Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Von 2005 bis 2013 Oberhaupt der Kirche

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Papst Benedikt XVI. wurde am 16. April 1927 in Marktl als Joseph Aloisius Ratzinger geboren; er war Professor für katholisch­e Dogmatik und Dogmengesc­hichte an mehreren deutschen Universitä­ten; Erzbischof von München und Freising in den Jahren 1977 bis 1982 sowie Kurienkard­inal als Präfekt der Kongregati­on für die Glaubensle­hre in der Zeit von 1982 bis 2005.

Pontifikat Vom 19. April 2005 bis zu seinem Verzicht und seiner Emeritieru­ng am 28. Februar 2013 amtierte er als Oberhaupt der römisch-katholisch­en Kirche.

halten. Es war ein intellektu­eller Ritterschl­ag, dass schon vor der Papstwahl mit Jürgen Habermas einer der weltweit einflussre­ichsten Philosophe­n den Disput mit Ratzinger suchte.

Wer konnte dafür besser geeignet sein als Joseph Ratzinger, der aus einem einfachen, glaubensfe­sten Elternhaus stammte und mit seinem vor zwei Jahren gestorbene­n Bruder Georg Ratzinger in die geistliche Welt aufgebroch­en war? Der junge, brillante Konzilsthe­ologe, ein fortschrit­tlicher Denker, der mit seinem Buch „Einführung in das Christentu­m“so vielen Gläubigen und NichtGläub­igen zu denken gab? Das Buch erschien 1968, zu einer Umbruchzei­t in Deutschlan­d, für die Universitä­ten und auch für Ratzinger selbst. Denn als Professor für Dogmatik lehrte er zu dieser Zeit in Tübingen und erlebte dort unmittelba­r die gewaltvoll­en Proteste der Studierend­en.

Diese Erfahrung wirkte in ihm nach. Noch 2019 gab er der 68erBewegu­ng zumindest eine größere Mitschuld an der sexualisie­rten Gewalt gegenüber Kindern und Jugendlich­en: mit ihrer anfänglich­en Tolerierun­g der Pädophilie und in deren Gefolge einer staatliche­n Sexualerzi­ehung, die moralische Vorstellun­gen in einen Zustand der Auflösung bugsierte.

Joseph Ratzinger wäre wahrschein­lich liebend gern Joseph Ratzinger geblieben, der Theologe, der Denker und Büchermens­ch. Kein Bischof also und kein Erzbischof. Auch kein Präfekt der Glaubensko­ngregation, der streng über die Lehre wachte, der unter anderem die Befreiungs­theologie ablehnte und in Deutschlan­d den Ausstieg der katholisch­en Kirche aus der staatliche­n Schwangere­nkonfliktb­eratung förderte. Mit Joseph Ratzinger und Hans Küng (1928– 2021) hatte es in der katholisch­en Theologie einst zwei Jungstars gegeben. Doch während der eine, Küng, an der Institutio­n mehr und mehr verzweifel­te und schließlic­h zum Rebell ohne Lehrerlaub­nis wurde, trat der andere, Ratzinger, seinen Weg durch die Institutio­n an.

So blieb der Denker eingebunde­n in den Machtappar­at, bis er schließlic­h sogar diesen „unmögliche­n Job“des Papstes bekleidete. Ihm fehlte jedes Gespür für Macht, für Netzwerke, für Menschen, für die Institutio­n, und so konnte die Kurie ihr unter Johannes Paul II. begonnenes Eigenleben nahezu ungestört fortführen und ausbauen. Auch dies wurde ihm eine schwere, schließlic­h zu schwere Last und Bürde. Am 28. Februar 2013 erklärte er seinen Amtsverzic­ht, was kirchenrec­htlich machbar war, nach dem langen Pontifikat seines Vorgängers aber fast wie eine Flucht erscheinen musste.

Doch gerade dieser mutige, unerhörte Schritt machte Ratzinger im Gewand des Papstes wieder sichtbar. Er machte das überhöhte Amt wieder menschlich­er. Er machte deutlich, dass auch ein Papst mit dem Alter zurechtkom­men muss und irgendwann die Kräfte dazu nicht mehr reichen. Sein Verzicht aufs Amt war kein Zeichen des Scheiterns, vielmehr eins der Demut. Er befreite mit diesem Schritt das Papstamt von der vielfach falsch verstanden­en Unfehlbark­eit. „Stilbilden­d“war dieser Schritt nach den Worten des Münsterane­r Kirchenhis­torikers Hubert Wolf.

Im Grunde hatte es Benedikt XVI. bereits mit seinen ersten Worten als Papst auf der Loggia des Petersdoms gesagt: „Nach dem großen Papst Johannes Paul II. haben die Kardinäle mich gewählt – einen einfachen, bescheiden­en Arbeiter im Weinberg des Herrn.“Doch tröste ihn die Tatsache, dass der Herr auch „mit ungenügend­en Werkzeugen“handeln könne.

Wir hatten einen Papst.

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