Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Auch Remscheid ist nicht vor Obdachlosigkeit gefeit
In Remscheid ist man durchaus stolz darauf, ein gutes Auffangbecken für Menschen aus prekären Verhältnissen zu bieten. Doch durch die wachsende Wohnungsnot könnten auch hier bald Menschen auf der Straße leben.
REMSCHEID Könnten bald auch auf den Remscheider Straßen Obdachlose leben? Für die Remscheider SPD, Grünen und die FDP steht diese Frage zumindest im Raum. Deshalb legen sie für den kommenden Sozialausschuss einen Prüfantrag vor, der die Wohnsituation von mittellosen Menschen verbessern soll.
„Aufgrund der aktuellen wohnraumpolitischen Situation können wir absehen, dass aufgrund der immer knapper werdenden Wohnungen auch Remscheid nicht vor sichtbarer Obdachlosigkeit gefeit ist“, sagt Frank Nitzsche, Sprecher der Grünen-Fraktion für Soziales. Er habe den Anstoß für den Antrag gegeben, wie die Beteiligten berichten. „Wenn Dinge knapp werden, leiden zuerst die Ärmsten darunter. Dem möchten wir zuvorkommen und das gute Angebot, das Remscheid derzeit hat, weiter ausbauen“, so Nitzsche.
Denn derzeit gibt es seiner Ansicht nach keine sichtbare Obdachlosigkeit in der Stadt, weil Menschen in prekären Verhältnissen durch ein gut vernetztes Hilfsangebot verschiedener Ansprechpartner aufgefangen werden. Einen großen Anteil daran hat ihm zufolge die Einrichtung in der Schüttendelle. „Das ist ein gutes Angebot, aber etwas in die Jahre gekommen.“Die ErsthilfeEinrichtung bietet Menschen einen kurzzeitigen Schlafplatz sowie Beratungsangebote. „Es wäre gut, wenn wir den Zugang zu diesen Angeboten weiter verbessern und individueller auf die Lebensumstände der Betroffenen eingehen könnten“, erläutert Nitzsche. Knackpunkte seien hier etwa, dass Männer und Frauen in einem gemeinsamen Schlafsaal untergebracht seien und es wenig Rückzugsmöglichkeiten für Beratungen gebe. „Man darf auch keine Hunde mitnehmen. Und die Wohnungslosen haben teilweise auch Angst, von den anderen bestohlen zu werden“, sagt Nitzsche. Zudem sei die Einrichtung sanierungsbedürftig.
Auch Daniel Pilz (SPD) bekräftigt: „Die Unterkunft an der Schüttendelle ist nicht mehr auf dem aktuellen Stand.“Seiner Ansicht nach führt die stetig wachsende Wohnungsknappheit dazu, dass immer weniger Menschen ein Zuhause finden. „Wir müssen bauen, bauen, bauen“, sagt er dazu – trotz steigender Baukosten. „Wir müssen ins Land und in den Bund für die entsprechenden Förderungen schauen.“Auch er hält die Schüttendelle für ein gutes Angebot,
betont aber auch, dass sie nicht auf einem zeitgemäßen Stand sei und es wenig Privatsphäre für Beratungen gebe.
Im Sozialdezernat reagiert man positiv auf den Antrag. „Die Ausgangssituation in Remscheid war definitiv mal besser“, sagt Sozialdezernent Thomas Neuhaus: „In Remscheid ist der Wohnungsmarkt zwar nicht so angespannt wie in vielen anderen Großstädten. Aber auch hier steigt der Druck.“Was den Zustand der Hilfsangebote für Wohnungslose angeht, stimmt Neuhaus den politischen Antragstellern zu: „Die Schüttendelle könnte noch etwas schöner und zeitgemäßer werden.“
Besonders hinsichtlich der Sozialplanung der kommenden Jahre sei davon auszugehen, dass sich die Wohnungsnot in Remscheid weiter verschärfen werde. Neuhaus: „Wir erwarten ein Bevölkerungswachstum. Dementsprechend halte ich es für richtig, das Thema jetzt anzustoßen. Auch, wenn es jetzt vielleicht noch nicht akut erscheinen mag.“Vorstellen kann sich der Dezernent auch, auf längere Sicht neu für dieses Vorhaben zu bauen.
Die aktuelle Not Wohnungsloser verschärft sich potenziell zusätzlich, wenn private Einrichtungen wie die Pension Dreßen nicht oder nur eingeschränkt arbeiten können. In dem Gebäudekomplex an der Neuenkamper Straße kamen lange Zeit mittellose Menschen aus prekären Verhältnissen unter, die drohten, in die Obdachlosigkeit zu rutschen. Doch seit im Dezember 2023 in einem der Häuser ein Feuer wütete, ist das laut Aussagen aus dem Umfeld des Betreibers nicht mehr möglich: „Es wurde zwar sauber gemacht. Die Stadt verlangt jetzt allerdings ein neues Brandschutzkonzept. Bis wir das aufgestellt haben, geht es nicht weiter.“
Auch die Caritas bestätigt auf Anfrage: Die Situation der Wohnungslosen, die ein Angebot des Wohlfahrtsverbands in Anspruch nehmen, verschlechtere sich zusehends. Frank Gärtner, zweiter Vorsitzender des Remscheider Verbands, befürwortet den Antrag der Grünen, SPD und der FDP ausdrücklich: „Wir können vonseiten der Caritas bestätigen, dass zumindest mehr unserer Beratungsmöglichkeiten für Wohnungslose in Anspruch genommen wurden. Ob das faktisch auch bedeutet, dass es mehr Wohnungslose gibt, können wir nicht sagen. Neuen Wohnraum zu schaffen ist perspektivisch aber sicherlich sehr zu begrüßen.“