Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Obstbauern beklagen dreiste Diebstähle
Kriminelle räumen zum Teil ganze Felder ab. Die Erzeuger in der Region sind dagegen weitestgehend machtlos. Für Zäune und Videoüberwachung seien die Anbauflächen zu groß. Und den Tätern fehlt oft das Unrechtsbewusstsein.
Als Jacqueline Huhndorf die Fußspuren neben ihren Kirschbäumen entdeckte, war es schon zu spät. Die Bäume waren abgeerntet. Über Nacht seien Diebe dagewesen und hätten alle Kirschen vom Baum gepflückt, sagt die Obstbäuerin aus Tönisvorst. Dass es mehrere Diebe gewesen sein müssen, habe sie an den unterschiedlichen Fußabdrücken am Boden erkannt.
Landwirte in NRW haben in diesem Jahr wieder unter Obst- und Gemüseklau zu leiden: „Es geht schon los mit einem Apfel, den sich Spaziergänger pflücken“, sagt Peter Muß, stellvertretender Geschäftsführer beim Provinzialverband Rheinischer Obst- und Gemüsebauern. „Es wird aber alles gestohlen, was nicht niet- und nagelfest ist. Das geht von Äpfeln über Erdbeeren bis hin zu Salatköpfen“, berichtet er.
Ob die Fälle infolge der Inflation und der damit verbundenden gestiegenen Lebensmittelpreise zugenommen haben, kann er nicht beantworten. „Die Betriebe teilen mir nur mit, dass ihnen Obst oder Gemüse gestohlen wurde, wenn es sich um größere Mengen handelt“, erklärt Muß. Zahlen zu den Diebstählen gebe es nicht, sagt eine Sprecherin der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen.
Landwirtin Huhndorf wird schon seit Jahren immer mal wieder von Dieben heimgesucht. Sie erinnert sich an einen besonders dreisten Fall, als bei ihr über Nacht 700 Kilogramm Erdbeeren vom Feld gestohlen wurden. Was die Diebe mit dieser Menge gemacht haben, weiß sie bis heute nicht. Sie vermutet aber, dass die Kriminellen sie weiterverkauft haben.
Häufig seien es keine Banden, sondern Privatpersonen, die Gemüse und Obst von den Feldern und Bäumen stöhlen und sich einen Korb oder den Kofferraum damit befüllten, sagt Muß. „Es wurde aber auch schon einmal ein großer Teil eines Spargelfeldes abgeerntet. Da könnte man schon vermuten, dass es gewerblich war“, so Muß.
Frank Mertens, der Obst in Willich anbaut, hat die Polizei gebeten, etwas häufiger an seinen Obstplantagen entlang zu fahren. Wenn er aber Diebe auf seinen Feldern entdeckt, erstattet er meistens keine Anzeige mehr. Früher habe er noch jeden Fall gemeldet. Die Anzeigen seien aber immer wegen Geringfügigkeit eingestellt worden, kritisiert Mertens. „Wenn ich einen Dieb erwische, bekomme ich eine freche Antwort nach dem Motto: Wo ist das Problem? Hier hängen doch genug Äpfel!“
Dass viele Diebe häufig kein Unrechtsbewusstsein kennen, bestätigt auch Huhndorf. Sie berichtet von drei Frauen, die in der vergangenen Erdbeersaison auf ihrem Feld mit ihren Kindern Erdbeeren gepflückt hätten. Huhndorf habe sie darauf hingewiesen, dass sie das nicht dürften. Die Frauen hätten aber einfach weitergepflückt. „Da wurde ich wütend. Als sie näherkamen, habe ich ihre Körbe dann auf das Feld gekippt“, sagt die Landwirtin.
Gegen die Diebe hilft wenig. „Zäune tun es jedenfalls nicht“, sagt Huhndorf. „Die werden einfach durchgeschnitten.“Außerdem seien die Felder zu groß für eine Einzäunung, sagt Muß vom Provinzialverband Rheinischer Obst- und Gemüsebauern. Auch Überwachungskameras seien keine Lösung. „Sie werden dann einfach gestohlen, und es ist auch nicht praktikabel, sie auf den riesigen Feldern mit Strom zu versorgen“, so Muß. Huhndorf hat schon erwägt, ihre Felder und Plantagen überwachen zu lassen. Das sei aber viel zu teuer. „Wenn die Security zwölf Stunden arbeitet und der Stundenlohn bei 20 Euro liegt, wie soll man das denn bezahlen?“, fragt die Landwirtin.
Neben dem Obstklau kämpft Jacqueline Huhndorf aber noch mit einem weiteren Problem: Identitätsdiebstahl. Betrüger verkauften Obst und Gemüse in ihrem Namen. „Jedes Jahr erhalte ich drei bis vier wütende Anrufe von älteren Menschen, die betrogen worden sind“, berichtet Huhndorf. Die Betrüger würden mit einem Transporter vorfahren, bei den Leuten klingelten und das Obst und Gemüse für den zehnfachen Preis anbieten. Das passiere in Städten, die mindestens 200 Kilometer von ihrem Hof entfernt liegen, wohin ihre Ware gar nicht geliefert werde, betont Huhndorf. Die Landwirtin aus Tönisvorst vermutet, dass die Betrüger ihren Namen einfach im Internet gefunden haben. Auch Kartoffeln seien schon unter ihrem Namen verkauft worden – obwohl sie die gar nicht anbaut.
„Es wird aber alles gestohlen, was nicht niet- und nagelfest ist“Peter Muß Provinzialverband Rheinischer Obst- und Gemüsebauern