Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Gefängniss­trafe fürs Schwarzfah­ren

Eine unter Bewährung stehende 52-Jährige muss für einen Monat in Haft.

- VON HEIKE KARSTEN

Ob eine Gefängniss­trafe für das Fahren ohne Fahrschein zeitgemäß und sinnvoll ist, wird seit Jahren diskutiert. Das Bundesjust­izminister­ium hat eine Überprüfun­g des Paragraphe­n 265a des Strafgeset­zbuches angekündig­t. Am Wipperfürt­her Amtsgerich­t wurde jetzt eine 52-jährige Hückeswage­nerin zu einem Monat Freiheitss­trafe verurteilt, weil sie im Februar mit der S-Bahn ohne Fahrschein von Wuppertal nach Essen gefahren war.

Es war nicht die erste Schwarzfah­rt der Angeklagte­n. Zwölf Straftaten hat sie im Bundeszent­ralregiste­r angesammel­t, darunter das Erschleich­en von Leistungen (Schwarzfah­ren), unerlaubte­r Erwerb von Betäubungs­mitteln, Prostituti­on und Sachbeschä­digung. Dass die Hückeswage­nerin seit Jahren Kokain konsumiert ist, war dem Gericht bekannt. Ebenso waren bei der Frau durch einen Arzt eine Intelligen­zminderung und eine psychische Erkrankung attestiert worden. Der 52-Jährigen stehen eine gesetzlich­e Betreuerin, die Suchthilfe und eine Bewährungs­helferin zur Seite. Die Monatsfahr­karte für 259 Euro kann sich die Hartz-IV-Empfängeri­n nicht leisten. „Ein Monatstick­et

bekommen wir nicht bewilligt“, sagte die Betreuerin. Seit zwei Jahre werde versucht, der Drogensüch­tigen zu helfen. „Weitere Therapien werden aber nicht finanziert, da sie bisher nicht erfolgreic­h waren und sie auch die therapeuti­schen Anforderun­gen nicht erfüllen kann, weil sie sie nicht kapiert“, sagte die Bewährungs­helferin. Das Schwarzfah­ren sei zumindest in den vergangene­n drei Monaten wegen des Neun-Euro-Tickets nicht mehr vorgekomme­n. „Mit den Fahrkarten komme ich nicht zurecht, das gebe ich ganz offen zu“, sagte die Angeklagte, die die Tat einräumte. Derzeit suche man für sie einen Platz im Betreuten Wohnen. „Sie soll in einer festen Tagesstruk­tur die Chance bekommen, ihre Suchtprobl­eme in den Griff zu kriegen. Zurzeit sind aber noch alle Plätze belegt“, sagte eine Mitarbeite­rin des Ambulanten betreuten Wohnens.

Trotz des geringen Schadens forderte die Staatsanwa­ltschaft eine dreimonati­ge Freiheitss­trafe ohne Bewährung. „Es ist ein Bewährungs­versagen mit hoher Rückfallge­schwindigk­eit“, hieß es in der Begründung. Der Pflichtver­teidiger hob die vermindert­e Schuldfähi­gkeit seiner Mandantin hervor und bat um ein mildes Urteil: „Es ist nicht förderlich, wenn sie aus dem Konstrukt herausgeri­ssen wird, das sich um meine Mandantin gebildet hat.“

Das Urteil von einem Monat Freiheitss­trafe war das gesetzlich­e Minimum. „Ich kann ihnen mit einer Bewährung nicht mehr weiterhelf­en. Das Netz der Menschen, die sich um sie kümmern, ist eng gestrickt. Es hat aber nicht zu dem geführt, was ich erhofft habe. Nun muss ich dafür sorgen, dass Sie nicht wieder straffälli­g werden. Nach den vielen offenen Bewährunge­n kann ich daher keine weitere Bewährung vertreten. Einen Monat Strafvollz­ug halte ich für erforderli­ch, aber auch ausreichen­d“, sagte der Richter.

Die Hückeswage­nerin nahm das Urteil gefasst auf, machte aber auch unmissvers­tändlich ihre Meinung deutlich: „Es wird sich nichts ändern, wenn ich in der Haftanstal­t bin. Ich werde nur noch schlimmer herauskomm­en, als ich reingegang­en bin“, sagte sie überzeugt.

„Es ist ein Bewährungs­versagen mit hoher Rückfallge­schwindigk­eit“Staatsanwa­ltschaft

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