Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Max Eberl geht von Borussia Mönchengladbach in eine Fußballwelt, die ihm früher nicht so gefallen hat.
234 Tage hat Max Eberl öffentlich geschwiegen, mit nur einer Ausnahme: Am 13. Mai gab es seinen Brief an die Fans, den das Gladbacher Fanprojekt veröffentlichte, und dann ncoh ein paar Sätze in einem Charity-Interview mit Toni Kroos. Ansonsten hat es am 28. Januar das letzte Statement des 49-Jährigen gegeben bei der tränenreichen Rückzugs-Pressekonferenz im Mönchengladbacher Borussia-Park, als er sich „erschöpft“vom Fußball abwandte und seinen Manager-Job ruhen ließ. Am Montag gab es nun erstmals wieder Eberl-Worte – in der Pressemitteilung seines neuen Arbeitgebers RB Leipzig. Dort steigt Eberl am 15. Dezember als Sportchef ein.
„Ich komme zu einem Verein, der sich in den vergangenen Jahren rasant entwickelt hat, sehr ambitioniert ist und für eine klare Fußballphilosophie steht. Es herrscht hier ein riesiges Potenzial – im gesamten Klub und der gesamten Region. Dieses Potenzial zu nutzen und zu entwickeln, ist eine unfassbar reizvolle Aufgabe für mich“, sagte Eberl.
RB Leipzig ist reizvoll für Eberl – das klang in seiner Gladbacher Zeit noch anders. Eberl ist Fußballmensch durch und durch, er hielt die Fahne der Tradition stets haushoch. „Ich finde, wir sollten unsere deutsche Fußball-Kultur nicht völlig über den Haufen werfen. Ich glaube, wir wollen keine Scheichs, wir wollen keine Investoren, die Vereine benutzen, um ihr Hobby voranzutreiben. Wir sind klar für 50+1, man kann auch in diesem Rahmen mit Erfolg agieren“, sagte er 2018. Da ging es um die Premier League und deren Investoren. Auch mit Blick auf RB fand er kritische Worte. „Natürlich hat RB finanzielle Möglichkeiten, die fast alle anderen nicht haben. Was mich stört, ist das Geschiebe von Spielern von Salzburg nach Leipzig und von Leipzig nach Salzburg. Das hat einen faden Beigeschmack, weil RB im Grunde zwei Kader hat“, sagte er 2016.
Borussia war für Eberl stets auf der guten Seite des Spiels. „Wir reden über einen Klub, der ohne einen Cent von Investoren oder Anteilsverkäufen
und mit eigener Arbeitskraft und Kreativität all das geschaffen hat, was wir haben. Dass das einem Verein ohne einen finanziellen Anschub gelingt, gibt es in der Fußballwelt nicht so häufig. Wir wollen den auch nicht, wir wollen das aus eigener Kraft schaffen und bei unserer Identität bleiben“, sagte er Ende 2019 unserer Redaktion.
Eberl selbst kann bei RB künftig dafür sorgen, dass das Spieler-„Geschiebe“aufhört. Ob der Gedanke realistisch ist, das wird sich zeigen. Schließlich ist Trainer Marco Rose eng mit der Salzburger RB-Variante verknüpft und weiß: Die Spieler dort kennen seinen Stil, sie haben ihn mit der fußballerischen Muttermilch aufgesogen – und sie sind aufgrund ihres Alters und ihrer Entwicklungsfähigkeit komplett auf Leipzig zugeschnitten. Und letztlich wird es den Gladbach-Fans lieber sein, wenn sich Leipzig in Salzburg bedient als bei Borussia. Auch da gibt es Spieler, die Rose schätzt. Den RB-Fußball mochte Eberl anfangs auch nicht, er war oft erzürnt über die aktiv-aggressive Herangehensweise, mit der sich die spielenden Gladbacher schwer taten. 2019 aber sah er darin die Chance zum nächsten Schritt für Borussia, als er Marco Rose aus Salzburg holte, um eine „strategische Neuausrichtung“anzugehen. Die RBisierung des Borussen-Spiels plus der hippe Trainer Rose sollten Gladbach hochhieven zum ständigen Europa- und bestenfalls ChampionsLeague-Teilnehmer. Zunächst ging es auch in die Champions League, das brachte 40 Millionen Euro ein. Dann aber stockte das Projekt und Rose entschwand Richtung Borussia Dortmund. Eberl war geknickt, auch wegen Rose. Nun wollen beide zusammen das RB-Projekt ankurbeln.
Eberl hatte in seiner Spätphase in Gladbach auch wirtschaftlich andere Wege im Kopf, um voranzukommen. Es klang, als mache Eberl eine Tür auf. Für Gladbach und unter Umständen für sich selbst. „Man muss sich immer Gedanken machen, auch wenn man die Konkurrenten in der Liga sieht, und für sich strategisch Entscheidungen fällen. Darum kann es sein, dass mehr Vereine kreativere Wege wählen, sich dementsprechend aufzustellen“, sagte Eberl. Es war keine explizite Einladung an Investoren, klang aber nicht mehr nach Tabu.
Wenige Wochen danach zog sich Eberl zurück. 234 Tage später ist er wieder da: als Seitenwechsler. Nicht nur von tief im Westen ganz nach Osten ist er gegangen, sondern in eine andere Fußballwelt. Eine weniger romantische. Doch vielleicht näher dran am „Blechernen“, wie er Titel nennt.