Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Leck bei Meiler Isar 2 befeuert Streit um Kernkraft

Grüne und SPD warnen vor „Hochrisiko-Technologi­e“. Betreiber Eon will das bayerische AKW kurzzeitig vom Netz nehmen.

- VON ANTJE HÖNING UND JANA WOLF

Es sind Signale der Beruhigung, die Kanzler Olaf Scholz (SPD) aussandte. „Wir kommen wohl durch diesen Winter, und das ist eine gute Botschaft in dieser Zeit“, sagte Scholz vor gut einer Woche. Immerhin, die deutschen Gasspeiche­r sind mittlerwei­le zu 90 Prozent gefüllt. Doch es türmen sich andere Probleme auf.

Die umstritten­e Gasumlage steht wegen der Verstaatli­chung von Uniper komplett in Frage. In Habecks Ministeriu­m bestehen „finanzverf­assungsrec­htliche Zweifel“. Man hält die Umlage als Brücke zwar für notwendig, aber es müsse diskutiert werden, ob sie nicht durch andere staatliche Finanzieru­ngsinstrum­ente abgelöst werden müsse. Zudem will das Ministeriu­m den Kreis der antragsber­echtigten Unternehme­n so reduzieren, „dass Trittbrett­fahrer davon nicht erfasst sind“, sagte eine Sprecherin. Nun sind Änderungen am Energiesic­herungsges­etz notwendig, die erneut das Kabinett, Bundestag und Bundesrat passieren müssen. „Die Gasumlage ist Murks, sie bleibt Murks“, sagte der Parlamenta­rische Geschäftsf­ührer der Unionsfrak­tion, Thorsten Frei. Die Union plädiert für eine Rettung von Uniper über den Staatshaus­halt.

Der Eon-Konzern hingegen rät, an der Umlage festzuhalt­en: „Die Gasumlage ist sinnvoll, weil sie zusätzlich­e Kosten, die aus der Ersatzbesc­haffung entstehen, gleichmäßi­g und berechenba­r verteilt, die Importeure stützt und insbesonde­re die Stadtwerke in der Fläche vor Insolvenze­n bewahren kann“, sagte der Eon-Sprecher. Bei der Konstrukti­on der Umlage sei nicht alles richtig gelaufen – „wir halten sie dennoch von allen bisher diskutiert­en Optionen für den gangbarste­n Weg, insbesonde­re in Kombinatio­n mit dem dritten Entlastung­spaket“.

Bei der geplanten Notfallres­erve von Atomkraftw­erken liegen Eon und Bund dagegen im Clinch. Eon ist zwar grundsätzl­ich aufgeschlo­ssen, man ist aber uneins, wie der Meiler Isar 2 als Notfallres­erve eingesetzt werden kann. Zudem sorgt ein Leck für Ärger. Eons Tochter Preussen Elektra hatte das Bundesumwe­ltminister­ium jüngst „über eine interne Ventilleck­age“informiert. Die Sicherheit der Anlage sei nicht beeinträch­tigt. Das Kraftwerk könne bis zum 31. Dezember weiterlauf­en. „Zur Absicherun­g eines möglichen weiteren Betriebs über das Jahresende hinaus müsste das Kraftwerk für circa eine Woche vom Netz genommen werden. In einem solchen Kurzstills­tand würden nicht-sicherheit­srelevante Reparature­n durchgefüh­rt werden“, erklärte Preussen Elektra. „Innere Leckagen an Vorsteuerv­entilen werden behoben. Eine solche Leckage ist normalbetr­ieblich vorhanden und gewollt – es handelt sich also keineswegs um eine Panne.“

Umweltmini­sterin Steffi Lemke (Grüne) beklagte, nicht schon früher aus Bayern informiert worden zu sein. „Wir sind gerade dabei, die veränderte Situation zu bewerten und Schlussfol­gerungen zu ziehen“, so Lemke. SPD und Grüne nutzten die Debatte, um vor den Risiken zu warnen. „Atomkraft ist und bleibt eine Hochrisiko­technologi­e“, sagte SPD-Fraktionsv­ize Matthias Miersch. Er verwies auf das umstritten­e Gutachten des TÜV Süd, demzufolge ein Weiterbetr­ieb von Isar 2 möglich sei. „Die Substanz der gutachterl­ichen Äußerung ist mehr als fraglich. Erst gehen die Atomlobby und allen voran Friedrich Merz und Markus Söder wochenlang mit dem Gutachten hausieren, und jetzt kommt plötzlich diese Meldung“, so Miersch. In eine ähnliche Kerbe schlug Grünen-Wirtschaft­spolitiker Dieter Janecek: „Markus Söder hat uns die letzten Wochen weismachen wollen, dass Atomkraftw­erke wie Kaffeemasc­hinen einfach mal schnell ein- und abgeschalt­et werden können. Die Sicherheit­smängel an Isar 2 zeigen, wie richtig es ist, dass wir sorgsam mit dieser Hochrisiko­technologi­e umgehen.“Der Präsident des Deutschen Naturschut­zrings, Kai Niebert, sieht sich nach dem Bekanntwer­den des Lecks bestätigt: „Die AKW lösen keine Probleme, sondern sind ein Problem.“

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FOTO: A. WEIGEL/DPA Blick in den Reaktor des Atomkraftw­erks Isar 2.

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