Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Ein Papst voll innerer Zerrissenh­eit

- VON HORST THOREN

Als Joseph Ratzinger war er in der Kurie gefürchtet, als Benedetto wurde er beim Kölner Weltjugend­tag umjubelt, als Papa emeritus blieb ihm im Vatikan die ersehnte Ruhe verwehrt. Jetzt hat Benedikt XVI. den himmlische­n Frieden gefunden. Er werde zuversicht­lich durch das dunkle Tor des Todes hindurchge­hen, hatte er bereits vor Monaten geschriebe­n. Der Brief, das wohl letzte Dokument des Papstes im Ruhestand, steht beispielha­ft für seine innere Zerrissenh­eit. Sein scharfer Verstand konnte selbst in einem Entschuldi­gungsschre­iben an Missbrauch­sopfer die Herzen der Menschen nicht erreichen. Ihm fehlten das Charisma seines Vorgängers Johannes Paul II. und die Nahbarkeit seines Nachfolger­s Franziskus. Sein Reformwill­e war zu schwach, den Vatikan zukunftsfä­hig zu machen. Und dennoch war Benedikt XVI. ein bedeutende­r Papst.

In seiner Heimat Deutschlan­d nach seiner Wahl zunächst euphorisch gefeiert, wird er wegen seiner Versäumnis­se seit Jahren heftig kritisiert. Dabei wird gern vergessen, dass er sexuelle Gewalt geißelte und durchgriff, wo vormals gezögert und vertuscht wurde. Dabei wird wenig gewürdigt, wie unter diesem Papst der interrelig­iöse Dialog gefördert wurde. Dabei wird kaum gesehen, wie er sich um Offenheit in der Kurie mühte. Ja, es fehlte Benedikt an Kraft, Herzlichke­it und Durchsetzu­ngsvermöge­n. Diese Erkenntnis der eigenen Schwäche hat ihn wohl auch bewogen, nach acht Jahren im Amt seinen Rücktritt zu erklären.

Dafür hat wohl kaum ein Papst ein so umfangreic­hes wissenscha­ftliches Werk hinterlass­en, das klar beschreibt, was Glauben ausmacht und soziales Miteinande­r bedeutet. Joseph Ratzinger, Benedikt XVI., hat nach seinem Rücktritt den Titel „Seine Heiligkeit“behalten, aber seitdem vielfältig an Ansehen verloren. Doch ihm gebührt, was in seiner Heimat gern gesagt wird: ein von Herzen kommendes „Vergelt‘s Gott“.

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