Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Nach der Flucht auf die Bühne
Der Verein „Grenzfrei kreativ“, den Monica Barata und Sabine Enzmann gegründet haben, bringt mit Kindern aus der Ukraine, Syrien und Afrika ein neues Stück auf die Bühne. Das Projekt wird aus Landestöpfen gefördert.
Wenn der Junge aus der Ukraine sich für einen Augenblick strahlend in einen Brandmelder verwandelt oder der Schüler aus Syrien wunderbar ausgelassen in die Rolle eines schimpfenden Vaters schlüpft: Dann geht Monica Barata das Herz sichtlich auf. Dann strahlt sie über das ganze Gesicht und feuert die Kinder an, zu tanzen, zu gestalten, zu spielen und ihren Gefühlen einen Ausdruck zu geben. Monica Barata weiß um die Macht dieser Mittel: Sie selbst erlebt Tanz und Theater als Ausdrucksform ihrer Gefühle. Und diese Möglichkeit will sie gemeinsam mit Sabine Enzmann auch anderen geben. Deswegen haben die beiden schon vor Jahren den Verein „Grenzfrei kreativ“gegründet. Und deswegen haben sie nun ein neues Projekt mit Kindern auf die Beine gestellt, die Fluchtgeschichten im Gepäck haben. „Uns ist es von Anfang an wichtig gewesen, generationenübergreifend zu arbeiten“, erzählt Monica Barata und erinnert an die vielen Projekte, die sie in Theater- und Kreativgruppen schon umgesetzt hat. Während der Corona-Pandemie ist das „Café Hilde“entstanden – ein charmantes Theaterprojekt, bei dem die Zuschauer am Rand der Bühne mitten in der Geschichte Kaffee, Kuchen und Kottenbutter serviert bekommen. Und der Verein hat im vergangenen Jahr mit Kindern ein Kunstprojekt umgesetzt, bei dem Jungen und Mädchen ihre Pandemie-Gefühle auf die Leinwand gebracht haben. Die Bilder waren im Kleiderladen des Kinderschutzbundes zu sehen.
Die ganze Zeit über lag während der Pandemie ein Drehbuch in der Schublade von Monica Barata. „Vor Corona hatten wir angefangen, mit Kindern ein Märchen einzustudieren“, erzählt sie. Die Pandemie stoppte das Vorhaben, die Kinder wuchsen in den fast vier Jahren aus ihren Rollen heraus. Genau dieses Märchen bekommt nun aber eine zweite Chance: Jungen und Mädchen aus der Ukraine, aus Afrika und Syrien proben die Geschichte „Sophias Traumland“. Damit gehe für den Verein ein großer Wunsch in Erfüllung: die Zusammenarbeit mit Kindern mit Fluchtgeschichte. Auf der einen Seite wolle man den Kindern eine Abwechslung bieten in diesen schweren Zeiten. „Aber auf der anderen Seite wollen wir ihnen auch die Möglichkeit geben, über Erlebnisse zu sprechen und ihre Gefühle auszudrücken“, sagt Monica Barata.
Für dieses Projekt fließen 2800 Euro Fördergelder aus dem Topf des Programms „Sonnenstunden“– eine Initiative, an der auch die Kulturstiftung der Länder und die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien beteiligt ist. So wird die Bezahlung eines Dolmetschers möglich, aufwändige Kostüme können angeschafft werden und während der Proben sorgt der Verein auch für ein gemeinsames Essen.
Nachdem vom Förderprogramm grünes Licht gegeben worden war, nahm Monica Barata Kontakt zur Dhünntalschule auf – mit der sie schon in der Vergangenheit ein Theaterprojekt
umgesetzt hatte. Dort traf ihre Idee auf offene Ohren. 13 Kinder, die meisten von ihnen mit Fluchtgeschichte, meldeten sich für das Programm an. In der Woche vor den Weihnachtsferien fanden dann die ersten Proben statt – mit Dolmetscher. Es sei viel Vorsicht geboten, um die Kinder und ihre schlimmen Erlebnisse nicht zu triggern und gleichzeitig ihre eigene Lebenswirklichkeit wider zu spiegeln. „Es gibt Tänze mit trauriger Musik und dunklen Kostümen“, erzählt die Projektleiterin, „und es gibt bunte Farben, lustige Musik und viel Lachen.“Beides hat Platz im Stück, welches Monica Barata für die Kinder umgeschrieben hat: „Es ist nun wortarm, aber ausdrucksstark“, sagt sie. Sabine Enzmann ist in die Rolle der Erzählerin geschlüpft, die Kinder spielen.
Es sei eine bewegende erste Probenwoche gewesen, erzählt Monica Barata. Ein autistischer Junge habe eine Form gefunden, sich einzubringen. Kinder, die schon gut deutsch sprächen, seien ins Erzählen gekommen. Aber auch Jungen und Mädchen, die noch wenige Worte der neuen Sprache kennen, haben ihren Platz im Ensemble gefunden. Gemeinsam erzählen sie die Geschichte von Sophia und ihrer Großmutter, vom Apfelkuchenbacken und Träumen, von Ängsten und Auswegen. „Wir sind ganz begeistert, wie interessiert die Kinder sind“, stellt die Projektleiterin fest. Die Jungen und Mädchen zwischen zehn und elf Jahren hätten sich schon ganz begeistert in das Projekt eingebracht. „Diese Proben bereichern auch uns Erwachsene“, erklärt Monica Barata. Im Januar finden drei weitere Proben statt, bevor im Februar die große Premiere geplant ist: Dann stehen die Kinder auf der Bühne, um ihre eigene Geschichte im neuen Gewand zu erzählen.