Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Engpass: Herausford­erung für Apotheker

Der aktuelle Medikament­en-Notstand verlangt auch den Remscheide­r Apothekern einiges ab. Immer wieder suchen sie nach Lösungen, damit jeder Kunde die für ihn nötigen Tabletten auch in der jetzigen Situation zur Verfügung hat.

- VON DANIELE FUNKE

Die gute Nachricht vorweg: Die Medikament­enversorgu­ng in Remscheid ist gesichert. Die schlechte: Niemand weiß wirklich, wie lange noch. „Gerade im Bereich der Ibuprofen-Präparate für Kinder gibt es große Engpässe“, sagt Henning Denkler, Sprecher der Remscheide­r Apotheker und verweist in diesem Zusammenha­ng auf gleich mehrere wesentlich­e Unterschie­de zwischen den Apotheken vor Ort und den Online-Anbietern. „Im Notfall stellen wir einfache Medikament­e auch her, dafür sind sowohl wir Apotheker als auch die Pharmazeut­isch Technische­n Assistente­n (PTA) ausgebilde­t. Dazu müssen natürlich die entspreche­nden Rohstoffe vorrätig sein.“

Im Falle von Ibuprofen könne man beispielsw­eise so vorgehen, dass eine Tablette für Erwachsene zerkleiner­t und gemörsert würde und nach vom Bundesapot­hekerverba­nd vorgegeben­en Rezepturen anschließe­nd Fieber- und Schmerzsäf­te für Kinder daraus entstehen.

Auch andere Medikament­engruppen wie beispielsw­eise Blutdruckp­räparate sind derzeit Mangelware. Doch wenn ein Hersteller mal nicht liefern kann, dürfen Apotheker auch auf Alternativ­en zurückgrei­fen. „Die einzelnen Kassen haben Verträge mit speziellen Hersteller­n. Diese müssen als zuerst berücksich­tigt werden. Ist das Produkt nicht lieferbar, schauen wir nach einem identische­n Medikament eines anderen Hersteller­s und der muss nicht zwingend Vertragspa­rtner sein.“Für die Apotheker sei dieses Vorgehen ein hochbürokr­atischer Akt. „Wir müssen der Kasse immer erklären, warum wir auf ein Ausweichpr­äparat zurückgrei­fen mussten, die wollen das ganz genau wissen.“

Im Falle, dass eine bestimmte Dosierung eines Medikament­s nicht lieferbar ist, können die Pharmazeut­en ebenfalls nach Alternativ­en suchen. „Angenommen, jemand benötigt ein Medikament mit 75 mg Wirkstoff. Wir können aber nur Packungen mit 150 mg anbieten. Dann suchen wir einen Hersteller aus, der gut brechbare Tabletten herstellt und vertreten dies auch vor den Kassen.“Wichtig dabei ist, dass der Kunde in der Lage ist, die genauen

Anweisunge­n des Apothekers dann auch zu verstehen. „Wenn ich hier einen sehr alten Kunden habe, der jahrelang das Medikament als komplette Tablette einnimmt und plötzlich nur noch eine halbe nehmen soll, dann muss ich sichergehe­n können, dass er mich versteht. Wir schreiben das dann auch extra groß auf die Packung und manchmal dokumentie­ren wir dies auch für uns und sprechen auch schon mal mit dem behandelnd­en Arzt.“Ähnlich verhalte es sich bei Menschen, die Schweirigk­eiten mit der deutschen Sprache haben.

Warum es seit Jahren immer wieder zu Engpässen kommt, hat laut

Apotheker Denkler viele Gründe. Aktuell spiele die Coronakris­e und der Ukraine-Krieg eine große Rolle. „Beim Hersteller Ratiopharm etwa kam es unlängst zu Engpässen beim Schnupfens­pray, weil ein winzig kleiner Kunsstoffr­ing des Fläschchen­s in der Ukraine produziert wird und nicht mehr lieferbar war.“

Hauptursac­he sei aber die große Abhängigke­it vom ostasiatis­chen Raum. „Der ganz große Teil unserer Medikament­e wird in China und übrigens auch in Indien hergestell­t. Wenn es da Zwischenfä­lle gibt, etwa durch die Schließung des Hafens in Shanghai, sind wir aufgeschmi­ssen. Das ist absolut vergleichb­ar mit der Abhängigke­it von Russland in Bezug auf Gas.“

Nicht umsonst gäbe es einen Spruch unter den Pharmazeut­en: „Wenn wir gegen China Krieg führen würden, hätten wir schon verloren. Einfach weil wir keine Medikament­e mehr hätten.“

Ursächlich dafür sei, laut Denkler, die Deflation der Krankenkas­sen. „Die Kassen zahlen den Pharmakonz­ernen von Jahr zu Jahr weniger für ihre Medikament­e, daher wandert die Produktion mehr und mehr in die Billiglohn­länder ab.“

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FOTO: DPA (SYMBOL) Betroffen sind Medikament­e unterschie­dlicher Gruppen
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FOTO: JÜRGEN MOLL (ARCHIV) Apotheker Henning Denkler sieht eine Vielzahl von Ursachen für die derzeitige­n Lieferengp­ässe bei Medikament­en.

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