Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Lea Beyling wurde noch vor wenigen Jahren durch das sogenannte Deutschlandstipendium gefördert. Heute unterstützt sie selbst Talente, damit diese sich ganz auf ihren Lernstoff konzentrieren können.
Unterricht an der Hochschule, dazu mehrere Stunden tägliches Üben, Vorbereitung von Konzerten und Proben: Musikstudierende haben oft ein besonders straffes Programm. Nebenbei noch zu jobben, ist schwer bis unmöglich. „Ich habe immer noch zusätzlich unterrichtet, allerdings ist dies schon eine Doppelbelastung“, sagt Anna Gloria Strauß, die in Düsseldorf an der Robert-Schumann-Hochschule den Bachelor in Musikpädagogik abgeschlossen hat und inzwischen Klavier im Konzertfach an der Hochschule für Musik in Detmold studiert. „Hinzu kommt: Wenn man seine Chancen im Musikbereich erhöhen möchte, führt kaum ein Weg an sogenannten Meisterklassen und Workshops vorbei. Diese bringen einen auch persönlich weiter und sind sehr inspirierend. Aber sie finden europa- und weltweit bei herausragenden Musikern statt und sind mit Kursgebühren ebenso verbunden wie mit Anreiseund Übernachtungskosten.“
Unterstützung erhielt Anna Gloria Strauß während ihres Studiums in Düsseldorf über das Deutschlandstipendium. Das gibt es seit über zehn Jahren, und es funktioniert so: Studierende, deren bisheriger Werdegang herausragende Leistungen in Studium und Beruf erwarten lässt, werden mit 300 Euro im Monat gefördert. Dabei wird die eine Hälfte des Geldes von einem privaten Stifter (Unternehmen, Institutionen, Privatpersonen), die andere Hälfte vom Bund aufgebracht. Die Stifter können teilweise mit entscheiden, aus welcher Fächergruppe ihr Stipendiat kommt. Außerdem können gezielt die wissenschaftlichen Karrieren von Frauen gefördert oder Studenten mit Migrationshintergrund unterstützt werden.
Genauso war es bei Anna Gloria Strauß: Der private Anteil ihres Stipendiums wurde von Soroptimist International (SI) in Düsseldorf übernommen, einem weltweiten Netzwerk berufstätiger Frauen mit gesellschaftspolitischem Engagement. „Uns ist es wichtig, die Bildung und Ausbildung von Frauen und Mädchen hier in Düsseldorf zu fördern“, sagt Beate Speicher, erste Vorsitzende Soroptimist Düsseldorf 2000. „Seit sechs Jahren unterstützen wir Studentinnen der Robert-Schumann-Hochschule, zuerst zwei, ab dem zweiten Jahr jeweils drei. Die Hochschule macht ein großes Vorspielen, über das dann
Stipendiaten ausgewählt werden. Wir haben dann noch ein Mitspracherecht, wen wir konkret fördern wollen. Für die Sichtbarkeit unserer Stipendiatinnen und für die Finanzierung der Stipendien organisieren wir jährlich ein Benefizkonzert, bei dem auch die von uns geförderten Musikerinnen mitwirken.“Durch das Stipendium konnte beispielsweise Pianistin Anna Gloria Strauß Beziehungen knüpfen und Erfahrungen sammeln, durch die sie mittlerweile Konzerte im In- und Ausland spielt.
Da der Anteil der Studentinnen aus dem Ausland an der RobertSchumann-Hochschule besonders hoch sei, bräuchten genau diese besondere Unterstützung, betont
Beate Speicher: „Sie haben oft besonders große finanzielle Schwierigkeiten.“So ging es auch Silvia Vega, die Viola spielt. Sie ist vor vier Jahren aus Gran Canaria nach Düsseldorf gekommen, ihre Familie blieb in Spanien. „Meine Eltern können mich nicht immer finanziell unterstützen“, sagt die 23-Jährige. „Da war das Stipendium eine große Hilfe. Ich unterrichte zwar auch Spanisch und Musik neben meinem Studium – aber natürlich schränkt das das Üben ein. Das Stipendium hat mir geholfen, mich ganz auf die Musik konzentrieren zu können.“
Auch spiele sie immer noch auf einem Leihinstrument. „Nun bin ich aber durch das Stipendium dem Kauf einer eigenen Viola etwas näher gekommen.“Das Ziel von Silvia Vega: Eine Stelle in einem professionellen Orchester oder einem Kammermusikensemble.
An der Robert-Schumann-Hochschule bewerben sich die Studierenden für das Deutschlandstipendium schriftlich und mit einem Vorspiel. An anderen Hochschulen ist eine schriftliche Bewerbung mit Motivationsschreiben und Lebenslauf Standard. Der Leistungsbegriff, der dem Stipendium zugrunde liegt, ist bewusst weit gefasst: Gute Noten und Studienleistungen stehen zwar an erster Stelle, aber auch wer gezeigt hat, dass er Verantwortung übernimmt oder Hindernisse im eigenen Lebens- und Bildungsweg erfolgreich gemeistert hat, hat gute
Chancen auf das Stipendium. Manche Stifter fördern gezielt Studierende aus einem Elternhaus ohne Akademikerhintergrund oder mit Migrationshintergrund. Auch wer sich sozial engagiert oder ein Ehrenamt übernimmt, sollte sich um die Förderung bemühen. Bewerben kann man sich direkt an der eigenen Hochschule. Das Stipendium kann zusätzlich zum Bafög beantragt werden und wird mindestens für zwei Semester, höchstens aber bis zum Ende der Regelstudienzeit gezahlt. Schon angehende Erstsemester können sich mit dem Abiturzeugnis bewerben. Das Stipendium wird unabhängig vom Einkommen der Eltern oder dem des Studierenden gezahlt.
Übrigens werden zum Teil auch ehemalige Stipendiaten wieder zu Förderern. So wie Lea Beyling. Sie wurde von September 2016 bis Juni 2018 durch das Deutschlandstipendium gefördert. Neben den dafür vom Bund zur Verfügung gestellten Mitteln wurde das Stipendium durch die Sigi-und-Hans-MederStiftung gefördert. Sie unterstützt Kinder aus nicht-akademischen Familien, die Mint-Fächer studieren. „Für mich war die Förderung eine riesige Erleichterung, denn so konnte ich mich auf das Studium konzentrieren und musste nicht jobben. Zudem hatte ich Zeit für mein ehrenamtliches Engagement an der Hochschule. Dort war ich unter anderem im Fachschaftsrat, im Bereichsrat und auch im Studierendenparlament
tätig“, sagt Lea Beyling.
Ihre Mutter brachte sie auf die Idee, als Berufstätige nun selbst ein Deutschlandstipendium zu fördern. „So könne ich etwas weiterführen, von dem ich selbst profitiert habe“, schildert die 29-Jährige. Lea Beyling tat sich mit zwei ehemaligen Kommilitonen zusammen, mit denen sie an der Hochschule Wismar am Bereich Seefahrt studiert hatte. Lea Beyling hat nach dem Bachelor-Abschluss Nautik/Seeverkehr den Master „Operation and Management of Maritime Systems“angeschlossen. Heute arbeitet sie in der Untersuchungseinheit der Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung (BSU). Die BSU erfasst und untersucht Seeunfälle von Seeschiffen, die hinsichtlich der Flagge, des Unfallortes oder aus anderen Gründen deutsche Interessen berühren. Zuvor hatte die 29-Jährige drei Jahre als Nautische Offizierin auf einem Kreuzfahrtschiff angeheuert.
Lea Beyling hat sich damals bewusst für das Lebensmodell „zur See fahren“‘ entschieden. „Es ist ein spezielles Leben mit vielen Vorteilen, aber auch einigen Besonderheiten“, sagt die junge Frau. „Zu den Vorteilen gehört für mich unter anderem die besondere Arbeits- und Teamatmosphäre an Bord sowie jeden Tag an einem anderen Ort aufzuwachen. Und es gab viele Herausforderungen, die ich gerne angenommen habe, wie das Manövrieren des Schiffes in verschiedenen Häfen.“