Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Mittelstan­d sorgt sich um Verlust der Wettbewerb­sfähigkeit

Aufgrund der steigenden Energiekos­ten befürchten Remscheide­r Unternehme­n Kundenverl­uste an Asien und die USA.

- VON AXEL RICHTER UND SVEN SCHLICKOWE­Y

Dr. Marcus Jankowski ist ein zuversicht­licher Mensch. Der Konkurrenz aus Fernost begegnet der Chef des Remscheide­r Sägenherst­ellers Robert Röntgen zugleich mit dem Selbstvers­tändnis des bergischen Mittelstän­dlers: „Made in Remscheid“ist ein Qualitätsv­ersprechen – und sorgt für volle Auftragsbü­cher. Zumindest noch. Denn der Preisunter­schied zur Konkurrenz hat sich mit den stark gestiegene­n Energiekos­ten noch einmal vergrößert.

Das bekommt gerade die Remscheide­r Industrie zu spüren. Wer Metall erhitzt und verformt, um zum Beispiel Teile für Windenergi­eund Wasserkraf­tanlagen herzustell­en wie Dirostahl, wer Werkzeuge produziert wie Hazet und Gedore oder Panzerkett­en baut wie DST, der braucht viel Energie. 40 Euro habe man vor dem russischen Überfall auf die Ukraine für die Megawattst­unde

Strom bezahlt, sagt Jankowski. Heute seien es zwischen 480 und 700 Euro: „Der Preis stand auch schon bei 1000.“

In der Folge werden Remscheide­r Produkte teurer. „Aufgrund dieser dramatisch­en Preissteig­erungen waren wir leider gezwungen, unsere Preise mehrfach deutlich anheben zu müssen“, berichtet zum Beispiel Carsten Scholz, Pressespre­cher des Werkzeughe­rstellers Hazet. „Insbesonde­re bei unserer sehr hohen Fertigungs­tiefe, begonnen vom Rohmateria­l bis hin zum fertigen Schraubens­chlüssel, müssen unsere Produkte in den verschiede­nen Produktion­sstufen mehrfach erwärmt werden.“

Und das betrifft auch die Vorliefera­nten, wie Musbah Al-Mansour, Geschäftsf­ührer des Kettenhers­tellers DST, erklärt: Der Einkauf werde „aktuell, fast stündlich“mit Energieteu­erungszusc­hlägen konfrontie­rt: „Die Forderunge­n unserer Lieferante­n werden in der Regel als nicht verhandelb­ar vorgegeben, je nach

Marktsitua­tion sogar diktiert.“

Die Energie an anderer Stelle wieder einzuspare­n, sei nahezu unmöglich, sagt Al-Mansour, schließlic­h sei man schon vor der Krise „sehr bewusst mit Energie“umgegangen: „Die zusätzlich­en Einsparmög­lichkeiten in unserem Haus sind eher kosmetisch­er Natur.“Ähnlich sieht das Carsten Scholz: „Für Hazet war es immer schon wichtig, Energiespa­rpotenzial­e

auszunutze­n.“Mehr als die Hälfte aller Waren, die in den großen Firmen in Remscheid produziert werden, gehen ins Ausland. Die Werkzeugin­dustrie ist abhängig davon. Diese internatio­nale Ausrichtun­g könnte ihr nun zum Verhängnis werden, befürchtet Jankowski: „In Asien und in den USA gibt es keine Energiekri­se - jedenfalls nicht in einem vergleichb­aren Ausmaß. Davon

sind in erster Linie die Unternehme­n in Europa und insbesonde­re in Deutschlan­d betroffen.“

Das sieht Hazet-Sprecher Scholz genauso: „Die jetzige Situation gefährdet den Standort Deutschlan­d außerorden­tlich, da man außerhalb Europas, insbesonde­re in Asien, nicht diese Energiepre­isverteuer­ung hat.“

Also kann die Konkurrenz billiger produziere­n. Deutlich billiger, weshalb der eigentlich so optimistis­ch gestimmte Dr. Marcus Jankowski, gleichzeit­ig auch Vorsitzend­er des Remscheide­r Arbeitgebe­rverbands, dunkle Wolken über den Mittelstän­dlern aufziehen sieht: „Wenn sie künftig den zehn- bis zwölffache­n Preis für Energie zahlen müssen, stehen sie das nicht durch.“Damit es nicht so weit kommt, fordert Hazet zum Beispiel eine Deckelung für Strom- und Gaspreise, und zwar für alle Verbrauche­r. Und eine Entkopplun­g des Strom- vom Gaspreis, „da wir eine Gaskrise und keine Stromkrise haben“, wie Scholz betont.

Noch allerdings, das zeigen Daten der IHK, stimmen die Industrieu­msätze in Remscheid. Auch bei Robert Röntgen ist die Auftragsla­ge nach wie vor gut. Einen Großkunden hat das Unternehme­n jedoch bereits verloren. Allerdings sitzt der in Russland. 20 Jahre bezog der Generalimp­orteur Sägen aus Remscheid. Seit den Sanktionen kauft er in China. Dr. Marcus Jankowski stellt die Politik des Westens deshalb nicht in Frage. „Allerdings ist es natürlich so, dass in anderen Teilen der Welt gelassener auf die Sanktionsf­olgen geschaut werden kann.“

Bergische IHK trifft Habeck Die Industrieu­nd Handwerksk­ammer und der Arbeitgebe­rverband fordern die Bundesregi­erung zu konkreten Hilfen für den Mittelstan­d auf. Am 27. September will IHK-Präsident Henner Pasch auf einem Parlamenta­rischen Abend Wirtschaft­sminister Robert Habeck (Grüne) treffen und ihm dabei die Sorgen der Unternehme­r im Bergischen Land schildern.

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FOTO: SCHÜTZ (ARCHIV) Die zunehmend steigenden Kosten führen dazu, dass Dr. Marcus Jankowski schwere Zeiten auf den Mittelstan­d zukommen sieht.

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