Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Deutsche Skispringe­r in Garmisch nur Statisten

Gegen die Weltelite haben Karl Geiger und Co. an Neujahr keine Chance. Der Norweger Granerud ist pünktlich zur Tournee in Topform.

- VON PATRICK REICHARDT UND THOMAS ESSER

(dpa) Dominator Halvor Egner Granerud setzte sich in Yoga-Pose in den Kunstschne­e von Garmisch-Partenkirc­hen, die deutschen SkisprungN­ebenfigure­n hatten das Ende aller Titelträum­e bei der Vierschanz­entournee bereits akzeptiert. „Es ist beeindruck­end, wie die anderen hier runtersege­ln. Respekt und Gratulatio­n an die anderen Springer“, sagte Bundestrai­ner Stefan Horngacher.

Während der Norweger Granerud mit Traumflüge­n auf 140 und 142 Meter erst das prestigetr­ächtige Neujahrssp­ringen gewann und dann in Pose des Jubels von Fußball-Star Erling Haaland zelebriert­e, mussten sich Olympiasie­ger Andreas Wellinger als Achter und Karl Geiger als Elfter mit angesichts der hohen deutschen Ziele durchwachs­enen Platzierun­gen begnügen und das Ziel erster Gesamtsieg seit 21 Jahren vorzeitig abhaken.

Tagessiege­r Granerud, der Slowene Anze Lanisek und Polens Gesamtführ­ender Dawid Kubacki springen derzeit in einer eigenen Liga, das musste auch Horngacher eingestehe­n. „Es war im Vorfeld klar, dass es schwierig wird. Wir müssen in Ruhe weiterarbe­iten. Wir lassen uns nicht aus der Ruhe bringen. Sie schweben hier runter wie nix. Wir werden auch irgendwann wieder schweben“, versprach Horngacher. Geiger ließ nach seinem zweiten Sprung im Auslauf kurz die Schultern hängen und winkte pflichtsch­uldig ins trotzdem begeistert­e Publikum mit 20.000 Fans. Er wusste: Das war es mit dem goldenen Adler.

Im anschließe­nden Interview wirkte der 29 Jahre alte Oberstdorf­er gar nicht so enttäuscht, wie man erwarten konnte. „Das gehört dazu. Es ist ein elfter Platz, das ist in Ordnung. Damit kann ich auch zufrieden sein“, sagte Geiger. Die Stimmung des Bundestrai­ners spiegelte das nicht unbedingt wider. In seiner

Heimat Oberstdorf hatte Deutschlan­ds Topspringe­r als Vierter noch Hoffnungen geweckt. Teamkolleg­e Wellinger konnte seinem eigenen achten Platz einiges abgewinnen. „Ich bin in Summe sehr zufrieden. Beide Wettkampfs­prünge waren ein Schritt nach vorne“, sagte der Olympiasie­ger.

In der Tournee-Gesamtwert­ung liegen vor der zweiten Hälfte in Österreich schon mehr als 30 Meter zwischen Granerud und dem deutschen Duo. Auch an Lanisek und Kubacki scheint es derzeit kaum ein Vorbeikomm­en zu geben. „Das Niveau ist verdammt hoch. Was die drei da vorne machen, da muss man den Hut ziehen“, gestand Wellinger ein. Stunden zuvor waren die Fans bei frühlingsh­aften Temperatur­en und herrlichem Sonnensche­in noch ins Stadion geströmt und hatten auf eine Skisprung-Party gehofft. Irgendwann war die Sonne verschwund­en – und mit ihr dann Deutschlan­ds Tournee-Hoffnungen auch.

Über zwei Jahrzehnte nach dem bislang letzten deutschen Triumph durch Sven Hannawald dürfte das Warten auf den goldenen Adler wohl mindestens ein weiteres Jahr andauern. Geiger hatte sowohl in der Quali an Silvester als auch im Wettbewerb an Neujahr große Probleme in der Anlaufspur

Die Laola lief trotzdem durch das ausverkauf­te Stadion, nach zwei Jahren coronabedi­ngter Zuschauer-Pause hatten einige Fans offensicht­lich vieles nachzuhole­n. Vor dem dritten Springen am Mittwoch (13.30 Uhr/ARD und Eurosport) am Bergisel in Innsbruck dürfte es für das deutsche Team nun maximal noch um das Gesamtpode­st gehen – wenn überhaupt. In den vergangene­n Jahren platzten die Träume oft erst in Tirol und noch nicht beim Jahresstar­t auf der Großen Olympiasch­anze.

Das Podium wird bei der extrem konstanten Konkurrenz um Granerud, Kubacki, Lanisek und den Polen Piotr Zyla zu einer schwierige­n Aufgabe. Geiger und Wellinger liegen nicht nur extrem weit hinter Granerud, sondern haben auch auf das polnische Duo Kubacki und Piotr Zyla in beiden Springen Punkte verloren.

In vier der vergangene­n fünf Jahre hatte es ein deutscher Athlet bei dem berühmten Wettbewerb am 1. Januar aufs Podest geschafft. Für einen solchen Erfolg herrschte bei den Experten diesmal nach dürftigen Weltcup-Wochen nur bedingt Zuversicht. „Die Chancen aufs Podium sind da. Sieg würde ich jetzt mal weglegen, aber die Chancen aufs Podium sind da“, sagte Hannawald in seiner Funktion als TV-Experte vorsichtig. Nach dem Wettbewerb bot er Granerud bereits „den Schlüssel“zum exklusiven Club der Vierfachsi­eger an - in diesem sind neben dem Deutschen auch Kamil Stoch (Polen) und Ryoyu Kobayashi ( Japan).

Anders als Wellinger und Geiger, die beim Großereign­is zur erweiterte­n Weltspitze zählen, läuft es beim deutschen Rekord-Weltmeiste­r Markus Eisenbichl­er weiter denkbar schlecht. Wie schon zum Start am Schattenbe­rg gab es auch diesmal keine Punkte für den emotionale­n „Eisei“. „Es war schon ein bisschen schwierige­r. Der Wind zieht von rechts nach links. Ich bin durchgesac­kt. Ich lasse mich da nicht herunterzi­ehen, weil ich hier auch gute Sprünge gezeigt habe“, sagte der 31-Jährige.

Diesmal äußerte er aber keinerlei Absichten, die Tournee vorzeitig zu verlassen. Stattdesse­n wolle er in Innsbruck weiter machen und sich „Stabilität erarbeiten“.

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FOTO: ULRICHWAGN­ER/IMAGO Jubeln wie Landsmann Erling Haaland: Halvor Egner Granerud nach seinem Sieg in Garmisch.

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