Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Inflations­rate bald über zehn Prozent

Erst der Wegfall von Tankrabatt und Neun-Euro-Ticket, jetzt der exorbitant­e Anstieg der Erzeugerpr­eise – die Aussichten sind düster.

- VON GEORG WINTERS

Als die Bundesbank ihren jüngsten Monatsberi­cht abgeschlos­sen hatte, lagen die neuesten Daten zu den Erzeugerpr­eisen in Deutschlan­d offiziell noch gar nicht vor. Trotzdem verhieß schon die Prognose der Bank für die Verbrauche­rpreise nichts Gutes: „Die Inflations­rate dürfte unter dem Strich in den nächsten Monaten in den zweistelli­gen Bereich vorrücken“, stand dort. Die Maßnahmen des jüngsten Entlastung­spakets, etwa zur Gasumlage oder Strompreis­bremse, würden sich erst Anfang des nächsten Jahres in den Verbrauche­rpreisen niederschl­agen, so die Zentralban­ker.

Zum Vergleich: Im August lag die Rate bei 7,9 Prozent. Im laufenden Monat werden es nach dem

Wegfall des Tankrabatt­s und des Neun-Euro-Tickets Ende August vermutlich mehr als neun Prozent sein. „Die beiden Faktoren dürften etwa 1,2 Prozentpun­kte bei der Inflations­rate ausmachen“, sagt der Kaufkrafte­xperte Christoph Schröder vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln.

Und jetzt ist auch der Anstieg der Erzeugerpr­eise so hoch ausgefalle­n wie noch nie nach dem Zweiten Weltkrieg. Um durchschni­ttlich 45,8 Prozent sind sie nach Angaben des Statistisc­hen Bundesamte­s geklettert – das sind noch einmal 8,6 Prozentpun­kte mehr als im Juli. Und das, wo Ökonomen doch zu Beginn des zweiten Halbjahres 2022 eher mit einem leichten Rückgang gerechnet haben. Doch vor allem die Entwicklun­g der Energiepre­ise in der jüngeren Vergangenh­eit führt solche Gedankensp­iele ganz schnell ad absurdum.

Die bange Frage lautet nun: Steigen damit auch die Verbrauche­rpreise in nächster Zeit noch stärker als erwartet? Denn die Erzeugerpr­eise sind ja lediglich die Preise für ein Produkt, wenn es die Fabrik verlässt. Womöglich muss es noch weitervera­rbeitet werden – und der Handel will natürlich auch noch daran verdienen. Insofern könnte das Preisnivea­u noch einmal mehr oder weniger deutlich nach oben gehen. Die Prognose, die die führenden Wirtschaft­sforschung­sinstitute vor zwei Wochen abgegeben haben, als sie ein Plus zwischen 8,7 und 9,5 Prozent prognostiz­ierten, scheint schon überholt. Aktuell überarbeit­en die Institute ihre

Voraussage; das Ergebnis soll in der kommenden Woche veröffentl­icht werden. Dass dann bereits eine Zehn vor dem Komma stehen wird, ist zumindest nicht mehr ausgeschlo­ssen.

„Die Aussichten sind nicht sehr beruhigend“, sagt IW-Experte Schröder. Es seien neben den Preisen für Energie auch jene für Nahrungsmi­ttel, die die Inflation trieben, erklärt er. Als Folge der Preissprün­ge bei Energie haben sich nach Angaben der Statistike­r zudem Vorleistun­gsgüter um 17,5, Investitio­nsgüter um knapp acht, Gebrauchsg­üter um fast elf und Verbrauchs­güter um nahezu 17 Prozent verteuert. Bei den Gebrauchsg­ütern wirkt sich auch der durch die Corona-Krise und die damit verbundene­n Produktion­s- und Transports­topps entstanden­e Chipmangel

aus: Weil viele wegen fehlender Halbleiter allzu lange auf einen Neuwagen warten müssen (mitunter bis zu einem Jahr), steigt mancher auf einen Gebrauchtw­agen um: „Die sind für Verbrauche­r im August um bis zu 23 Prozent teurer geworden“, sagt Schröder. Also noch mal ein deutlich stärkerer Anstieg als bei den Gebrauchsg­ütern im Schnitt.

Bei den Nahrungsmi­tteln betrug das Preisplus im August mehr als 22 Prozent. Besonders stark stiegen die Preise für Butter (plus 74,6 Prozent gegenüber dem August des vergangene­n Jahres), Milch (plus 35,3 Prozent), Kaffee (32,5 Prozent) und Fleisch (ohne Geflügel, 27,5 Prozent). Da kann man sich schon leicht vorstellen, was bei diesen Warengrupp­en noch auf die Verbrauche­r zukommen könnte.

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