Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Neue Debatte über Böllerverbot
Nicht überall ging es in der Silvesternacht friedlich zu. In Berlin etwa gab es schwere Angriffe auf Rettungskräfte, die selbst die Polizei überraschten. Nun gibt es eine neue Debatte über ein Verbot von Feuerwerkskörpern und Böllern.
Die Feuerwehr in Berlin hatte vorsorglich schon mal den „Ausnahmezustand Silvester“ausgerufen, wie üblich allerdings. Doch am Neujahrsmorgen war man dann doch überrascht „von der Masse und der Intensität der Angriffe auf unsere Einsatzkräfte“, wie es hieß. In Stadtteilen wie Neukölln oder Kreuzberg wurden Bierkisten und Feuerlöscher auf Fahrzeuge geworfen, ein Rettungswagen dadurch schwer beschädigt, ein anderer sogar geplündert. Einsatzkräfte wurden beim Löschen mit Pyrotechnik beschossen; in Schöneberg wurden Passanten und selbst ein voll besetzter Bus mit Raketen attackiert. Die Politik debattiert nun die Konsequenzen. Könnte ein Feuerwerksverbot helfen?
Bis zum Sonntagvormittag zählte die Berliner Feuerwehr in der Hauptstadt 38 Übergriffe. 15 Einsatzkräfte wurden demnach verletzt. Die Polizei berichtete von 18 verletzten Kräften. Sie nahm 98 Männer und fünf Frauen fest. Auch in anderen deutschen Städten gab es Attacken – so sprach etwa in Hamburg die Feuerwehr von einer „erschreckenden Silvester-Neujahrs-Bilanz“.
Man habe nach zwei Jahren Einschränkungen durch Corona ein „besonderes Silvester“erwartet, sagte der GdP-Vorsitzende für den Bereich Bundespolizei, Andreas Roßkopf, unserer Redaktion. Die Feuerwehr in der Hauptstadt meldete insgesamt mehr als 1700 Einsätze, fast 700 mehr als vor einem Jahr während der Corona-Beschränkungen. „Die Angriffe auf Rettungskräfte und Polizisten sind aber eine Verrohung, die wir nicht akzeptieren können. Es herrscht mittlerweile große Angst bei vielen Einsatzkräften“, ergänzte Roßkopf. Er forderte, das Strafmaß bei Angriffen auf Amtsträger, Sanitäter oder Polizisten zu überdenken. „Sie müssen empfindlich hoch sein. Höher, als das jetzt der Fall ist“, betonte Roßkopf.
Berliner Polizei-Gewerkschafter forderten, mit einem weitgehenden Böllerverbot Ernst zu machen, da Pyrotechnik gezielt als Waffe gegen Menschen eingesetzt worden sei. GdP-Chef Roßkopf erklärte jedoch, wo Krankenhäuser seien, „wo die Innenstädte eng bebaut sind, sind Böllerverbote richtig. Von einem grundsätzlichen Verbot halte ich aber nichts“. Das Problem seien die illegalen Böller. „Da befinden wir uns ganz schnell im Bereich der Verstöße gegen das Sprengstoffgesetz“, so Roßkopf. Geltendes Recht müsse daher in diesem Bereich konsequenter durchgesetzt werden.
Auch die Politik zeigte sich entsetzt angesichts der Vorkommnisse. Der Erste parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Thorsten Frei (CDU), sagte unserer Redaktion: „Die Angriffe auf Polizei, Feuerwehr und Rettungskräfte in der Silvesternacht sind geradezu absurd und verachtenswert. Für ein solches Verhalten fehlen die Worte.“Vor allem aber seien die Attacken strafbar, ergänzte Frei. „Gefährliche Körperverletzung, Sachbeschädigung, Behinderung von Rettungskräften. Das sind keine Kavaliersdelikte und die Taten müssen daher mit aller Schärfe verfolgt werden.“
Zugleich dürfe das Verhalten von Kriminellen nicht bedeuten, „dass auch die vielen friedlich Feiernden
einem generellen Feuerwerksverbot unterliegen sollten“, so der CDU-Politiker. Die Kommunen hätten bereits die Möglichkeit, „an bestimmten Orten und zu bestimmten Zeiten ein Feuerwerksverbot zu verhängen. Das ist vernünftig“. Ein darüber hinaus gehendes generelles Feuerwerksverbot „wäre hingegen ein unverhältnismäßiger Eingriff
in Freiheitsrechte“, sagte Frei.
Ähnlich äußerte sich die parlamentarische Geschäftsführerin der FDP-Bundestagsfraktion, Christine Aschenberg-Dugnus: „Nur eine konsequente strafrechtliche Verfolgung der Täter kann solche Angriffe verhindern“, so die FDP-Politikerin. „Das Strafrecht hat bewusst Feuerwehrleute und Rettungsdienste in den Schutz vor Angriffen einbezogen, damit diese bei Hilfseinsätzen geschützt werden.“Mit Blick auf die Debatte über ein Böllerverbot sagte Aschenberg-Dugnus: „Ein allgemeines Böllerverbot wäre nicht zielführend, zumal Städte die Möglichkeit haben, partielle Feuerwerksverbote auszusprechen.“Beendet ist die Debatte damit aber noch nicht. Das nächste Silvester kommt bestimmt.
In Thüringen zogen sich zwei Männer durch Feuerwerkskörper schwere Verletzungen zu. Ein 42-Jähriger wurde bei Gotha beim Hantieren mit online bestellten Böllern so schwer verletzt, dass ihm beide Unterarme amputiert werden mussten. In Schleiz verlor ein 21-Jähriger bei einem Unfall mit einem Sprengkörper eine Hand. Die illegale Kugelbombe sei direkt beim Entzünden explodiert.
Bei Hannover musste ein 46 Jahre alter Mann in der Nacht notoperiert werden. Er hatte einen Böller in eine Metallhülse gelegt, aus dieser wurden bei der Explosion Teile herausgesprengt und umhergeschleudert.
Ein Mann aus Weißenfels in Sachsen-Anhalt zog sich schwere Verletzungen zu. Er habe sich „die linke Hand komplett weggesprengt, da war nichts mehr zu retten“, sagte Cord Corterier von der Spezialklinik für Handchirurgie in Halle. Beim Anzünden von Feuerwerkskörpern auf der Straße wurde ein Fußgänger in Sachsen-Anhalt von einem Auto erfasst und tödlich verletzt. Der 42-Jährige wurde durch die Wucht des Aufpralls am frühen Sonntagmorgen mehrere Meter weit über die Fahrbahn geschleudert. Er starb noch am Unfallort in Schönebeck (Elbe). (mit dpa)