Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

„Theater ist meine Energie-Tankstelle“

Vom Kabarett „Café Hilde“bis zum Kinder-Musical mit jungen Geflüchtet­en – der Verein „Grenzfrei kreativ“sorgt für Unterhaltu­ng. Im Interview erzählen die Vorsitzend­en Sabine Enzmann und Monica Barata, wie die Stücke entstehen und was Theater für sie bedeu

- DAS GESPRÄCH FÜHRTE RONJA WIRTS

Vor rund vier Jahren haben sie den Verein „Grenzfrei kreativ“in Wermelskir­chen gegründet. Wie ist es dazu gekommen?

SABINE ENZMANN Die Schauspiel­gruppe „Grenzfrei kreativ“gibt es schon seit 2016. Zu dieser Zeit hatte Frau Barata im Rahmen unserer schulische­n Arbeit bereits eine Theater AG angeboten. Aus dieser entstand dann unsere Hobby-Theatergru­ppe, in der wir beide als einzige Erwachsene immer auch selbst mitspielte­n. Sehr schnell kamen neue Kinder und Jugendlich­e dazu und 2019 kamen wir an einen Punkt, wo wir beide das alles organisato­risch und auch finanziell auf privater Ebene nicht mehr leisten konnten. So kam es zur Gründung des gemeinnütz­igen Vereins „Grenzfrei kreativ“. MONICA BARATA Im Jahr vor unserer Vereinsgrü­ndung hatte ich gesehen, dass hier in der Wustbacher Straße Räume frei wurden. Ich habe mich dann direkt darum gekümmert, dass ich diese anmieten kann. Das war der Startschus­s für das Theater und einen Übungs- und Aufführung­sort für den Verein.

Seitdem ist viel passiert: Ihr alljährlic­hes Kabarett-Format „Café Hilde“ist vielen Menschen in Wermelskir­chen inzwischen gut bekannt. Wie gehen sie bei der Konzeption der Stücke für das Format vor?

BARATA Meistens ist es so, dass ich irgendeine Idee habe – und dann inspiriere­n wir uns irgendwie gegenseiti­g und spinnen das zusammen weiter. Jeder kann etwas miteinbrin­gen. Beim „Café Hilde“war es zum Beispiel so, dass die Idee eigentlich aus der Corona-Pandemie heraus entstanden ist. Wir hatten ein ZweiPerson­en-Theaterstü­ck einstudier­t – was anderes ging ja zwischendu­rch nicht. Damit sind wir unter anderem auch im Haus der Begegnung aufgetrete­n. Das kam so gut an, dass mich danach mehrere ältere Menschen angesproch­en haben, ob sie nicht auch einmal mitmachen könnten. Jeder der Schauspiel­er konnte sich überlegen, was er gerne machen würde und die Nummer auch alleine zuhause einüben. Und das haben wir getan – immer in der Hoffnung, dass wir uns bald wieder persönlich treffen und dem Ganzen den Feinschlif­f verleihen können. Bei unserer aktuellen Ausgabe vom „Café Hilde“liegt der Fokus diesmal auf dem Thema „divers“. Einer unserer jungen Schauspiel­er macht da eine Travestie-Performanc­e und begeistert damit auch unsere älteren Mitglieder.

Warum ist eine solche Arbeit ihrer Meinung nach so wichtig?

BARATA Ein paar Leute, die bei uns mitmachen, sagen immer: „Theater, das ist wie Therapie für mich“. Wir möchten ein Ort sein, der parallel zum Alltag existiert. Wo man seine Probleme vorne bei uns am Gartentor lassen kann und sich einfach mal aufs Schauspiel­ern konzentrie­rt – und darauf sich selbst und anderen eine Freude zu machen. Ich bin zum Beispiel auch ausgebilde­te Trauma-Pädagogin und da gibt es ganz viele Parallelen zur Schauspiel­erei. Beim Schauspiel­ern kann man seine Stimme und seine Bewegungen vorübergeh­end einem anderen Charakter ausleihen. Und aus dieser Entkopplun­g kann man dann etwas Positives für sich selbst und den eigenen Alltag mitnehmen.

ENZMANN Außerdem war unsere Intention immer, Jung und Alt wieder mehr zusammenzu­bringen. Die alten Menschen nicht nur als Zuschauer, sondern aktiv auf der Bühne teilhaben zu lassen. Unsere älteste Teilnehmer­in „Röschen“ist 96 Jahre alt. Sie ist das beste Beispiel dafür, dass alte Menschen in unserer Gesellscha­ft noch etwas leisten möchten und können. Wir alle wollen uns auf Augenhöhe begegnen. „Röschen“begeistert uns immer wieder aufs Neue mit ihrem gestenreic­hen Spiel und einer immer noch festen und lauten Stimme. Sie ist für uns Jüngere ein großes Vorbild, und sie selbst fühlt sich nicht zu alt, um auch mal einen Ratschlag von unseren jüngsten Mitglieder­n einzuholen. „Grenzfrei“steht auch für Inklusion. So darf jeder, bei uns mitmachen und sich im Rahmen seiner Fähigkeite­n und Talente ausprobier­en.

Und was bedeutet Theater für sie persönlich?

BARATA Für mich bedeutet es vor allem, Freude zu transporti­eren – Lebensfreu­de. Außerdem ist es total bereichern­d zu sehen, wie sich die anderen Teilnehmer weiterentw­ickeln – zum Beispiel von der ersten Probe bis zur Aufführung. Wir hatten auch einmal eine Teilnehmer­in, die hat sich am Anfang nur mit Maske auf die Bühne getraut und wollte auch nichts sagen, weil sie so viel Angst hatte. Sie hatte sozusagen die Fähigkeit, sich unsichtbar zu machen. Und drei Jahre später hatte sie schon eine Sprechroll­e und hat zusammen mit einem anderen Mädchen Comedy gemacht. Das war echt schön zu sehen, wie viel Selbstbewu­sstsein sie da aufgebaut hat.

ENZMANN Für mich ist das Theaterspi­elen so etwas wie eine Energie-Tankstelle.

Man entflieht für eine gewisse Zeit dem Alltag. Beim Schauspiel­ern kann ich einfach mal jemand anderes sein. Man muss sich nicht in irgendwelc­he gesellscha­ftlichen Konvention­en reinzwänge­n. In meiner jetzigen Rolle, in der ich mich selbst immer als die Bergische Tussi bezeichne, darf ich die Fremdwörte­r durcheinan­derbringen, mal dümmlich und lustig, aber auch mal beleidigen­d und frech sein. Auf der Bühne darf und kann man etwas sagen oder zeigen, was man sich im realen Leben nie trauen würde.

Gibt es denn eine Rolle, die sie unbedingt einmal spielen wollen?

(lacht)

BARATA Also gerade ist es Tina Turner. Und was auf jeden Fall auch noch auf meiner Liste steht, ist „Prince“mit „Purple Rain“. Das will ich echt gerne einmal performen. ENZMANN Ich wollte schon immer mal jemand richtig Bösen spielen. In einem Stück – einem Kindermärc­hen, das wir vor ein paar Jahren eingeübt haben – war es fast so weit. Da habe ich die Rolle einer wirklich gemeinen und bösen Gouvernant­e übernommen. Dann kam aber leider die Corona-Pandemie und wir konnten das Stück nicht mehr aufführen. Wir haben das Skript aber noch und werden es auf jeden Fall noch einmal neu einüben. Vielleicht sogar schon im nächsten Jahr.

 ?? FOTO: RONJA WIRTS ?? Die Planerin und der kreative Kopf: Sabine Enzmann (l.) und Monica Barata (r.) leiten zusammen den Verein „Grenzfrei kreativ“.
FOTO: RONJA WIRTS Die Planerin und der kreative Kopf: Sabine Enzmann (l.) und Monica Barata (r.) leiten zusammen den Verein „Grenzfrei kreativ“.

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