Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Ein deutsches Armutszeugnis
Die Bilder glichen sich in den ersten Tagen der Leichtathletik-WM in Eugene: Wenn zu den Finals die Athletinnen und Athleten vorgestellt wurden, fehlte in der Regel jemand im deutschen Trikot. Und waren doch einmal Deutsche im Kampf um Medaillen dabei, waren diese nicht einmal annähernd in Reichweite. Die Bilanz nach fünf Wettkampftagen: erschreckend. Nicht ein Top-Acht-Ergebnis war dabei.
Ja, der Kalender dieser WM hat die deutschen Leichtathleten nicht begünstigt. In den ersten Tagen waren zum Teil Aktive im Einsatz, die erst per Nachrückverfahren kurz vor der WM von ihrer Teilnahme erfahren haben. Oder es waren welche, denen der DLV die Chance geben wollte, sich zu präsentieren. Man hätte sich gerade von ihnen bessere Ergebnisse erhofft. „Ich gebe zu, dass wir im ersten Teil unter unseren Erwartungen geblieben sind“, sagte Chefbundestrainerin Anett Stein und hofft nun auf die Asse um Malaika Mihambo.
Ob das gelingt, scheint fraglich. Schon im Vorfeld haben viele Aktive gesagt, dass die EM in München im Rahmen der European Championships der wahre Höhepunkt des Jahres sei und die WM nur eine Durchgangsstation im Formaufbau. In München erhoffen sich die Aktiven eine deutliche höhere
Aufmerksamkeit als nun bei einer Nacht-WM aus mitteleuropäischer Sicht. Auch sind die Medaillenchancen dort sicher höher.
Die Einstellung, um an den aktuellen Welttitelkämpfen erfolgreich teilzunehmen, scheint nicht richtig vorhanden zu sein. Die Siebenkämpferin Sophie Weißenberg etwa stieg aus ihrem Wettkampf frühzeitig aus, „um schon jetzt die Regeneration für den EMStart einzuläuten und Körner zu sparen“, wie der DLV bekanntgab. ARD-Leichtathletik-Experte Frank Busemann brachte es auf den Punkt: „Wer auf einmal ein Hintertürchen hat, einen Plan B, der ist ja nicht mit 100 Prozent dabei, sondern nur mit 98. Und was das im Leistungssport heißt, weiß jeder.“
Bundestrainerin Stein gab nun zu: „Wahrscheinlich ist es nicht gelungen, die WM in den Fokus der meisten Athleten zu setzen, weil die EM doch sehr präsent ist.“Ein Armutszeugnis für den Verband und die Sportler selbst. Zumal von den WM-Ergebnissen die Förderung abhängt. Umso unverständlicher sind die bisherigen Leistungen der Deutschen. Die Ergebnisse rechtfertigen diesen enormen Aufwand und die hohen Kosten für die 78 Aktiven in Eugene bisher nicht. Die deutsche Leichtathletik gibt ein schwaches Bild ab.