Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
„Kinderrechte nicht verhandelbar“
Familienministerin und Kinderschutzbund stellen Aktion zur Gewaltprävention vor.
Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. So steht es im Bürgerlichen Gesetzbuch. Körperliche Gewalt gegen Kinder sollte in der Gesellschaft deshalb rigoros abgelehnt werden. Und dennoch sind eine erhobene Hand oder Sätze wie „Stell dich nicht so an“keine Seltenheit. Obwohl diese emotionale Form der Gewalt keine sichtbaren Spuren hinterlässt, können Kinder von ihr Wunden davontragen, wie der Kinderschutzbund und Familienministerin Lisa Paus (Grüne) am Dienstag betonten. Anlässlich des Weltkindertages präsentierten sie in Berlin die Aufklärungskampagne „Gewalt ist mehr, als Du denkst“, mit welcher der Kinderschutzbund ein Bewusstsein für psychischen Missbrauch schaffen will.
„Wir setzen darauf, dass die Sensibilisierung für emotionale Gewalt ein Stück Prävention für andere Gewaltformen ist“, erklärte der Präsident des Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers. Denn die Gewaltformen treten selten isoliert auf. Alle Straftaten werden von einer psychischen Form der Misshandlung begleitet, wie Hilgers betonte. Das reicht von Demütigung und Einschüchterung über Isolierung und emotionale Kälte. Doch auch wenn Kinder Zeugen von Gewalt zwischen den Eltern seien, erlebten sie ihre eigene Ohnmacht, so Paus.
Allein im vergangenen Jahr wurden den Jugendämtern nach Angaben des Kinderschutzbundes 59.900 Fälle von Kindeswohlgefährdungen
bekannt. In 45 Prozent der Fälle wurden die Kinder vernachlässigt. Bei 18 Prozent fand eine psychische Misshandlung statt, gefolgt von den Fällen, in denen Kinder körperlich misshandelt wurden (13 Prozent).
„Am Weltkindertag reden alle über Kinder, wie wichtig sie sind und welche Rechte sie haben sollten“, sagte Paus. Doch das reiche nicht: „Kinderrechte müssen immer im Vordergrund stehen, an jedem Tag im Jahr.“Deshalb sei es das Ziel der Regierung, Kinderrechte in die Verfassung zu schreiben, nach den Maßgaben der UN-Kinderrechtskonvention. Damit sollen ihre Interessen bei allen Entscheidungen berücksichtigt werden – auch in der Haushaltspolitik oder in der Bau- und Verkehrsplanung dürften Kinder künftig „nicht einfach hinten herunterfallen“, so die Ministerin: „Kinderrechte zu achten und sie bestmöglich zu verteidigen ist für mich nicht verhandelbar.“
Eine Forderung, die für das Deutsche Kinderhilfswerk längst überfällig ist: „Es ist für uns nicht hinnehmbar, dass Deutschland bei der Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz in den letzten 30 Jahren seit Verabschiedung der UNKinderrechtskonvention noch keinen Schritt weitergekommen ist“, sagte Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes, unserer Redaktion.
Neben dem Schutz der Kinder vor Gewalt sieht das Deutsche Kinderhilfswerk jedoch auch große Defizite bei der Bekämpfung der Kinderarmut. „Jedes fünfte Kind ist von Armut betroffen“, so Hofmann. Um Kinder dauerhaft vor Armut zu schützen, will die Regierung eine Kindergrundsicherung einführen. Daran werde aktuell gearbeitet, versicherte die Ministerin und verwies auf die bereits beschlossene Unterstützung der Kinder in den Entlastungspaketen – wie der Erhöhung des Kindergeldes.