Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Eine Luftbrücke als Machtprobe
Luftbrücken lindern in verzweifelter Lage humanitäre Not. Sie sind ein Zeichen an die Zivilbevölkerung, dass die Welt sie nicht vergessen hat. Aber sie sind immer auch Machtproben: Nationen von außerhalb mischen sich ein, protestieren gegen eine Blockade, setzen auf Zeit – und die Wirkung von Bildern. Das war schon bei der Luftbrücke 1948 für West-Berlin so. Die USA boten der Sowjetunion über viele Monate die Stirn. Wenn die USA sich nun wieder an einer Luftbrücke beteiligen, wecken sie Assoziationen. Sie treten erneut als Retter auf – und drängen Israel im Krieg der Bilder und Narrative in eine negativ besetzte Rolle. Dass Israel überfallen wurde und weiter um die Geiseln in Gaza bangen muss, tritt in den Hintergrund, wenn der wichtigste Verbündete eine Luftbrücke nach Gaza baut.
Allerdings wenden sich die USA damit nicht plötzlich gegen Israel. Die Machtprobe hat einen Adressaten: den rechtspopulistischen Chef des Kriegskabinetts, Benjamin Netanjahu, und die extremen Kräfte, die ihn weiter stützen. Ägypten, Katar und die USA bemühen sich intensiv um eine Verhandlungslösung zwischen den Terroristen der Hamas und Israel, damit endlich israelische Geiseln freikommen, eine Feuerpause während des Fastenmonats Ramadan möglich wird und mehr Hilfsgüter nach Gaza gelangen. Der Rahmen ist gesteckt, der Durchbruch bleibt aus. Mahnungen der Verbündeten verhallen, ebenso die wachsenden Proteste der Bevölkerung in Israel. Nun lassen die USA Hilfspakete vom Himmel fallen, weil das große Leid in Gaza danach verlangt. Aber auch um Druck aufzubauen. Und um sich von Netanjahu und seiner Weiter-so-Kriegspolitik zu distanzieren. US-Präsident Joe Biden steht im Wahlkampf, kritische Stimmen mehren sich auch in den USA. Man kann nur hoffen, dass der wachsende Druck am Ende den Schwächsten zugutekommt: den Geiseln und den Zivilisten.