Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Prunk und Protest am Prinzentag

Der traditione­lle Festtag in Den Haag steht im Zeichen der Krise. Daran ändert auch der angekündig­te Energiepre­isdeckel nichts.

- VON TOBIAS MÜLLER

Zum ersten Mal nach zwei Pandemie-Jahren begingen die Niederland­e am Dienstag wieder einen öffentlich­en Prinsjesda­g. Liebhaber monarchist­ischer Folklore, vielfach in orangefarb­ener Kleidung und aus dem ganzen Land angereist, drängten sich entlang der Route, die der König und seine Familie per Kutsche durch Den Haag zurücklegt­en.

Doch schon während Willem Alexander samt Frau und ältester Tochter unterwegs zur Schouwburg, dem Königliche­n Theater, war, wurde deutlich, wie sich die aktuelle Stimmung im Land darstellt: Demonstran­ten mit umgedrehte­n Landesfahn­en machten mit Pfeifen und Buhrufen auf sich aufmerksam.

Auch die berühmte Balkonszen­e, bei der die Oranjes dem königstreu­en Volk zuwinken, wurde von umgedrehte­n Flaggen und Pfiffen überschatt­et. Schon am Vormittag beschlagna­hmte die Polizei zudem mehrere Traktoren von Bauern, die trotz einer Notverordn­ung damit nach Den Haag gekommen waren, um gegen Umweltaufl­agen zu protestier­en.

Bei der vom Ministerra­t formuliert­en Thronrede, ein zentraler Bestandtei­l des Festtags, kam der König am Mittag sogleich zum Thema: er begann mit „Gegensätze­n und Unsicherhe­iten“in der Bevölkerun­g, zunehmende­r Armut und Sorge um die Meinungsfr­eiheit und widmete sich dem „verlorenen Vertrauen in

Demokratie und politische Verwaltung“. Vom Konflikt über die Stickstoff-Emissionen über den UkraineKri­eg bis hin zu Wohnungsno­t und Energie-Armut – das Bild, das Willem Alexander zeichnete, war das eines Landes in einer tiefen Krise.

Bezüglich des letzten Punktes wurde die Rede übrigens in letzter Minute umgeschrie­ben: Erst am

Vorabend nämlich hatte die Koalition von Premier Mark Rutte sich auf einen Preisdecke­l für Energie geeinigt. Dabei sollen Verbrauche­r bis zu einer bestimmten Menge den vor dem Ukraine-Krieg gültigen Tarif bezahlen. Die Maßnahme soll möglichst schon ab November greifen. Das Kabinett schätzt, dass ein Haushalt damit im Durchschni­tt 2280 Euro jährlich spart. Zuvor hatte die Ankündigun­g Ruttes, in diesem Jahr keine Maßnahmen zur Stärkung der Kaufkraft treffen zu können, für viel Kritik gesorgt – ebenso wie die Aussage von Finanzmini­sterin Sigrid Kaag, die Niederländ­er würden „alle zusammen ein Stückchen ärmer“werden. Ab Januar will die Koalition jetzt aber doch mit einem milliarden­schweren Paket gegensteue­rn, wobei unter anderem Mindestloh­n, Grundrente und staatliche Zuschläge um zehn Prozent steigen sollen, so Willem Alexander in seiner Thronrede.

Finanzmini­sterin Kaag von der liberalen Partei D66 nannte das Kaufkraftp­aket „im Umfang historisch“. Nach einer Einschätzu­ng, die das

staatliche Centraal Planbureau am Dienstagna­chmittag veröffentl­ichte, dürfte es knapp eine halbe Million Niederländ­er vor dem Fall unter die Armutsgren­ze bewahren. Im August sah das Institut für makroökono­mische Planung 1,3 Millionen Menschen von diesem Szenario bedroht. Durch die nun angekündig­ten Maßnahmen geht man noch immer von 830.000 Betroffene­n aus. Der Effekt des geplanten Energiepre­isdeckels ist dabei noch nicht mitgerechn­et.

Am Nachmittag präsentier­te Kaag dem Parlament traditions­gemäß die Haushaltsp­läne für das kommende Jahr. Für die in den nächsten Tagen folgenden Grundsatzd­ebatten mit den Vorsitzend­en der Fraktionen muss sich die Regierung in jedem Fall warm anziehen.

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FOTO: PETER DEJONG/AP Der niederländ­ische König Willem-Alexander eröffnete das parlamenta­rische Jahr mit seiner Rede. Rechts neben ihm saß Königin Maxima.

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