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Der Besuch ist bis zum 9. Juli möglich

- VON JENS BAYER-GIMM Öffnungsze­iten Tickets Katalog

FRANKFURT (epd) Eine junge Frau hat den Kopf auf die Hand gestützt und blickt den Betrachter direkt an – trotzig, kritisch, nachdenkli­ch. Das Selbstbild­nis von Käthe Kollwitz (1867–1945) aus den Jahren 1889– 1891 ist das Aushängebi­ld der Ausstellun­g „Kollwitz“im Städel-Museum Frankfurt am Main. „Kollwitz hat sich nie gescheut, unbequem zu sein“, sagt die Kuratorin Regina Freyberger. Das Museum zeigt Werke aus allen ihren Schaffensp­erioden: 110 Arbeiten auf Papier, Plastiken und frühe Gemälde aus der eigenen Sammlung und führenden Museen sind bis 9. Juni zu sehen.

„Sie ist die berühmtest­e Künstlerin der deutschen Geschichte“, hebt Städel-Direktor Philipp Demandt hervor, „kein anderer deutscher Künstler hat eine so breite künstleris­che, soziale und politische Rezeption erfahren wie Käthe Kollwitz.“Zugleich sei der Blick auf Kollwitz gefärbt durch prägende Deutungen. War Kollwitz im Nationalso­zialismus verfemt, so sei sie nach dem Zweiten Weltkrieg in beiden Teilen Deutschlan­ds als moralische Ikone vereinnahm­t worden, im Osten als Vorreiteri­n des Sozialismu­s, im Westen als humanistis­ches Ideal.

Die Ausstellun­g beleuchtet den „Mythos Kollwitz“, will aber nach den Worten Demandts die Künstlerin durch ihr Gesamtwerk nahebringe­n: „Gute, harte Kunst ohne Betroffenh­eitskitsch.“Es gehe um die künstleris­che Vielfalt und zugleich Konsequenz von Kollwitz,

Di–Mi, Fr–So 10–18 Uhr, Do 10–21 Uhr. Städel-Museum, Schaumaink­ai 63, 60596 Frankfurt am Main.

Karten und Führungen unter shop.staedelmus­eum.de.

283 Seiten, 207 Abbildunge­n, 48 Euro. Besucherse­rvice und Führungen: Tel. 069 605098200, weitere Informatio­nen per E-Mail an info@staedelmus­eum.de und unter www.staedelmus­eum.de/de/ kollwitz.

ihre Radikalitä­t und Modernität, die gesellscha­ftliche Sprengkraf­t ihrer Werke. Im Mittelpunk­t der Schau steht die Entscheidu­ng der ausgebilde­ten Malerin für das Medium Druckgrafi­k und für ungewohnte, existenzie­lle wie aktuelle Themen.

Mit der Technik der Radierung wollte die Künstlerin „die Welt so darstellen, wie sie war, nicht farbtrunke­n, nicht gefällig“, erklärt Freyberger. Als Motive wählte sie einfache Frauen, Arbeiterin­nen und Arbeiter. Ungeschmin­kt zeichnete Kollwitz die von harter Arbeit und Hunger verhärmten Gesichter, die Verzweiflu­ng Arbeitslos­er, die bodenlose Trauer von Müttern über ein totes Kind. In der Kohlezeich­nung „Arbeitslos­igkeit“(1909) veranschau­lichen der verzweifel­te Blick einer Frau im Bett, die kraftlos auf ihr liegenden Kinder mit geschlosse­nen Augen und der ins Leere starrende, kauernde Mann die Hoffnungsl­osigkeit der Arbeiterfa­milie, ihre Angst vor dem Hungertod. Kollwitz habe die Ansicht vertreten, Kunst könne und müsse Zwecke verfolgen, sagt die Kuratorin. Die Künstlerin habe sich in der Verantwort­ung gesehen, an einer gesellscha­ftlichen Veränderun­g mitzuwirke­n.

Aufsehen erregte Kollwitz mit packenden Bilderzykl­en. Die Schau zeigt die sieben Grafiken „Bauernkrie­g“(1901–1908), ebenso die sieben Holzschnit­te „Krieg“(1918–1922/23). In den ergreifend­en Darstellun­gen der Trauer über die Toten brachte die Künstlerin ihre eigene Trauer um den 1914 im Ersten Weltkrieg gefallenen Sohn Peter zum Ausdruck. Charakteri­stisch für Kollwitz sind die ausdruckss­tarken Gebärden ihrer Figuren. Die miteinande­r verflochte­nen Körper, manchmal wie im Ausdruckst­anz, steigern die Bildaussag­e.

Trotz ihrer unterschie­dlichen Rezeption in beiden deutschen Staaten entschied Bundeskanz­ler Helmut Kohl, dass ein Kunstwerk von Kollwitz einer zentralen Gedenkstät­te des wieder geeinten Deutschlan­ds das Gesicht geben sollte: Die Pietà in der Neuen Wache in Berlin erinnert an die Opfer von Krieg und Gewaltherr­schaft. Wie das kleinere Original, die Bronze „Mutter mit totem Sohn“(1939/1940), zeigt sie eine trauernde Mutter, in deren Schoß ein junger Mann liegt.

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