Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Die EU will Ungarn Milliardenhilfen kürzen
(dpa) Wegen Korruption und anderer Verstöße gegen den Rechtsstaat in Ungarn hat die Europäische Kommission vorgeschlagen, dem Land Zahlungen in Höhe von rund 7,5 Milliarden Euro aus dem EU-Haushalt zu kürzen. Das Geld sei in Ungarn nicht ausreichend vor Missbrauch geschützt, sagte EU-Haushaltskommissar Johannes Hahn am Sonntag. Es ist das erste Mal, dass die Brüsseler Behörde wegen Mängeln im Rechtsstaat eines EU-Staats einen solchen Schritt erwägt. Zugleich würdigte Hahn jedoch, dass Ungarn zuletzt 17 Zusagen gemacht habe, um die Defizite zu beseitigen. Diese gingen in die richtige Richtung, müssten aber auch umgesetzt werden. Nun liegt es an den EU-Staaten, ob sie dem Vorschlag der EU-Kommission folgen. Um die 7,5 Milliarden Euro tatsächlich einzufrieren, müssen mindestens 15 Länder mit mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung zustimmen.
Die EU-Kommission wirft Ungarn unter Regierungschef Viktor Orbán seit Jahren vor, EU-Standards zu untergraben. Die Behörde startete etliche Vertragsverletzungsverfahren und verklagte Ungarn mehrfach vor dem Europäischen Gerichtshof – ohne jedoch ein Umdenken in Budapest zu erreichen.
Der Bericht über den Zustand des Rechtsstaat in den EU-Staaten vom Juli liest sich entsprechend verheerend: Es gebe Unzulänglichkeiten „in Bezug auf Lobbying, Drehtüreffekte sowie Parteien- und Wahlkampffinanzierung“; unabhängige Mechanismen, um Korruption aufzudecken, reichten nicht aus; die Rede ist von einem Umfeld, „in dem die Risiken von Klientelismus, Günstlings- und Vetternwirtschaft in der hochrangigen öffentlichen Verwaltung nicht angegangen werden“. Und das ist längst nicht alles. Die Lage wird aus Brüsseler Sicht immer schlechter. Das Europaparlament leitete bereits 2018 ein Verfahren nach Artikel 7 der EU-Verträge gegen Ungarn ein, weil es Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte in dem Land bedroht sah. Am Donnerstag sprachen die Abgeordneten Ungarn dann in einem symbolischen Schritt ab, eine vollwertige Demokratie zu sein.
Der EU-Rechtsstaatsmechanismus soll diese Entwicklung jetzt stoppen. Das Instrument soll dafür sorgen, dass Verstöße gegen rechtsstaatliche Prinzipien nicht mehr ungestraft bleiben. Entscheidend ist dabei, dass dadurch ein Missbrauch von EU-Geldern droht. Im April leitete die EU-Kommission ein solches Verfahren gegen Ungarn ein – zum ersten Mal überhaupt. Konkret sollen nach dem Vorschlag vom Sonntag 65 Prozent aus drei Programmen zur Förderung benachteiligter Regionen einbehalten werden.