Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Ein Zimmer in der WG für 550 Euro
Die Mietpreise für Studentenwohnungen sind deutlich gestiegen – im Schnitt um rund 5,9 Prozent, wie eine Studie zeigt. Viele junge Menschen bleiben deshalb bei den Eltern.
Emily Herms hatte sich schon so auf ihr Studium gefreut: endlich unabhängig sein, neue Leute kennenlernen und abends durch Köln ziehen. Doch daraus wird nichts. Denn die 19-Jährige aus Bedburg an der Erft findet kein bezahlbares WG-Zimmer – und das, obwohl sie ihre Ansprüche schon deutlich heruntergeschraubt hat: „Anfangs wollte ich ein großes, helles Zimmer in einem der beliebten Viertel, gut angebunden. Jetzt fände ich es schon toll, wenn man von dort nur 30 Minuten bis zum Hauptbahnhof bräuchte“, sagt sie. Doch für 400 Euro be- kommt sie selbst das nicht. Und mehr Geld kann sie nicht ausgeben.
Damit steht sie bei Weitem nicht alleine da. Wohnraum ist knapp und wird immer teurer. Im Schnitt lie- gen die Mietkosten für Studierende um 5,9 Prozent über dem Vorjahr, wie der Studentenwohnreport 2022 des Finanzdienstleister MLP und des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigt. Spitzenreiter ist demnach Berlin mit plus
18,5 Prozent, in Bielefeld waren es mehr als zehn Prozent, in Köln sechs. Und weil sich ihre Einkommen nicht verbesserten und sie keine finanziellen Rücklagen haben, trifft die hohe Inflationsrate Studierende besonders stark. Selbst der Wohnzuschlag im Bafög-Höchstsatz hat nicht für die gewünschte finanzielle Entlastung gesorgt. Gerade einmal in Chemnitz und Magdeburg kann man sich laut dem Report für 360 Euro eine 30-QuadratmeterWohnung in Uni-Nähe leisten. In Köln kostet diese 671 Euro, in Münster 582 Euro und in Bonn 529 Euro. Damit liegt die Domstadt im Bundesvergleich auf Platz sechs. München, Stuttgart und Berlin sind die teuersten Städte mit 787, 786 und 718 Euro für 30 Quadratmeter. Und auch WG-Zimmer kosten in Köln mit 416 Euro, in Münster mit 401 Euro und in Bonn mit 347 Euro immer mehr. Münchener Studenten zahlen sogar rund 550 Euro.
Auf www.wg-gesucht.de meldete Herms sich auf alle Anfragen, die für sie infrage kamen. Nur eine Absage erhielt sie. „Die anderen haben mir nicht einmal zurückgeschrieben“, so die 19-Jährige. Schweren Herzens entscheidet sie sich, bei ihren Eltern zu bleiben und anderthalb Stunden zu pendeln.
Genauso wie Nils Grundmann aus Issum. Der 22-Jährige studiert seit September Kindheitspädagogik in Kleve, aber eine Wohnung hat er nicht gefunden. Er steht auf der Warteliste für einen Wohnheimplatz, Wartezeit: neun Monate. Eigentlich wollte er nicht in die Heimat zurück, nachdem er schon einmal woanders gewohnt hat. Doch es geht nicht anders. Er zieht wieder zu seiner Mutter nach Issum und fährt anderthalb Stunden mit Bus und Bahn zur Hochschule. „Die Energiekosten machen mir auch ziemlich große Sorgen“, sagt er: „Solange das so ist, muss ich mich mit dem Pendeln arrangieren.“Einen Platz im Studierendenwohnheim zu bekommen, ist beinahe unmöglich geworden. In Aachen stehen 4500 junge Menschen auf der Warteliste, in Münster sind es 2500.
Der Allgemeine Studierendenausschuss (Asta) in Köln hat sogar eine Notschlafstelle eingerichtet, für die sich schon knapp 200 Studienanfänger angemeldet haben. „Das sind so viele wie noch nie“, sagt ein Asta-Sprecher. Zuletzt habe es so ein Angebot 2019 gegeben – und da seien rund 100 Anfragen eingegangen. „Die Wohnungsnot war hier schon lange groß und sie wird immer größer“, sagt der Sprecher.
Eine Freundin von Herms hat noch ein WG-Zimmer in Köln ergattert. Es ist acht Quadratmeter groß und kostet 400 Euro. Die 19-Jährige ist zwiegespalten: „Eigentlich ein unangemessener Preis, aber inzwischen bin ich fast neidisch“, sagt sie. Sie hofft, dass sie trotzdem Anschluss an der Uni findet – auch, wenn sie nie so lange bleiben kann wie die anderen. Denn der Bus fährt nachts nicht mehr bis in ihr Dorf.