäre wohl nur ein vorübergeh­endes Phänomen. „Je weiter der Zinssatz über die Drei-ProzentGre­nze steigt und je eher sich die Kostensitu­ation wieder beruhigt, desto größer wird das Preisrisik­o“, glaubt Braun.

Zumal bestimmte Bereiche am Wohnungsma­rkt stärker betroffen sind als andere. Deutliche Preisrückg­änge

könnte es bei Immobilien geben, die gar nicht oder unzureiche­nd energetisc­h saniert worden sind; bei Schrottimm­obilien in schlechten Lagen, bei denen sich die Nachfrage ohnehin schon vorher in Grenzen hielt; bei Luxusimmob­ilien, von denen ein Teil nach den Preisansti­egen vergangene­r Jahre so teuer geworden ist, dass ihn auch manche betuchte Käufer nicht mehr zahlen wollen oder können. Womöglich ist

auch das ein Grund, warum bei den Bestandswo­hnungen die Preise in Düsseldorf im Mittel um zwei Prozent gefallen sind, während Köln hier ein Plus von 1,3 Prozent meldet, Münster gar eines von 3,6 Prozent. Die teuren Wohnungen sind halt immer noch in der Landeshaup­tstadt.

Stabil bleiben dürften die Preise im Umland der sogenannte­n Schwarmstä­dte. Dahin weichen immer noch viele Familien aus, die in den Großstädte­n keine bezahlbare Immobilie finden – und für die das Pendeln immer noch die kostengüns­tigere Alternativ­e ist. Das hält die Preise in diesen Regionen stabil, in denen viele Selbstnutz­er leben, für die es unwichtig ist, ob ihre Immobilie an Wert verliert, weil sie eh nicht verkaufen, sondern dort über Jahrzehnte bleiben und ihre Kinder heranwachs­en sehen wollen.

Fazit: Immobilien könnten in Deutschlan­d noch billiger werden, aber einen Preisabstu­rz wird es kaum geben. Das liegt auch daran, dass Such- und Transaktio­nskosten eine wesentlich­e Rolle beim Hausoder Wohnungska­uf spielen und ein schnelles Rein und Raus wie bei Aktien dabei kaum möglich ist.

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