Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Übers Ziel hinausgeschossen
Was herrschte 2020 für eine Aufregung in der Bundesliga: beleidigende Plakate gegen Dietmar Hopp, Hoffenheims Mäzen im Fadenkreuz, Spielunterbrechungen und Solidaritätsbekundungen. Der Anlass für das Aufflammen der Proteste: Der DFB hatte aufgrund wiederholter Schmähungen gegen Hopp eine der eigentlich abgeschafften Kollektivstrafen gegen Dortmund-Fans verhängt. Ein Hauch der übertriebenen Empörung von damals wehte am Samstagabend durch den Borussia-Park in Mönchengladbach. „Ein Hurensohnverein stellt nur Hurensöhne ein“, stand auf einem Spruchband der Gladbach-Ultras. Dass Schiedsrichter Patrick Ittrich deshalb gleich über die Stadionlautsprecher eine Spielunterbrechung androhte, war überzogen. „Dieser rechtsfreie Raum muss unterbunden werden“, sagte Ittrich. Für einen hauptberuflichen Polizisten war das ein bemerkenswertes Statement. Zumal er auf den sogenannten Drei-Stufen-Plan verwies, den der DFB nach den Vorgängen um Hopp präzisiert hatte. Er soll vor allem bei „Diskriminierungen aufgrund von Alter, Behinderung, Geschlecht, Religion oder Weltanschauung, ethnischer Herkunft oder sexueller Identität“greifen. Nichts davon war in Gladbach gegeben. Zudem erweckte Ittrich den Eindruck, dass die Schwelle bei Beleidigungen gegen RB und (künftige) Angestellte, in diesem Fall Marco Rose und Max Eberl, niedriger ist als zum Beispiel bei homophoben Äußerungen wie zuletzt in Rostock.
Die Fans in Gladbach stehen alles andere als geschlossen hinter den Plakaten. Kritik an der Aktion steht jedem zu. Gleichzeitig ist das Anliegen der Verfasser legitim, Proteste gegen einen Klub, der zu Marketingzwecken gegründet wurde, nicht einschlafen zu lassen. Die Gemengelage ist zu komplex für pauschale Verurteilungen. Darum ist Ittrich übers Ziel hinausgeschossen.