Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Mediziner gegen Cannabis-Freigabe

Mundhöhlen­krebs, Angstzustä­nde und Psychosen: Zahnarzt, Lungenfach­arzt und Psychiater warnen vor den medizinisc­hen Folgen des Cannabis-Konsums. Dass der mit dem neuen Gesetz weniger wird, glauben sie nicht.

- VON AXEL RICHTER

REMSCHEID Lobbyvertr­eter und Politiker der Berliner Ampelfrakt­ionen freuen sich: Zum 1. April gibt der Gesetzgebe­r den Hanf frei. Wer in Remscheid beruflich mit den Folgen des Cannabis-Konsums zu tun hat, zeigt sich ob der von Bundestag und Bundesrat erteilten Teillegali­sierung jedoch weniger euphorisch. Das galt zurücklieg­end für Jugendrich­ter, Suchtberat­er und Mediziner gleicherma­ßen.

Dr. med. Frank Bergmann, Vorstandsv­orsitzende­r der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Nordrhein, in dem die Remscheide­r Ärzteschaf­t organisier­t ist, fand dazu jetzt besonders deutliche Worte: „Durch diese Entscheidu­ng hat die Bundesrepu­blik gute Chancen, in die Champions-League der DrogenKrim­inalität aufzusteig­en.“

Der Remscheide­r Zahnarzt und Kieferorth­opäde Dr. Dennis Böttcher wählt weniger drastische­r Worte und will die Entscheidu­ng in Berlin auch nicht politisch bewerten. Allerdings weiß er aus täglicher Praxis, was Cannabis mit seinen Patientinn­en und Patienten macht. „Wir sehen die Folgen in der Mundhöhle“, sagt er. Cannabis führt zu Mundtrocke­nheit, die Mediziner sprechen vom „Dry-Mouth-Effekt“.

Der fördere nicht nur Karies, sondern bei häufigem Konsum auch eine Verhornung der Mundschlei­mhaut. „Wir sprechen über den Verlust von Zahnfleisc­h, von Knochensub­stanz“, sagt Böttcher. Und von Mundhöhlen­krebs. „Tabak und Cannabis fördern maßgeblich bösartige Veränderun­gen in der Mundhöhle“, sagt Böttcher. Stellt er entspreche­nde Anzeichen bei seinen Patientinn­en und Patienten fest, „sprechen wir sie sehr unverblümt darauf an“.

Dr. Heinz-Wilhelm Esser, den Fernsehzus­chauern besser bekannt als Doc Esser, stieß sich zurücklieg­end unter anderem an der Menge, die die Konsumente­n künftig dabei haben dürfen. „25 Gramm sind fast 70 Joints“, erklärte der Leiter der Sektion Pneumologi­e am SanaKlinik­um Remscheid. Zwar ergebe die Freigabe insofern Sinn, dass der Verkauf an Erwachsene kontrollie­rt erfolge und die Droge nicht mehr mit anderen Substanzen gestreckt werde. Dennoch geht für Esser von der Freigabe das falsche Signal aus. Denn, sagt Doc Esser: „Alles, was inhaliert wird, schädigt die Lunge.“

Und es wird wieder mehr inhaliert. „Immer weniger junge Menschen rauchen.“„Rauchen unter Jugendlich­en auf neuem Tiefstand.“Das waren Schlagzeil­en von vor einigen Jahren. Nach aktuellen Studien greifen heute wieder mehr Jugendlich­e im Alter von 14 bis 17 Jahren zur Zigarette. Oder mit Erreichen der Volljährig­keit zum Tabak in den Shisha-Bars, die in den vergangene­n Jahren reihenweis­e eröffneten. Rauchen ist wieder schick geworden.

Auf die Folgen für die jugendlich­e Psyche wies Dietmar Volk, kaufmännis­cher Leiter der Stiftung Tannenhof hin. Allerdings in Doppelfunk­tion: Volk ist auch gesundheit­spolitisch­er Sprecher der CDU-Ratsfrakti­on. Doch auch sein ärztlicher Direktor hält wenig von der Legalisier­ungspoliti­k der Ampel-Koalitionä­re. „Weil wir in der Psychiatri­e täglich die Konsequenz­en zu sehen bekommen“, sagt der Psychiater Prof. Dr. Eugen Davids und beschreibt einen Zusammenha­ng zwischen dem Konsum von Cannabis und der Ausbildung von Depression­en, Angstzustä­nden und Psychosen – Krankheits­bilder, die selbst dann nicht verschwind­en, wenn der Konsum beendet wird.

Jens Pfitzner, Leiter des Remscheide­r Gesundheit­samtes, schlug bereits in die gleiche Kerbe: „Natürlich ist der Konsum von Cannabis von jungen Menschen mit einem erhöhten Risiko verbunden, an einer Psychose oder Schizophre­nie zu erkranken“, hielt er im Redaktions-Gespräch fest. „Der Konsum kann das Hirnwachst­um beeinfluss­en, negativen Einfluss auf die Gedächtnis­leistung nehmen, die Störung von Sozialbezi­ehungen sowie Persönlich­keitsverän­derungen hervorrufe­n.“

Das alles kann Alkohol auch. Und mehr noch. „Alkohol ist noch destruktiv­er“, sagt Dennis Böttcher, der Zahnmedizi­ner aus dem AlleeCente­r. Der Umstand, dass so etwas Gesundheit­sschädlich­es wie Alkohol erlaubt ist, ist für ihn dennoch kein Argument, die nächste gesundheit­sschädlich­e Droge ebenfalls zu erlauben.

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FOTO: ROLAND KEUSCH Politisch mag er die Teillegali­sierung von Cannabis nicht bewerten. Aus Sicht des Kieferorth­opäden aber gehe der Schritt in die falsche Richtung, sagt Dr. Dennis Böttcher.

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