Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Berechtigtes Aufbegehren
Mit den Entlastungen ist es, frei nach Karl Valentin, wie mit der Kunst: Sie sind schön, machen aber viel Arbeit. Neuer Arbeitsaufwand für die Ampel-Regierung an ihrem milliardenschweren dritten Entlastungspaket hat sich am Wochenende ergeben, denn die Bundesländer fordern Nachbesserungen. Durchaus zu Recht. Mit ihrer Kritik, der Bund habe die Länder bei der Finanzierung im Vorfeld nicht ausreichend einbezogen, haben die Regierungschefs der Länder einen Punkt. 65 Milliarden Euro soll das neue Maßnahmenpaket insgesamt umfassen. Darin stecken neue Einmalzuschüsse unter anderem für Rentner und Studierende oder die Anschlusslösung für das bundesweit gültige Neun-Euro-Ticket. Doch an vielen Stellen bleiben Fragen offen.
Besonders hitzig verlaufen die Debatten über den Nachfolger für das Neun-Euro-Ticket. Dem Bund schwebt eine Lösung vor, die zwischen 49 und 69 Euro pro Monat kosten soll – mit der entscheidenden Einschränkung, dass die Länder dieses Ticket mitfinanzieren sollen. Es ist kaum verwunderlich, dass die Länder sich vom Bund übergangen fühlen.
Finanzminister Christian Lindner lieferte jüngst selbst eine Steilvorlage für die jetzige Kritik. Der FDPPolitiker plädierte Ende August in einem Gastbeitrag für die „FAZ“unter dem Titel „Der Bund soll weniger Länderaufgaben finanzieren“dafür, dass jede staatliche Ebene für die Folgen des eigenen Handelns aufkommen müsse. „Niemand sollte auf Kosten anderer Entscheidungen treffen können“, schrieb er. Dass Lindner nun Maßnahmen mitkonzipiert hat, zu deren Finanzierung der Bund die Länder braucht, gehört zur Ironie der Geschichte. Die Bundesregierung sollte sich zu Herzen nehmen, für eigene Entscheidungen aufkommen zu können. Entlastungen sind schön, aber nur wenn sie sinnvoll ausgestaltet sind.