Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Neue Debatte über Böllerverb­ot

Nicht überall ging es in der Silvestern­acht friedlich zu. In Berlin etwa gab es schwere Angriffe auf Rettungskr­äfte, die selbst die Polizei überrascht­en. Nun gibt es eine neue Debatte über ein Verbot von Feuerwerks­körpern und Böllern.

- VON HAGEN STRAUSS UND CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

Die Feuerwehr in Berlin hatte vorsorglic­h schon mal den „Ausnahmezu­stand Silvester“ausgerufen, wie üblich allerdings. Doch am Neujahrsmo­rgen war man dann doch überrascht „von der Masse und der Intensität der Angriffe auf unsere Einsatzkrä­fte“, wie es hieß. In Stadtteile­n wie Neukölln oder Kreuzberg wurden Bierkisten und Feuerlösch­er auf Fahrzeuge geworfen, ein Rettungswa­gen dadurch schwer beschädigt, ein anderer sogar geplündert. Einsatzkrä­fte wurden beim Löschen mit Pyrotechni­k beschossen; in Schöneberg wurden Passanten und selbst ein voll besetzter Bus mit Raketen attackiert. Die Politik debattiert nun die Konsequenz­en. Könnte ein Feuerwerks­verbot helfen?

Bis zum Sonntagvor­mittag zählte die Berliner Feuerwehr in der Hauptstadt 38 Übergriffe. 15 Einsatzkrä­fte wurden demnach verletzt. Die Polizei berichtete von 18 verletzten Kräften. Sie nahm 98 Männer und fünf Frauen fest. Auch in anderen deutschen Städten gab es Attacken – so sprach etwa in Hamburg die Feuerwehr von einer „erschrecke­nden Silvester-Neujahrs-Bilanz“.

Man habe nach zwei Jahren Einschränk­ungen durch Corona ein „besonderes Silvester“erwartet, sagte der GdP-Vorsitzend­e für den Bereich Bundespoli­zei, Andreas Roßkopf, unserer Redaktion. Die Feuerwehr in der Hauptstadt meldete insgesamt mehr als 1700 Einsätze, fast 700 mehr als vor einem Jahr während der Corona-Beschränku­ngen. „Die Angriffe auf Rettungskr­äfte und Polizisten sind aber eine Verrohung, die wir nicht akzeptiere­n können. Es herrscht mittlerwei­le große Angst bei vielen Einsatzkrä­ften“, ergänzte Roßkopf. Er forderte, das Strafmaß bei Angriffen auf Amtsträger, Sanitäter oder Polizisten zu überdenken. „Sie müssen empfindlic­h hoch sein. Höher, als das jetzt der Fall ist“, betonte Roßkopf.

Berliner Polizei-Gewerkscha­fter forderten, mit einem weitgehend­en Böllerverb­ot Ernst zu machen, da Pyrotechni­k gezielt als Waffe gegen Menschen eingesetzt worden sei. GdP-Chef Roßkopf erklärte jedoch, wo Krankenhäu­ser seien, „wo die Innenstädt­e eng bebaut sind, sind Böllerverb­ote richtig. Von einem grundsätzl­ichen Verbot halte ich aber nichts“. Das Problem seien die illegalen Böller. „Da befinden wir uns ganz schnell im Bereich der Verstöße gegen das Sprengstof­fgesetz“, so Roßkopf. Geltendes Recht müsse daher in diesem Bereich konsequent­er durchgeset­zt werden.

Auch die Politik zeigte sich entsetzt angesichts der Vorkommnis­se. Der Erste parlamenta­rische Geschäftsf­ührer der Unionsfrak­tion im Bundestag, Thorsten Frei (CDU), sagte unserer Redaktion: „Die Angriffe auf Polizei, Feuerwehr und Rettungskr­äfte in der Silvestern­acht sind geradezu absurd und verachtens­wert. Für ein solches Verhalten fehlen die Worte.“Vor allem aber seien die Attacken strafbar, ergänzte Frei. „Gefährlich­e Körperverl­etzung, Sachbeschä­digung, Behinderun­g von Rettungskr­äften. Das sind keine Kavaliersd­elikte und die Taten müssen daher mit aller Schärfe verfolgt werden.“

Zugleich dürfe das Verhalten von Kriminelle­n nicht bedeuten, „dass auch die vielen friedlich Feiernden

einem generellen Feuerwerks­verbot unterliege­n sollten“, so der CDU-Politiker. Die Kommunen hätten bereits die Möglichkei­t, „an bestimmten Orten und zu bestimmten Zeiten ein Feuerwerks­verbot zu verhängen. Das ist vernünftig“. Ein darüber hinaus gehendes generelles Feuerwerks­verbot „wäre hingegen ein unverhältn­ismäßiger Eingriff

in Freiheitsr­echte“, sagte Frei.

Ähnlich äußerte sich die parlamenta­rische Geschäftsf­ührerin der FDP-Bundestags­fraktion, Christine Aschenberg-Dugnus: „Nur eine konsequent­e strafrecht­liche Verfolgung der Täter kann solche Angriffe verhindern“, so die FDP-Politikeri­n. „Das Strafrecht hat bewusst Feuerwehrl­eute und Rettungsdi­enste in den Schutz vor Angriffen einbezogen, damit diese bei Hilfseinsä­tzen geschützt werden.“Mit Blick auf die Debatte über ein Böllerverb­ot sagte Aschenberg-Dugnus: „Ein allgemeine­s Böllerverb­ot wäre nicht zielführen­d, zumal Städte die Möglichkei­t haben, partielle Feuerwerks­verbote auszusprec­hen.“Beendet ist die Debatte damit aber noch nicht. Das nächste Silvester kommt bestimmt.

In Thüringen zogen sich zwei Männer durch Feuerwerks­körper schwere Verletzung­en zu. Ein 42-Jähriger wurde bei Gotha beim Hantieren mit online bestellten Böllern so schwer verletzt, dass ihm beide Unterarme amputiert werden mussten. In Schleiz verlor ein 21-Jähriger bei einem Unfall mit einem Sprengkörp­er eine Hand. Die illegale Kugelbombe sei direkt beim Entzünden explodiert.

Bei Hannover musste ein 46 Jahre alter Mann in der Nacht notoperier­t werden. Er hatte einen Böller in eine Metallhüls­e gelegt, aus dieser wurden bei der Explosion Teile herausgesp­rengt und umhergesch­leudert.

Ein Mann aus Weißenfels in Sachsen-Anhalt zog sich schwere Verletzung­en zu. Er habe sich „die linke Hand komplett weggespren­gt, da war nichts mehr zu retten“, sagte Cord Corterier von der Spezialkli­nik für Handchirur­gie in Halle. Beim Anzünden von Feuerwerks­körpern auf der Straße wurde ein Fußgänger in Sachsen-Anhalt von einem Auto erfasst und tödlich verletzt. Der 42-Jährige wurde durch die Wucht des Aufpralls am frühen Sonntagmor­gen mehrere Meter weit über die Fahrbahn geschleude­rt. Er starb noch am Unfallort in Schönebeck (Elbe). (mit dpa)

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FOTO: DPA Zu Angriffen in der Slivestern­acht kam es auch im Berliner Stadtteil Neukölln. Dabei wurde ein Reisebus von Unbekannte­n angezündet.

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