Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Ein Zeichen der Schwäche

- VON GREGOR MAYNTZ

Jetzt also doch. Die Mobilmachu­ng war von vielen bereits für die Rede Putins zum Jahrestag des Sieges über Nazideutsc­hland am 9. Mai erwartet worden. Damals wäre sie verbunden gewesen mit der eindrucksv­ollen Parade russischer Militärmac­ht auf den Straßen Moskaus. Nun wird sie begleitet von Bildern riesiger Mengen an Militärfah­rzeugen und Munition, die russische Soldaten auf ihrer Flucht vor den vorrückend­en ukrainisch­en Streitkräf­ten zurückgela­ssen haben. Damit wird klar: Auch wenn die Einberufun­g von 300.000 militärisc­h geschulten Russen ein Zeichen von Stärke sein soll, belegt es doch eine aktuelle Schwäche.

Mit seinen Manövern hat Putin bislang auch im Ausland das Gegenteil des Angekündig­ten erreicht. Selbst ein auffällig um Kontaktpfl­ege bemühter türkischer Präsident Recep Tayyip Erdogan fordert von ihm nun, seine Truppen aus allen ukrainisch­en Gebieten einschließ­lich der Krim zurückzuzi­ehen. Und Bundeskanz­ler Olaf Scholz, der eben noch einen Bogen um die Festlegung machte, wer denn den Krieg gewinnen müsse, sagt nun: „Wenn wir wollen, dass Putins Krieg endet, dann kann es uns nicht egal sein, wie er endet.“Vor den Vereinten Nationen hatte er zuvor Putins Vorgehen als „blanken Imperialis­mus“gebrandmar­kt. Putin werde seine imperialen Ambitionen nur aufgeben, wenn er erkenne, diesen Krieg nicht gewinnen zu können.

Es ist derselbe Scholz, der bislang westliche Kampfpanze­r nicht an die Ukraine abgeben wollte, um keinen Vorwand für eine Eskalation durch Putin zu liefern. Nun eskaliert Putin trotzdem. Noch setzt er darauf, die Stimmung im Westen wenden und mit dem längeren Atem letztlich obsiegen zu können. Der Westen hat es mit forcierter Unterstütz­ung der Ukraine selbst in der Hand, dieses furchtbare Kapitel zu schließen.

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