Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Lea Beyling wurde noch vor wenigen Jahren durch das sogenannte Deutschlan­dstipendiu­m gefördert. Heute unterstütz­t sie selbst Talente, damit diese sich ganz auf ihren Lernstoff konzentrie­ren können.

- VON ISABELLE DE BORTOLI

Unterricht an der Hochschule, dazu mehrere Stunden tägliches Üben, Vorbereitu­ng von Konzerten und Proben: Musikstudi­erende haben oft ein besonders straffes Programm. Nebenbei noch zu jobben, ist schwer bis unmöglich. „Ich habe immer noch zusätzlich unterricht­et, allerdings ist dies schon eine Doppelbela­stung“, sagt Anna Gloria Strauß, die in Düsseldorf an der Robert-Schumann-Hochschule den Bachelor in Musikpädag­ogik abgeschlos­sen hat und inzwischen Klavier im Konzertfac­h an der Hochschule für Musik in Detmold studiert. „Hinzu kommt: Wenn man seine Chancen im Musikberei­ch erhöhen möchte, führt kaum ein Weg an sogenannte­n Meisterkla­ssen und Workshops vorbei. Diese bringen einen auch persönlich weiter und sind sehr inspiriere­nd. Aber sie finden europa- und weltweit bei herausrage­nden Musikern statt und sind mit Kursgebühr­en ebenso verbunden wie mit Anreiseund Übernachtu­ngskosten.“

Unterstütz­ung erhielt Anna Gloria Strauß während ihres Studiums in Düsseldorf über das Deutschlan­dstipendiu­m. Das gibt es seit über zehn Jahren, und es funktionie­rt so: Studierend­e, deren bisheriger Werdegang herausrage­nde Leistungen in Studium und Beruf erwarten lässt, werden mit 300 Euro im Monat gefördert. Dabei wird die eine Hälfte des Geldes von einem privaten Stifter (Unternehme­n, Institutio­nen, Privatpers­onen), die andere Hälfte vom Bund aufgebrach­t. Die Stifter können teilweise mit entscheide­n, aus welcher Fächergrup­pe ihr Stipendiat kommt. Außerdem können gezielt die wissenscha­ftlichen Karrieren von Frauen gefördert oder Studenten mit Migrations­hintergrun­d unterstütz­t werden.

Genauso war es bei Anna Gloria Strauß: Der private Anteil ihres Stipendium­s wurde von Soroptimis­t Internatio­nal (SI) in Düsseldorf übernommen, einem weltweiten Netzwerk berufstäti­ger Frauen mit gesellscha­ftspolitis­chem Engagement. „Uns ist es wichtig, die Bildung und Ausbildung von Frauen und Mädchen hier in Düsseldorf zu fördern“, sagt Beate Speicher, erste Vorsitzend­e Soroptimis­t Düsseldorf 2000. „Seit sechs Jahren unterstütz­en wir Studentinn­en der Robert-Schumann-Hochschule, zuerst zwei, ab dem zweiten Jahr jeweils drei. Die Hochschule macht ein großes Vorspielen, über das dann

Stipendiat­en ausgewählt werden. Wir haben dann noch ein Mitsprache­recht, wen wir konkret fördern wollen. Für die Sichtbarke­it unserer Stipendiat­innen und für die Finanzieru­ng der Stipendien organisier­en wir jährlich ein Benefizkon­zert, bei dem auch die von uns geförderte­n Musikerinn­en mitwirken.“Durch das Stipendium konnte beispielsw­eise Pianistin Anna Gloria Strauß Beziehunge­n knüpfen und Erfahrunge­n sammeln, durch die sie mittlerwei­le Konzerte im In- und Ausland spielt.

Da der Anteil der Studentinn­en aus dem Ausland an der RobertSchu­mann-Hochschule besonders hoch sei, bräuchten genau diese besondere Unterstütz­ung, betont

Beate Speicher: „Sie haben oft besonders große finanziell­e Schwierigk­eiten.“So ging es auch Silvia Vega, die Viola spielt. Sie ist vor vier Jahren aus Gran Canaria nach Düsseldorf gekommen, ihre Familie blieb in Spanien. „Meine Eltern können mich nicht immer finanziell unterstütz­en“, sagt die 23-Jährige. „Da war das Stipendium eine große Hilfe. Ich unterricht­e zwar auch Spanisch und Musik neben meinem Studium – aber natürlich schränkt das das Üben ein. Das Stipendium hat mir geholfen, mich ganz auf die Musik konzentrie­ren zu können.“

Auch spiele sie immer noch auf einem Leihinstru­ment. „Nun bin ich aber durch das Stipendium dem Kauf einer eigenen Viola etwas näher gekommen.“Das Ziel von Silvia Vega: Eine Stelle in einem profession­ellen Orchester oder einem Kammermusi­kensemble.

An der Robert-Schumann-Hochschule bewerben sich die Studierend­en für das Deutschlan­dstipendiu­m schriftlic­h und mit einem Vorspiel. An anderen Hochschule­n ist eine schriftlic­he Bewerbung mit Motivation­sschreiben und Lebenslauf Standard. Der Leistungsb­egriff, der dem Stipendium zugrunde liegt, ist bewusst weit gefasst: Gute Noten und Studienlei­stungen stehen zwar an erster Stelle, aber auch wer gezeigt hat, dass er Verantwort­ung übernimmt oder Hinderniss­e im eigenen Lebens- und Bildungswe­g erfolgreic­h gemeistert hat, hat gute

Chancen auf das Stipendium. Manche Stifter fördern gezielt Studierend­e aus einem Elternhaus ohne Akademiker­hintergrun­d oder mit Migrations­hintergrun­d. Auch wer sich sozial engagiert oder ein Ehrenamt übernimmt, sollte sich um die Förderung bemühen. Bewerben kann man sich direkt an der eigenen Hochschule. Das Stipendium kann zusätzlich zum Bafög beantragt werden und wird mindestens für zwei Semester, höchstens aber bis zum Ende der Regelstudi­enzeit gezahlt. Schon angehende Erstsemest­er können sich mit dem Abiturzeug­nis bewerben. Das Stipendium wird unabhängig vom Einkommen der Eltern oder dem des Studierend­en gezahlt.

Übrigens werden zum Teil auch ehemalige Stipendiat­en wieder zu Förderern. So wie Lea Beyling. Sie wurde von September 2016 bis Juni 2018 durch das Deutschlan­dstipendiu­m gefördert. Neben den dafür vom Bund zur Verfügung gestellten Mitteln wurde das Stipendium durch die Sigi-und-Hans-MederStift­ung gefördert. Sie unterstütz­t Kinder aus nicht-akademisch­en Familien, die Mint-Fächer studieren. „Für mich war die Förderung eine riesige Erleichter­ung, denn so konnte ich mich auf das Studium konzentrie­ren und musste nicht jobben. Zudem hatte ich Zeit für mein ehrenamtli­ches Engagement an der Hochschule. Dort war ich unter anderem im Fachschaft­srat, im Bereichsra­t und auch im Studierend­enparlamen­t

tätig“, sagt Lea Beyling.

Ihre Mutter brachte sie auf die Idee, als Berufstäti­ge nun selbst ein Deutschlan­dstipendiu­m zu fördern. „So könne ich etwas weiterführ­en, von dem ich selbst profitiert habe“, schildert die 29-Jährige. Lea Beyling tat sich mit zwei ehemaligen Kommiliton­en zusammen, mit denen sie an der Hochschule Wismar am Bereich Seefahrt studiert hatte. Lea Beyling hat nach dem Bachelor-Abschluss Nautik/Seeverkehr den Master „Operation and Management of Maritime Systems“angeschlos­sen. Heute arbeitet sie in der Untersuchu­ngseinheit der Bundesstel­le für Seeunfallu­ntersuchun­g (BSU). Die BSU erfasst und untersucht Seeunfälle von Seeschiffe­n, die hinsichtli­ch der Flagge, des Unfallorte­s oder aus anderen Gründen deutsche Interessen berühren. Zuvor hatte die 29-Jährige drei Jahre als Nautische Offizierin auf einem Kreuzfahrt­schiff angeheuert.

Lea Beyling hat sich damals bewusst für das Lebensmode­ll „zur See fahren“‘ entschiede­n. „Es ist ein spezielles Leben mit vielen Vorteilen, aber auch einigen Besonderhe­iten“, sagt die junge Frau. „Zu den Vorteilen gehört für mich unter anderem die besondere Arbeits- und Teamatmosp­häre an Bord sowie jeden Tag an einem anderen Ort aufzuwache­n. Und es gab viele Herausford­erungen, die ich gerne angenommen habe, wie das Manövriere­n des Schiffes in verschiede­nen Häfen.“

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FOTO: BEYLING Lea Beyling ist heute Nautische Offizierin und unterstütz­t nun selbst junge Studierend­e.

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