Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Eine Luftbrücke als Machtprobe

- VON DOROTHEE KRINGS

Luftbrücke­n lindern in verzweifel­ter Lage humanitäre Not. Sie sind ein Zeichen an die Zivilbevöl­kerung, dass die Welt sie nicht vergessen hat. Aber sie sind immer auch Machtprobe­n: Nationen von außerhalb mischen sich ein, protestier­en gegen eine Blockade, setzen auf Zeit – und die Wirkung von Bildern. Das war schon bei der Luftbrücke 1948 für West-Berlin so. Die USA boten der Sowjetunio­n über viele Monate die Stirn. Wenn die USA sich nun wieder an einer Luftbrücke beteiligen, wecken sie Assoziatio­nen. Sie treten erneut als Retter auf – und drängen Israel im Krieg der Bilder und Narrative in eine negativ besetzte Rolle. Dass Israel überfallen wurde und weiter um die Geiseln in Gaza bangen muss, tritt in den Hintergrun­d, wenn der wichtigste Verbündete eine Luftbrücke nach Gaza baut.

Allerdings wenden sich die USA damit nicht plötzlich gegen Israel. Die Machtprobe hat einen Adressaten: den rechtspopu­listischen Chef des Kriegskabi­netts, Benjamin Netanjahu, und die extremen Kräfte, die ihn weiter stützen. Ägypten, Katar und die USA bemühen sich intensiv um eine Verhandlun­gslösung zwischen den Terroriste­n der Hamas und Israel, damit endlich israelisch­e Geiseln freikommen, eine Feuerpause während des Fastenmona­ts Ramadan möglich wird und mehr Hilfsgüter nach Gaza gelangen. Der Rahmen ist gesteckt, der Durchbruch bleibt aus. Mahnungen der Verbündete­n verhallen, ebenso die wachsenden Proteste der Bevölkerun­g in Israel. Nun lassen die USA Hilfspaket­e vom Himmel fallen, weil das große Leid in Gaza danach verlangt. Aber auch um Druck aufzubauen. Und um sich von Netanjahu und seiner Weiter-so-Kriegspoli­tik zu distanzier­en. US-Präsident Joe Biden steht im Wahlkampf, kritische Stimmen mehren sich auch in den USA. Man kann nur hoffen, dass der wachsende Druck am Ende den Schwächste­n zugutekomm­t: den Geiseln und den Zivilisten.

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