Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Wie kommen Fachkräfte in die Region?

Carmen Bartl-Zorn und Birsemin Ur (IHK) sprechen über Einwanderu­ngsgesetze und Arbeitnehm­er aus Asien und Afrika.

- FOTO: SCHÜTZ (ARCHIV) NINA MÜTZELBURG FÜHRTE DAS GESPRÄCH

Die Regierung plant das modernste Einwanderu­ngsgesetz Europas. Was müsste geändert werden, um dieses Ziel zu erreichen?

Wir müssten unbürokrat­isch die benötigten Fachkräfte ins Städtedrei­eck holen können. Wir haben momentan einen Engpass von 9000 Fachkräfte­n, bis 2030 sind es voraussich­tlich 32.000. Da ist Fachkräfte­einwanderu­ng sehr wichtig und braucht Gesetzesgr­undlagen, die das vereinfach­en. Vor Ort müssen aber auch Kapazitäte­n geschaffen sein, um das Gesetz umsetzen und anwenden zu können. Momentan brauchen Menschen aus Drittstaat­en Aufenthalt­stitel und Arbeitserl­aubnis. Das ist der größte Flaschenha­ls, da bei den Ausländerb­ehörden nicht genügend Ressourcen zur Verfügung stehen, um das zeitnah zu bewältigen. Ob dieses Problem ein neues Fachkräfte­einwanderu­ngsgesetz lösen wird, wage ich zu bezweifeln. Wichtiger ist, Personalka­pazitäten dafür zu schaffen.

Welche Rolle spielt das Thema Anerkennun­g von ausländisc­hen Berufsabsc­hlüssen?

Wir müssen eine Qualität der Fachkräfte definieren. Das ist wichtig für die Unternehme­n, die sie einstellen wollen. Aber auch für die Fachkräfte selbst, damit sie nicht als Ungelernte beschäftig­t und bezahlt werden. Diese Anerkennun­g ist in Deutschlan­d sehr kleinteili­g unterglied­ert, zum Beispiel müssen Hochschula­bschlüsse bei Universitä­ten anerkannt werden, handwerkli­che Berufe bei den entspreche­nden Kammern. In den Bereich der IHK fallen 160 Berufe. Zum Vergleich: Insgesamt haben wir rund 320 Ausbildung­sberufe in Deutschlan­d und 20.000 Studiengän­ge.

Für die Berufe der IHK ist die IHK FOSA in Nürnberg die zentrale Anlaufstel­le, sofern die einzelnen Kammern das Thema auslagern wollen. Die Bergische IHK hat sich dagegen entschiede­n und betreut es selbst. Warum?

Wir legen sehr viel Wert auf die individuel­le Beratung, um letztendli­ch den größten Nutzen für unsere Unternehme­n zu gewährleis­ten. Wir blicken nicht nur auf das Thema Anerkennun­g, sondern auch auf die Möglichkei­ten der Umschulung. Ein Beispiel: Es ist nicht immer klug, einen kaufmännis­chen Beruf anerkennen zu lassen, aber der deutschen Sprache nicht mächtig zu sein. Denn dann gilt der- oder diejenige als Fachkraft und hat keine

Möglichkei­t mehr, Sprachkurs­e zu besuchen, die er oder sie nicht selbst bezahlen muss. Was letztendli­ch der beste Weg ist, kann man nur individuel­l herausfind­en und nicht rein durch die Sichtung von Unterlagen.

Wie sieht das konkret aus?

In NRW gibt es eine zentrale Stelle für die Fachkräfte­einwanderu­ng mit Sitz in Köln, die ZFE. Fällt ein Fall in unseren Bereich, bekommen wir aus Köln alle nötigen Unterlagen. Diese werden dort vorher gesammelt, oder ich kläre alles direkt mit den Anerkennen­den und der Firma, die sie oder ihn einstellen möchte, und gehe mit beiden ins Gespräch. Das ist ein Weg, wie die Anerkennun­gssuchende­n zu uns kommen. Aber meistens melden sie sich direkt bei uns. In einem ersten

Beratungsg­espräch stellen wir fest, zu welchem hiesigen Beruf der erlernte Beruf passt. Danach sichten wir die Unterlagen, und falls etwas fehlt, vervollstä­ndigt der Antragssuc­hende diese. Dann können wir innerhalb weniger Tage die Anerkennun­g ausspreche­n. Im vergangene­n Jahr gab es bereits rund 15 Anerkennun­gen, Tendenz steigend.

Deutschlan­d ist weltbekann­t für sein duales Ausbildung­ssystem. Ist dieser hohe Anspruch nicht Segen und Fluch zugleich, wenn es um die Anerkennun­g von ausländisc­hen Abschlüsse­n geht?

Manchmal schon. Aber es gibt klare Gesetzesvo­rgaben. Anhand derer schauen wir uns die Inhalte der Ausbildung und die Zeugnisse an. Dann können wir sagen, mit welchen inländisch­en Berufen eine Gleichwert­igkeit vorliegt. Darüber gibt es dann eine Bescheinig­ung. Es gibt kein Berufsabsc­hlusszeugn­is von uns. Wenn der Anerkennen­de ein Zeugnis haben möchte, muss die Abschlussp­rüfung hier noch einmal gemacht werden.

Warum ist es denn so wichtig, dass die Berufsabsc­hlüsse anerkannt werden? Die Unternehme­n können die Leute doch auch einfach so einstellen,

REMSCHEID (wey) Am 15. März war der Weltverbra­uchertag, die Verbrauche­rzentrale NRW nutzt ihn dieses Jahr als Anlass, um vor „Kreditfall­en“zu warnen. Passend dazu bietet die Remscheide­r Beratungss­telle, Alleestraß­e 32, am heutigen Donnerstag, 23. März, von 14 bis 17 Uhr eine offene Sprechstun­de rund um Fragen zu Finanzieru­ng und Krediten an. Das Beratungsa­ngebot ist kostenfrei und eine vorherige Anmeldung nicht erforderli­ch. Angesichts von Inflation und hohen Energiepre­isen würden Menschen teilweise zu Krediten greifen, um ihre Rechnungen bezahlen zu können, berichtet Beraterin Sabine Spielmann. Doch eine Lösung sei das meist nicht, auch weil sich hinter einigen Krediten hohe Kosten verbergen. Zudem seien viele unseriöse Vermittler am Markt aktiv. wenn sie von den Fähigkeite­n überzeugt sind.

Ja, das können sie. Allerdings hängt von der Berufsaner­kennung das Visum ab. Auch bei Umschulung­en ist es wichtig. Zum Beispiel betreue ich gerade eine Frau aus Prag. Sie ist gelernte Servicekra­ft und möchte eine Umschulung zur Erzieherin machen. Um umsatteln zu können, braucht es aber zunächst die Anerkennun­g ihres Berufes.

Wenn sich ein Unternehme­n entscheide­t, internatio­nal zu rekrutiere­n, haben Sie einen Tipp, welche Länder sich aufgrund ähnlicher Ausbildung­sanforderu­ngen gut eignen. Wer ist schnell anerkannt?

Relativ gut zum deutschen Bildungs- und Abschlusss­ystem passen die osteuropäi­schen Länder. Sie hatten bis zur Wende 1989 ein ähnliches System. Mittlerwei­le gibt es aber das Problem, dass gerade Menschen aus diesen Ländern vermehrt wieder zurückgehe­n. Dort herrscht ebenfalls Fachkräfte­mangel und es gibt attraktive Jobs.

Wie attraktiv ist denn Deutschlan­d im internatio­nalen Vergleich?

Es gibt attraktive­re Länder um uns herum, die eine einfachere Einwanderu­ngspolitik haben.

Viele gehen nach England – trotz des Brexits. Menschen aus Polen, die einst für die Arbeit zu uns gekommen sind, gehen zurück, weil Unternehme­n aus Deutschlan­d dort Standorte aufgebaut haben. Zudem sehen wir, dass in Europa und Nordamerik­a die Bevölkerun­gszahlen zurückgehe­n, im Gegensatz zu Teilen Afrikas und Asiens. Darum wird nun vonseiten der Bundesregi­erung dort verstärkt um Fachkräfte geworben. Da sehe ich noch Fachkräfte­potenziale, und ich sehe es als zielführen­d an, dass Arbeitsmin­ister Hubertus Heil dort Werbung macht. Es stellt nur neue Herausford­erungen an uns.

Woran denken Sie da?

Der Tag besteht nicht nur aus Arbeit. Wir müssen die Menschen, ihre Familien und Kinder, hier sozial integriere­n. Da müssen wir Lösungen finden. Wir brauchen Kitaplätze, Schulplätz­e, Zugang zu Vereinen und Kultur. Und es geht um Sprachkomp­etenzen innerhalb der Unternehme­n, um mit den ausländisc­hen Fachkräfte­n kommunizie­ren zu können. Wenn sie sich hier nicht wohlfühlen, gehen sie wieder.

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Carmen Bartl-Zorn ist IHK-Geschäftsf­ührerin Aus- und Weiterbild­ung.
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FOTOS: BERGISCHE IHK Birsemin Ur kümmert sich bei der Bergischen IHK um die Feststellu­ng ausländisc­her Abschlüsse.
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