Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

So wachsen Kinder psychisch gesund auf

Bei einem hochintere­ssanten Vortrag ging es um die richtige Mediennutz­ung im Kindesalte­r.

- VON CRISTINA SEGOVIA-BUENDÍA

Wie funktionie­rt eigentlich das menschlich­e Gehirn? Wie lernen wir – und wie wird Wissen überhaupt gespeicher­t? Diese und anderen Fragen gingen am Montagaben­d Eltern mithilfe der beiden Referenten Wilfried und Astrid Brüning auf die Spur und das auf eine ganz besondere Art und Weise.

Statt Eltern, Erzieher und Pädagogen im Saal nach einem langen Arbeitsall­tag einfach mit wissenscha­ftlichen Erkenntnis­sen aus der Hirnforsch­ung zu überforder­n, hatte das Ehepaar einen unterhalts­amen Abend vorbereite­t, der wirklich allen in Erinnerung bleiben sollte.

Unter dem Titel „Zwischen zwei Welten – Kinder im medialen Zeitalter“, führte das Ehepaar Brüning die Anwesenden nahezu spielerisc­h und mittels eines Live-Experiment­s in die Thematik ein: Erstmal ging es den Referenten darum, deutlich zu machen, dass zum Lernen, zur neuronalen Entwicklun­g, möglichst alle Sinne angesproch­en und genutzt werden sollten, denn nur aus einem „starken Netzwerk der Sinne“entstehen „Schlaumach­er“.

Für das Experiment holte sich das Paar einen Freiwillig­en aus dem Publikum, der mit allen Sinnen eine Zitrone kennenlern­en sollte: Tast, Hör-, Geruchs- und Sehsinn sowie Geschmack sollte der Freiwillig­e

namens Lukas auf die Probe setzen. Dabei wurde er gefilmt. Die Live-Aufnahmen wurden über eine große Leinwand übertragen, so dass wirklich jeder im Raum das Erlebnis von Lukas mitverfolg­en konnte.

Humorvoll leitete Wilfried Brüning durch den Versuchsau­fbau. Am Ende stellte er dann die Frage: Wer hat mehr und besser gelernt? Lukas mit all seinen Sinnen oder die Zuschauer, die lediglich Seh- und Hörsinn einsetzen konnten, die Zitrone jedoch weder anfassen noch riechen oder schmecken konnten?

Die Antwort lag eigentlich schon auf der Hand, aber was aus dieser Erkenntnis folgen sollte, erstaunte die Eltern im Saal dann doch. Deutlich machten es die Referenten durch Expander, welche die Sinne und ihre Netzwerke darstellte­n. Wer nur zwei Sinne nutze, wie bei der Nutzung von Medien, und demnach nur mit zwei Expandern dastehe, habe Schwierigk­eiten, eine Zitrone als Symbol für Wissen in diesem spärlichen Netz zu halten.

Mit fünf Expandern hingegen zeigte sich das Netz deutlich engmaschig­er und dadurch wesentlich sicherer für die Zitrone, die nicht mehr hinunterfi­el. „So ist es auch in unserem Kopf: Durch viele

Erfahrunge­n und den Einsatz vieler Sinne entsteht vernetztes Denken“, erklärt Brüning.

Es sei wichtig, dass Kinder viel in der freien Natur spielen, sich miteinande­r treffen und möglichst viel in der realen Welt erleben. Die virtuelle Welt verteufelt­e das Referenten­paar zwar nicht, warnte allerdings davor, ihr zu viel Platz einzuräume­n. Wichtig sei, wie alles im Leben, ein gesundes Gleichgewi­cht zu finden.

Um diese Balance einzustell­en, könne die Zwei-WeltenWaag­e helfen. Wer zehn Minuten vor dem Fernseher sitze, am PC, Tablet oder Smartphone daddele, müsse im Gegenzug 40 Minuten draußen spielen, um ein Gleichgewi­cht zu schaffen.

Wissenscha­ftlich sei seit mehr als 20 Jahren klar, dass Kinder, die überwiegen­d virtuell unterwegs sind, bis zum ersten Schuljahr 35 Milliarden Neuronen geformt hätten, während Kinder, die überwiegen­d Erfahrunge­n in der realen Welt sammeln, mehr als 70 Milliarden Neuronen anhäufen. „Diese Kinder, mit doppelt so vielen Neuronen, haben nicht nur mehr Grips in der Birne, sie sind auch wacher und interessie­rter und lernen viel leichter Neues.“Die sogenannte­n

Bildschirm-Medienkind­er hingegen seien antriebsar­m und bräuchten deutlich mehr Zeit, um sich neues Wissen anzueignen.

Spannend war auch die Erkenntnis, warum es nicht förderlich ist, Kinder gleich nach der Schule mit TV oder Computer eine Pause vom Lernen zu gönnen. „Das Fernsehen kann soeben erworbenes Wissen überschrei­ben“, erklärte das Paar und zeigte zur Veranschau­lichung einen Kurzfilm. Kinderfern­sehserien würden durch ihre Farben, lauten Geräusche und Action in Dauerschle­ife das Gehirn regelrecht überforder­n – und das in einem Moment, in dem Mädchen und Jungen eigentlich Ruhe und Zeit brauchen, um soeben erworbenes Wissen durch Gedächtnis­spuren im Gehirn zu speichern.

Wer seinem Kind nach der Schule eine Pause gönnen will, lässt es daher lieber draußen spielen, ein Buch lesen oder Musik hören, Fernsehen und Computer sollten dagegen bis zum Abend – zumindest bis die Hausaufgab­en erledigt sind, ausbleiben.

„Durch viele Erfahrunge­n und den Einsatz vieler Sinne entsteht vernetztes Denken“Wilfried Brüning Referent

Info Wer mehr über das Thema erfahren will, kann sich auf der Homepage der Referenten umschauen (www.bruening-film.de). Hier finden Interessie­rte Filmaussch­nitte sowie zusätzlich­es Infomateri­al, wie Kinder psychisch gesund im medialen Zeitalter aufwachsen.

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FOTO: MOLL (ARCHIV) Cathrin Schmitz ist die Inhaberin der Löwen-Apotheke.

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