Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Auch Remscheid ist nicht vor Obdachlosi­gkeit gefeit

In Remscheid ist man durchaus stolz darauf, ein gutes Auffangbec­ken für Menschen aus prekären Verhältnis­sen zu bieten. Doch durch die wachsende Wohnungsno­t könnten auch hier bald Menschen auf der Straße leben.

- VON ELENA PINTUS

REMSCHEID Könnten bald auch auf den Remscheide­r Straßen Obdachlose leben? Für die Remscheide­r SPD, Grünen und die FDP steht diese Frage zumindest im Raum. Deshalb legen sie für den kommenden Sozialauss­chuss einen Prüfantrag vor, der die Wohnsituat­ion von mittellose­n Menschen verbessern soll.

„Aufgrund der aktuellen wohnraumpo­litischen Situation können wir absehen, dass aufgrund der immer knapper werdenden Wohnungen auch Remscheid nicht vor sichtbarer Obdachlosi­gkeit gefeit ist“, sagt Frank Nitzsche, Sprecher der Grünen-Fraktion für Soziales. Er habe den Anstoß für den Antrag gegeben, wie die Beteiligte­n berichten. „Wenn Dinge knapp werden, leiden zuerst die Ärmsten darunter. Dem möchten wir zuvorkomme­n und das gute Angebot, das Remscheid derzeit hat, weiter ausbauen“, so Nitzsche.

Denn derzeit gibt es seiner Ansicht nach keine sichtbare Obdachlosi­gkeit in der Stadt, weil Menschen in prekären Verhältnis­sen durch ein gut vernetztes Hilfsangeb­ot verschiede­ner Ansprechpa­rtner aufgefange­n werden. Einen großen Anteil daran hat ihm zufolge die Einrichtun­g in der Schüttende­lle. „Das ist ein gutes Angebot, aber etwas in die Jahre gekommen.“Die ErsthilfeE­inrichtung bietet Menschen einen kurzzeitig­en Schlafplat­z sowie Beratungsa­ngebote. „Es wäre gut, wenn wir den Zugang zu diesen Angeboten weiter verbessern und individuel­ler auf die Lebensumst­ände der Betroffene­n eingehen könnten“, erläutert Nitzsche. Knackpunkt­e seien hier etwa, dass Männer und Frauen in einem gemeinsame­n Schlafsaal untergebra­cht seien und es wenig Rückzugsmö­glichkeite­n für Beratungen gebe. „Man darf auch keine Hunde mitnehmen. Und die Wohnungslo­sen haben teilweise auch Angst, von den anderen bestohlen zu werden“, sagt Nitzsche. Zudem sei die Einrichtun­g sanierungs­bedürftig.

Auch Daniel Pilz (SPD) bekräftigt: „Die Unterkunft an der Schüttende­lle ist nicht mehr auf dem aktuellen Stand.“Seiner Ansicht nach führt die stetig wachsende Wohnungskn­appheit dazu, dass immer weniger Menschen ein Zuhause finden. „Wir müssen bauen, bauen, bauen“, sagt er dazu – trotz steigender Baukosten. „Wir müssen ins Land und in den Bund für die entspreche­nden Förderunge­n schauen.“Auch er hält die Schüttende­lle für ein gutes Angebot,

betont aber auch, dass sie nicht auf einem zeitgemäße­n Stand sei und es wenig Privatsphä­re für Beratungen gebe.

Im Sozialdeze­rnat reagiert man positiv auf den Antrag. „Die Ausgangssi­tuation in Remscheid war definitiv mal besser“, sagt Sozialdeze­rnent Thomas Neuhaus: „In Remscheid ist der Wohnungsma­rkt zwar nicht so angespannt wie in vielen anderen Großstädte­n. Aber auch hier steigt der Druck.“Was den Zustand der Hilfsangeb­ote für Wohnungslo­se angeht, stimmt Neuhaus den politische­n Antragstel­lern zu: „Die Schüttende­lle könnte noch etwas schöner und zeitgemäße­r werden.“

Besonders hinsichtli­ch der Sozialplan­ung der kommenden Jahre sei davon auszugehen, dass sich die Wohnungsno­t in Remscheid weiter verschärfe­n werde. Neuhaus: „Wir erwarten ein Bevölkerun­gswachstum. Dementspre­chend halte ich es für richtig, das Thema jetzt anzustoßen. Auch, wenn es jetzt vielleicht noch nicht akut erscheinen mag.“Vorstellen kann sich der Dezernent auch, auf längere Sicht neu für dieses Vorhaben zu bauen.

Die aktuelle Not Wohnungslo­ser verschärft sich potenziell zusätzlich, wenn private Einrichtun­gen wie die Pension Dreßen nicht oder nur eingeschrä­nkt arbeiten können. In dem Gebäudekom­plex an der Neuenkampe­r Straße kamen lange Zeit mittellose Menschen aus prekären Verhältnis­sen unter, die drohten, in die Obdachlosi­gkeit zu rutschen. Doch seit im Dezember 2023 in einem der Häuser ein Feuer wütete, ist das laut Aussagen aus dem Umfeld des Betreibers nicht mehr möglich: „Es wurde zwar sauber gemacht. Die Stadt verlangt jetzt allerdings ein neues Brandschut­zkonzept. Bis wir das aufgestell­t haben, geht es nicht weiter.“

Auch die Caritas bestätigt auf Anfrage: Die Situation der Wohnungslo­sen, die ein Angebot des Wohlfahrts­verbands in Anspruch nehmen, verschlech­tere sich zusehends. Frank Gärtner, zweiter Vorsitzend­er des Remscheide­r Verbands, befürworte­t den Antrag der Grünen, SPD und der FDP ausdrückli­ch: „Wir können vonseiten der Caritas bestätigen, dass zumindest mehr unserer Beratungsm­öglichkeit­en für Wohnungslo­se in Anspruch genommen wurden. Ob das faktisch auch bedeutet, dass es mehr Wohnungslo­se gibt, können wir nicht sagen. Neuen Wohnraum zu schaffen ist perspektiv­isch aber sicherlich sehr zu begrüßen.“

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SYMBOLFOTO: IMAGO Auch in Remscheid drohen Menschen auf der Straße zu landen.
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ARCHIVFOTO: TIM OELBERMANN Im Dezember 2023 kam es in der „Pension Dreßen“zu einem verheerend­en Brand in einer Erdgeschos­swohnung.

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