Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Ein Zeichen der Schwäche
Jetzt also doch. Die Mobilmachung war von vielen bereits für die Rede Putins zum Jahrestag des Sieges über Nazideutschland am 9. Mai erwartet worden. Damals wäre sie verbunden gewesen mit der eindrucksvollen Parade russischer Militärmacht auf den Straßen Moskaus. Nun wird sie begleitet von Bildern riesiger Mengen an Militärfahrzeugen und Munition, die russische Soldaten auf ihrer Flucht vor den vorrückenden ukrainischen Streitkräften zurückgelassen haben. Damit wird klar: Auch wenn die Einberufung von 300.000 militärisch geschulten Russen ein Zeichen von Stärke sein soll, belegt es doch eine aktuelle Schwäche.
Mit seinen Manövern hat Putin bislang auch im Ausland das Gegenteil des Angekündigten erreicht. Selbst ein auffällig um Kontaktpflege bemühter türkischer Präsident Recep Tayyip Erdogan fordert von ihm nun, seine Truppen aus allen ukrainischen Gebieten einschließlich der Krim zurückzuziehen. Und Bundeskanzler Olaf Scholz, der eben noch einen Bogen um die Festlegung machte, wer denn den Krieg gewinnen müsse, sagt nun: „Wenn wir wollen, dass Putins Krieg endet, dann kann es uns nicht egal sein, wie er endet.“Vor den Vereinten Nationen hatte er zuvor Putins Vorgehen als „blanken Imperialismus“gebrandmarkt. Putin werde seine imperialen Ambitionen nur aufgeben, wenn er erkenne, diesen Krieg nicht gewinnen zu können.
Es ist derselbe Scholz, der bislang westliche Kampfpanzer nicht an die Ukraine abgeben wollte, um keinen Vorwand für eine Eskalation durch Putin zu liefern. Nun eskaliert Putin trotzdem. Noch setzt er darauf, die Stimmung im Westen wenden und mit dem längeren Atem letztlich obsiegen zu können. Der Westen hat es mit forcierter Unterstützung der Ukraine selbst in der Hand, dieses furchtbare Kapitel zu schließen.