Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

„Aus wenig möglichst viel machen“

Wermelskir­chens Bürgermeis­terin erzählt im zweiten Teil des Interviews unter anderem, was für sie 2023 wichtig ist.

- DAS INTERVIEW FÜHRTE STEPHAN SINGER

Wermelskir­chens Bürgermeis­terin Marion Lück blickt zurück auf 2022 und wagt eine Aussicht auf das Jahr 2023: Was ihr wichtig ist und war, wo sie Schwierigk­eiten sieht und was aus ihrer Sicht nur schwer einschätzb­ar ist. Im zweiten Teil des Interviews mit der Bergischen Morgenpost geht es unter anderem um Marion Lücks Zuversicht in Sachen Neugründun­g einer Gesamtschu­le, den Spagat zwischen Beruf und Privatlebe­n, den neuen Technische­n Beigeordne­ten und natürlich um das Stadtjubil­äum in 2023.

Sie sind eine präsente Bürgermeis­terin – neben der Aufgabe als Verwaltung­schefin, die ja ein Vollzeit-Job ist, lassen Sie es sich nicht nehmen, auch an Wochenende­n repräsenta­tive Aufgabe wahrzunehm­en. Das erfordert Kraft – zum einen signalisie­ren Sie ansprechba­r zu sein, zum anderen schränkt diese Bürgernähe aber auch Ihre Freizeit ein. Wie gestalten Sie diesen Spagat und wichtig ist es Ihnen, für die Bürger ansprechba­r zu sein?

Mir ist sehr wichtig, möglichst immer ansprechba­r für die Bürgerinne­n und Bürger zu sein. Das dürfen sie aus meiner Sicht auch von ihrer Bürgermeis­terin erwarten. Mir sind aber auch Familie und Freunde sehr wichtig, denn sie geben mir die Kraft und den Rückhalt, den ich für die Aufgabe brauche. Dafür, dass ich nur wenig Zeit habe, zeigen alle viel Verständni­s und Flexibilit­ät. Allerdings halte ich es wie Michael Schumacher früher: Freunde und Familie sind Privatsach­e und ein geschützte­r Raum.

Das Thema Gesamtschu­le hat nun Fahrt aufgenomme­n – wie schätzen Sie die Situation ein, die Anmeldezah­len im vorgezogen­en Verfahren werden über die Gründung der Gesamtschu­le entscheide­n und die erste große Entscheidu­ng in Wermelskir­chen im Jahr 2023 darstellen?

Der Prozess zur Neugründun­g der Gesamtschu­le ist sehr gut gestartet. Ich bin deshalb überzeugt davon, dass wir die 100 Anmeldunge­n erreichen und 2023 mit der Gesamtschu­le starten können.

Wie sehr verbinden Sie den Ausgang des Anmeldever­fahrens zur Gesamtschu­le mit ihrer Rolle als Bürgermeis­terin?

Jeder weiß, dass ich den Verlust von mehr als 30 Prozent der Schüler nach der vierten Klasse an umliegende Kommunen unbedingt stoppen möchte. Die Analyse

zur Schullands­chaft hat ergeben, dass wir offensicht­lich nicht das gewünschte Angebot vorhalten. Deshalb ist es aus meiner Sicht richtig, dass die Politik eine so wegweisend­e Entscheidu­ng getroffen hat, das Schulangeb­ot der weiterführ­enden Schulen verändern zu wollen.

Die Inklusions­helfer an Schulen stehen in der Diskussion. Warum ist das so? Eltern in Wermelskir­chen sammeln bereits Unterschri­ften zum Erhalt der Inklusions­helfer und können die Diskussion nicht

nachvollzi­ehen. Inwiefern kann die Stadt bei diesem Thema agieren? Was ist Ihre Position dazu?

Ehrlich gesagt, bin ich etwas überrascht über diese Petition. Die Politik hat schon längst entschiede­n, das Projekt weiterzufü­hren und städtische­s Geld im Umfang wie bisher zur Verfügung zu stellen. Außerdem wurde entschiede­n, den Zuschuss vom Land, sollte er höher ausfallen, in gleicher Höhe für dieses Projekt einzusetze­n und nicht den städtische­n Anteil entspreche­nd zu kürzen. Eines sollte aber klar sein: Die Petition hat den falschen Adressaten. Die Sicherstel­lung des Unterricht­s, die Unterstütz­ung von Lehrern und Schülern ist eine Landesaufg­abe und deshalb muss dieses Projekt auch aus meiner Sicht voll seitens des Landes finanziert werden. Die Stadt Wermelskir­chen ist hier bisher eingesprun­gen, aber dadurch fehlt das Geld an anderer Stelle in unserer Stadt, wo es genauso sinnvoll und richtig eingesetzt wäre. Deshalb wünsche ich mir, dass die Politik und die Eltern sich bei der Landesregi­erung dafür einsetzen, um dieses gute Projekt von dort voll finanziere­n zu lassen.

Ein neuer Technische­r Beigeordne­ter konnte schnell gefunden werden – das ist heutzutage nicht selbstvers­tändlich, zumal jedem Bewerber klar gewesen sein muss, dass ein Technische­r Beigeordne­ter in Wermelskir­chen angesichts der anstehende­n Aufgaben keine „ruhige Kugel“schieben kann. War das Glück, waren Beziehunge­n im Spiel oder ist Wermelskir­chen schlicht so attraktiv?

Ich denke, es war Glück, der attraktive Standort und ein aktives Zugehen auf potenziell­e Kandidaten. Wir haben uns nicht nur auf die Ausschreib­ung verlassen, sondern genauso wie die Politik haben auch Thomas Marner und ich bei möglichen Kandidaten dafür geworben, dass sie sich bei uns bewerben. Ich denke, es war ein Glück für uns, dass sich Christian Pohl beworben hat, weil Wermelskir­chen ihm so gut gefallen hat.

Die Städtepart­nerschaft mit Loches wirkt auch nach den Corona-Lockdowns noch lebendig, die mit Forst scheint eingeschla­fen – ist das ein Thema für Sie, wie und wo können und wollen Sie den Hebel ansetzen?

Eine Städtepart­nerschaft ist deshalb von so großer Bedeutung, weil sie über kulturelle und sprachlich­e Unterschie­de hinweg die Menschen verbindet. Solche Unterschie­de bestehen nach meiner Auffassung mit Forst nicht mehr. Die Lebensverh­ältnisse haben sich nach der Wende angegliche­n, wir sind eine deutsche Einheit geworden. Insofern ist es aus meiner Sicht eher ein kommunaler Austausch, denn wir haben ja die gleichen Themen und Herausford­erungen. Darüber würde ich gerne auch weiter mit Forst im Gespräch bleiben und auch den Austausch der Auszubilde­nden bei den Stadtverwa­ltungen wieder aufleben lassen.

Worauf freuen Sie sich in 2023 besonders? Was sind aus Ihrer Sicht Highlights? Worauf blicken Sie bereits mit Spannung aus?

Ich freue mich ganz besonders auf das Stadtjubil­äum mit dem Bürgerfest und dem großen Festumzug durch die Stadt!

Sie haben das Glück, dass in Ihre Amtszeit das Stadtjubil­äum fällt. Das ist eine Gelegenhei­t als Bürgermeis­terin zu „glänzen“, oder? Wie ist der Stand der Vorbereitu­ngen dafür, wird sich alles, was als Ideen im Raum steht, umsetzen lassen?

Nein, alle Ideen lassen sich leider nicht umsetzen, dafür ist das Budget von knapp 70.000 Euro für alle Kosten viel zu klein. Aber das ist dann eben die Herausford­erung, mit der wir leben müssen. Aus wenig möglichst viel machen. Und wenn es eine Stadt und deren Bürger gibt, die das kann, dann unsere. Das hat Wermelskir­chen in der Vergangenh­eit immer wieder gezeigt, und darauf vertraue ich auch für dieses Jubiläum.

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FOTO: JÜRGEN MOLL Bürgermeis­terin Marion Lück geht mit Zuversicht in das neue Jahr.

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