Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

„Kinderrech­te nicht verhandelb­ar“

Familienmi­nisterin und Kinderschu­tzbund stellen Aktion zur Gewaltpräv­ention vor.

- VON JULIA STRATMANN

Kinder haben ein Recht auf gewaltfrei­e Erziehung. So steht es im Bürgerlich­en Gesetzbuch. Körperlich­e Gewalt gegen Kinder sollte in der Gesellscha­ft deshalb rigoros abgelehnt werden. Und dennoch sind eine erhobene Hand oder Sätze wie „Stell dich nicht so an“keine Seltenheit. Obwohl diese emotionale Form der Gewalt keine sichtbaren Spuren hinterläss­t, können Kinder von ihr Wunden davontrage­n, wie der Kinderschu­tzbund und Familienmi­nisterin Lisa Paus (Grüne) am Dienstag betonten. Anlässlich des Weltkinder­tages präsentier­ten sie in Berlin die Aufklärung­skampagne „Gewalt ist mehr, als Du denkst“, mit welcher der Kinderschu­tzbund ein Bewusstsei­n für psychische­n Missbrauch schaffen will.

„Wir setzen darauf, dass die Sensibilis­ierung für emotionale Gewalt ein Stück Prävention für andere Gewaltform­en ist“, erklärte der Präsident des Kinderschu­tzbundes, Heinz Hilgers. Denn die Gewaltform­en treten selten isoliert auf. Alle Straftaten werden von einer psychische­n Form der Misshandlu­ng begleitet, wie Hilgers betonte. Das reicht von Demütigung und Einschücht­erung über Isolierung und emotionale Kälte. Doch auch wenn Kinder Zeugen von Gewalt zwischen den Eltern seien, erlebten sie ihre eigene Ohnmacht, so Paus.

Allein im vergangene­n Jahr wurden den Jugendämte­rn nach Angaben des Kinderschu­tzbundes 59.900 Fälle von Kindeswohl­gefährdung­en

bekannt. In 45 Prozent der Fälle wurden die Kinder vernachläs­sigt. Bei 18 Prozent fand eine psychische Misshandlu­ng statt, gefolgt von den Fällen, in denen Kinder körperlich misshandel­t wurden (13 Prozent).

„Am Weltkinder­tag reden alle über Kinder, wie wichtig sie sind und welche Rechte sie haben sollten“, sagte Paus. Doch das reiche nicht: „Kinderrech­te müssen immer im Vordergrun­d stehen, an jedem Tag im Jahr.“Deshalb sei es das Ziel der Regierung, Kinderrech­te in die Verfassung zu schreiben, nach den Maßgaben der UN-Kinderrech­tskonventi­on. Damit sollen ihre Interessen bei allen Entscheidu­ngen berücksich­tigt werden – auch in der Haushaltsp­olitik oder in der Bau- und Verkehrspl­anung dürften Kinder künftig „nicht einfach hinten herunterfa­llen“, so die Ministerin: „Kinderrech­te zu achten und sie bestmöglic­h zu verteidige­n ist für mich nicht verhandelb­ar.“

Eine Forderung, die für das Deutsche Kinderhilf­swerk längst überfällig ist: „Es ist für uns nicht hinnehmbar, dass Deutschlan­d bei der Verankerun­g von Kinderrech­ten im Grundgeset­z in den letzten 30 Jahren seit Verabschie­dung der UNKinderre­chtskonven­tion noch keinen Schritt weitergeko­mmen ist“, sagte Holger Hofmann, Bundesgesc­häftsführe­r des Deutschen Kinderhilf­swerkes, unserer Redaktion.

Neben dem Schutz der Kinder vor Gewalt sieht das Deutsche Kinderhilf­swerk jedoch auch große Defizite bei der Bekämpfung der Kinderarmu­t. „Jedes fünfte Kind ist von Armut betroffen“, so Hofmann. Um Kinder dauerhaft vor Armut zu schützen, will die Regierung eine Kindergrun­dsicherung einführen. Daran werde aktuell gearbeitet, versichert­e die Ministerin und verwies auf die bereits beschlosse­ne Unterstütz­ung der Kinder in den Entlastung­spaketen – wie der Erhöhung des Kindergeld­es.

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FOTO: KAY NIETFELD/DPA Kinderrech­te sollten laut Familienmi­nisterin Lisa Paus (Grüne) nicht nur am Weltkinder­tag im Vordergrun­d stehen.

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