Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Unheimliches 50er-Jahre-Idyll
Im Drama „Don‘t Worry Darling“mit Florence Pugh und Harry Styles bröckelt die Fassade einer vermeintlich heilen Welt.
Hübsch nebeneinander stehen die Einfamilienhäuser in der ewigen Sommersonne. Grüner Rasen. Palmen. Pool. Irgendwo dahinter beginnt die Wüste. Aber wen interessiert das schon, wenn man im Paradies lebt? Victory nennt sich das Städtchen, das sich als Modellvorhaben versteht. Jeden Morgen um die gleiche Zeit treten die Männer aus dem Haus, steigen in ihre schmucken 1950erJahre-Wagen und brausen zur Arbeit. Zurück bleiben die Frauen, die den Tag mit Putzen, Shoppen, Ballett-Training, Cocktails und Kochen verbringen. Am Abend erwarten sie die Männer mit einem strahlenden Lächeln, einem eisgekühlten Drink und einem perfekten Dinner.
Alice (Florence Pugh) ist eine von ihnen, und sie scheint glücklich mit ihrer Hausfrauenexistenz. Heiß und innig liebt sie ihren Jack (Harry Styles). Da landen Geschirr und Gemüse schon einmal auf dem Boden, wenn das Paar noch vor dem Essen lustvoll auf dem Wohnzimmertisch übereinander herfällt. Auf der abendlichen Cocktail-Party mit den Nachbarn herrscht eine ausgelassene Stimmung. Alle hier scheinen glücklich zu sein mit ihrem sicheren, privilegierten Leben.
Ein perfektes Fifties-Idyll zeichnet Olivia Wilde zu Beginn ihrer zweiten Regiearbeit „Don‘t Worry Darling“. Mit großem ausstatterischem Aufwand wird eine Welt erschaffen, wie man sie aus den harmoniesüchtigen Doris-Day-Filmen oder den Melodramen von Douglas Sirk kennt. Aber natürlich werden schon bald Zweifel in diese heile Welt gesät – für das Publikum, dem das historische Setting allzu aseptisch vorkommt, und für die Protagonistin Alice, die von Albträumen und Halluzinationen heimgesucht wird.
„Warum sind wir hier?“, fragt Margaret (Kiki Layne), die sich wenig später selbst die Kehle durchschneidet. Alice hat es mit eigenen Augen gesehen. Aber niemand will ihr glauben. Die Nachbarin sei in Behandlung und auf dem Wege der Besserung, heißt es. Aber da sind auch die anderen Dinge, die anscheinend nur Alice sieht. Das rote Flugzeug, das über der Wüste abstürzt. Die Bücherwand, die sich verschiebt und Alice beim Fensterputzen gegen die Scheibe presst. Die Balletttänzerinnen in ornamentaler Formation, die sich immer wieder in ihren Träumen einfinden.
Halluzinationen. Vielleicht. Oder nicht? Aus ihrer tiefen Verunsicherung heraus beginnt Alice Fragen zu stellen, die niemand beantworten will. Was genau tun die Ehemänner in dem unterirdischen Werk bei ihrer Arbeit, über die sie nicht sprechen dürfen? Warum haben sich so viele Paare auf die gleiche Weise in einem Zug nach Boston kennengelernt und ihre Flitterwochen im selben Ferienort verbracht? Und vor allem: Was führt Frank (Chris Pine) im Schilde, der als Mischung aus Bürgermeister, Firmenchef und SektenGuru die Stadt regiert und das Modellprojekt selbst entworfen hat? Hier seien die Dinge so, wie sie sein sollen, sagt Frank und dass sie gemeinsam die Welt verändern werden. „Wessen Welt ist dies?“, ruft er in die Menge hinein. „Unsere“antworten im frenetischen Chor vor allem die Männer.
„Don‘t Worry Darling“reiht sich selbstbewusst ein in die Filmgeschichte. Schon in Werken wie „Die Frauen von Stepford“(1975), „Truman Show“(1998) und „Pleasantville“(1998) wurden gefälschte Realitäten präsentiert, deren harmonisches Setting zum Horrorszenario ausgebaut wurde. Die Schauspielerin Olivia Wilde, die sich nach ihrem Regiedebüt „Booksmart“(2019) nun mit dieser aufwendigen Produktion aus der Indie-Ecke herausbewegt, treibt mit kraftvollen Akkorden Risse in die Heile-Welt-Fassade. Deren Demaskierung kommt für das versierte Publikum vielleicht nicht ganz so überraschend, aber Wilde gibt der finalen Auflösung einen entschieden feministischen Drive und katapultiert die Geschichte aus den Fifties direkt in die Mee-Too-Ära.
Allerdings wirkt das Verhältnis zwischen der Erkundung der brillant inszenierten Retro-Welt und der übereilt wirkenden Schlussauflösung etwas unausgegoren. Dass der Film trotzdem seine Spannung aufrecht erhalten kann, liegt vor allem an Hauptdarstellerin Florence Pugh. Seit ihrem ersten Auftritt in „Lady Macbeth“(2016) ist die mittlerweile 26-jährige Britin fast mit jedem Film unter dem Arm davon gerannt. In „Don‘t Worry Darling“kann sie in der Wandlung von der glückseligen Hausfrau zur tatkräftigen Rebellin die ganze Bandbreite ihrer Talente ausschöpfen. Wie schon in „Little Women“(2019) oder dem Marvel-Film „Black Widow“(2021) stattet sie auch hier ihre Figur mit einer emotionalen Intelligenz aus, die sich tief ins filmische Gedächtnis einbrennt.