Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Engpass: Herausforderung für Apotheker
Der aktuelle Medikamenten-Notstand verlangt auch den Remscheider Apothekern einiges ab. Immer wieder suchen sie nach Lösungen, damit jeder Kunde die für ihn nötigen Tabletten auch in der jetzigen Situation zur Verfügung hat.
Die gute Nachricht vorweg: Die Medikamentenversorgung in Remscheid ist gesichert. Die schlechte: Niemand weiß wirklich, wie lange noch. „Gerade im Bereich der Ibuprofen-Präparate für Kinder gibt es große Engpässe“, sagt Henning Denkler, Sprecher der Remscheider Apotheker und verweist in diesem Zusammenhang auf gleich mehrere wesentliche Unterschiede zwischen den Apotheken vor Ort und den Online-Anbietern. „Im Notfall stellen wir einfache Medikamente auch her, dafür sind sowohl wir Apotheker als auch die Pharmazeutisch Technischen Assistenten (PTA) ausgebildet. Dazu müssen natürlich die entsprechenden Rohstoffe vorrätig sein.“
Im Falle von Ibuprofen könne man beispielsweise so vorgehen, dass eine Tablette für Erwachsene zerkleinert und gemörsert würde und nach vom Bundesapothekerverband vorgegebenen Rezepturen anschließend Fieber- und Schmerzsäfte für Kinder daraus entstehen.
Auch andere Medikamentengruppen wie beispielsweise Blutdruckpräparate sind derzeit Mangelware. Doch wenn ein Hersteller mal nicht liefern kann, dürfen Apotheker auch auf Alternativen zurückgreifen. „Die einzelnen Kassen haben Verträge mit speziellen Herstellern. Diese müssen als zuerst berücksichtigt werden. Ist das Produkt nicht lieferbar, schauen wir nach einem identischen Medikament eines anderen Herstellers und der muss nicht zwingend Vertragspartner sein.“Für die Apotheker sei dieses Vorgehen ein hochbürokratischer Akt. „Wir müssen der Kasse immer erklären, warum wir auf ein Ausweichpräparat zurückgreifen mussten, die wollen das ganz genau wissen.“
Im Falle, dass eine bestimmte Dosierung eines Medikaments nicht lieferbar ist, können die Pharmazeuten ebenfalls nach Alternativen suchen. „Angenommen, jemand benötigt ein Medikament mit 75 mg Wirkstoff. Wir können aber nur Packungen mit 150 mg anbieten. Dann suchen wir einen Hersteller aus, der gut brechbare Tabletten herstellt und vertreten dies auch vor den Kassen.“Wichtig dabei ist, dass der Kunde in der Lage ist, die genauen
Anweisungen des Apothekers dann auch zu verstehen. „Wenn ich hier einen sehr alten Kunden habe, der jahrelang das Medikament als komplette Tablette einnimmt und plötzlich nur noch eine halbe nehmen soll, dann muss ich sichergehen können, dass er mich versteht. Wir schreiben das dann auch extra groß auf die Packung und manchmal dokumentieren wir dies auch für uns und sprechen auch schon mal mit dem behandelnden Arzt.“Ähnlich verhalte es sich bei Menschen, die Schweirigkeiten mit der deutschen Sprache haben.
Warum es seit Jahren immer wieder zu Engpässen kommt, hat laut
Apotheker Denkler viele Gründe. Aktuell spiele die Coronakrise und der Ukraine-Krieg eine große Rolle. „Beim Hersteller Ratiopharm etwa kam es unlängst zu Engpässen beim Schnupfenspray, weil ein winzig kleiner Kunsstoffring des Fläschchens in der Ukraine produziert wird und nicht mehr lieferbar war.“
Hauptursache sei aber die große Abhängigkeit vom ostasiatischen Raum. „Der ganz große Teil unserer Medikamente wird in China und übrigens auch in Indien hergestellt. Wenn es da Zwischenfälle gibt, etwa durch die Schließung des Hafens in Shanghai, sind wir aufgeschmissen. Das ist absolut vergleichbar mit der Abhängigkeit von Russland in Bezug auf Gas.“
Nicht umsonst gäbe es einen Spruch unter den Pharmazeuten: „Wenn wir gegen China Krieg führen würden, hätten wir schon verloren. Einfach weil wir keine Medikamente mehr hätten.“
Ursächlich dafür sei, laut Denkler, die Deflation der Krankenkassen. „Die Kassen zahlen den Pharmakonzernen von Jahr zu Jahr weniger für ihre Medikamente, daher wandert die Produktion mehr und mehr in die Billiglohnländer ab.“