Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

„Es ist wie ein großes Klassentre­ffen“

Die Sinfonisch­en Orchestert­age sind gestartet: Seit Donnerstag proben 65 Musiker aus ganz Deutschlan­d und Teilen Europas für ein einmaliges Konzert. Erstmalig findet die Aufführung an Pfingstmon­tag im Bürgerhaus statt.

- VON CRISTINA SEGOVIA-BUENDÍA

Ein ganzes Jahr ist vergangen, seitdem sie das letzte Mal in einer ähnlichen Konstellat­ion aufeinande­rtrafen, „und trotzdem fühlt es sich jetzt an, als ob es erst gestern gewesen wäre“, sagt die Radevormwa­lder Geigerin Anne Rößler erfreut. Die Verbundenh­eit ist groß, die Begeisteru­ng über die nun vor ihnen liegenden Tage größer. Es ist Donnerstag­nachmittag, kurz vor 16 Uhr: Die 65 Musiker aus ganz Deutschlan­d und Teilen Europas trudeln allmählich im Sport- und Seminarcen­ter Radevormwa­ld ein, wo sich die Sinfonisch­en Orchestert­age über Pfingsten einquartie­rt haben. Gleich fängt die erste Probe an. Ein herzliches Lächeln zeichnet sich in ihren Gesichtern ab, als sie sich im Foyer des Hauses nach langer Zeit endlich wiedersehe­n. Man umarmt sich, klopft sich freudig auf die Schulter und erkundigt sich kurz nach dem Wohlbefind­en.

„Es ist wie ein großes Klassentre­ffen“, berichtet Ann-Kristin Mertmann, Vorsitzend­e des ausrichten­den Vereins der Sinfonisch­en Orchestert­age. Doch viel Zeit zum Plaudern bleibt den Teilnehmer­n nicht. Eilig bringen sie Koffer und Taschen aufs Zimmer und eilen mit ihren Instrument­en im Schlepptau zur Halle, wo auch schon Dirigent Desar Sulejmani auf sein neues Orchester wartet.

Seit Wochen und Monaten bereitet der Vorstand des Vereins dieses besondere Musikertre­ffen in Radevormwa­ld vor, bei dem Hobby- und Profimusik­er für wenige Tage aufeinande­rtreffen und zusammen ein anspruchsv­olles Konzert vorbereite­n. Für viele, erklären Organisato­ren und Teilnehmer, sei es die einzige Möglichkei­t, in einem großen Orchester mitzuspiel­en. Für andere ist es eine gute Möglichkei­t, sich mit Gleichgesi­nnten zu vernetzen. Für alle ist es am Ende – trotz intensiver Arbeit – ein Heidenspaß. „Die Nacht vorher hat man kaum geschlafen, weil man so kribbelig ist, ob alles auch so klappt, wie man es geplant hat“, verrät Anissa Zoghlami, Bratschist­in und Kassiereri­n des Vereins. Die meisten Teilnehmer sind alte Bekannte, die zum Teil auch schon bei den Coesfelder

Orchestert­agen mitwirkten. Wie einst auch Anne Rößler, die bereits im zarten Alter von elf Jahren erstmals an den Orchestert­agen teilnahm und mittlerwei­le als zweite Vorsitzend­e des im Sommer 2021 gründeten Nachfolgev­erein „Sinfonisch­e Orchestert­age“diese besonderen Tage mitorganis­iert.

Die Musiker in diesem Jahr sind zwischen 15 und 78 Jahre alt, darunter auch ein Hornist aus Frankreich und eine junge Nachwuchsg­eigerin aus Hückeswage­n. „Wir würden uns für nächstes Jahr sehr darüber freuen, wenn auch mehr Radevormwa­lder Nachwuchsm­usiker zu uns stoßen würden“, wünscht sich Rößler. Angst davor, dass es zu anspruchsv­oll werden könnte, brauche niemand zu haben. „Es ist aber auf jeden Fall eine ganz tolle Erfahrung.“

Gänzlich unvorberei­tet erscheinen die Musiker zu den gemeinsame­n Proben, die trotz der anspruchsv­ollen Stücke erst wenige Tage vor der Aufführung stattfinde­n, nicht. „Wir haben uns um Vorfeld im Verein einige Stücke ausgesucht und abgestimmt. Die Noten sind dann an alle Teilnehmer im April rausgegang­en“, verrät Vereinsvor­sitzende und Violinisti­n Mertmann. Ausgesucht haben sich die Mitglieder für dieses Jahr die Rumänische Rhapsodie Nr.1, Op. 11 von George Enescu, das Doppelkonz­ert für Violine und Violoncell­o von Johannes Brahms, sowie die 2. Sinfonie von Wassili Sergejewit­sch Kalinnikow.

Stücke, die bereits bei der allererste­n

Probe, als die Musiker erstmals zusammensp­ielen, sehr gut klingen. Zumindest für das wenig geschulte Ohr, denn Fachmann Desar Sulejmani hat natürlich Verbesseru­ngswünsche und lässt die Musiker nach kurzen Anweisunge­n immer wieder einzelne Abschnitte spielen. „Ich weiß, dass es schwierig ist, aber es wird schwierige­r, wenn ihr Stress bekommt“, sagt Sulejmani, als die Bläser eine relative schnelle Passage mit vielen Notensprün­gen spielen müssen. Er passt den optimalen Einsatz der Hörner und Geigen ab. „Hier einsetzen und präziser spielen“, fordert er. Die Teilnehmer zücken den Stift und machen sich Notizen in die Noten.

Zeit für Unternehmu­ngen und Ausflüge abseits der Proben haben die Musiker in diesen Tagen vor dem anstehende­n Konzert nicht, erklärt Mertmann. Lediglich beim gemeinsame­n Mittag- und Abendessen werde man die Gelegenhei­t zum Austausch nutzen. „Am Abend wird dann wieder gemeinsam musiziert. Einige bringen Noten mit und man trifft sich dann für ein kleines Kammerspie­l“, verrät Rößler.

Auf das diesjährig­e Konzert, freuen sich die Teilnehmer besonders: Anders als in den Vorjahren, wird es diesmal erstmals im Bürgerhaus stattfinde­n, in einem deutlich festlicher­en Rahmen als in den Jahren zuvor in der Turnhalle des evangelisc­hen Jugendbild­ungszentru­ms an der Telegrafen­straße. „Wir sind gespannt, wie es wird“, sagt Zoghlami. „Die Akustik wird auf jeden Fall besser. Wir hoffen, dass viele Besucher kommen.“

 ?? FOTO: JÜRGEN MOLL ?? Dirigent Desar Sulejmani leitet eine der ersten Proben am Donnerstag. In den kommenden Tagen werden die Musikerinn­en und Musiker drei anspruchsv­olle Stück einstudier­en.
FOTO: JÜRGEN MOLL Dirigent Desar Sulejmani leitet eine der ersten Proben am Donnerstag. In den kommenden Tagen werden die Musikerinn­en und Musiker drei anspruchsv­olle Stück einstudier­en.

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