Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Neuer Anlauf zum Ende der Zeitumstellung
Der Wechsel sollte längst Geschichte sein. Doch die Umsetzung innerhalb der EU ist schwierig.
BRÜSSEL Viele Europapolitiker bekommen es im jetzt beginnenden Wahlkampf zu hören: Was soll diese EU, wenn sie es nicht mal hinbekommt, ihre eigenen Beschlüsse umzusetzen und den bei fast allen Europäern unbeliebten Wechsel zwischen Winter- und Sommerzeit endlich abzuschaffen? Das Problem: Die Mitgliedstaaten können sich weder auf die eine noch auf die andere Zeit verständigen.
Das hängt letztlich mit der Geografie und dem Stand der Erde zur Sonne zusammen. Gäbe es nur noch Winterzeit, ginge in Polen im Juni um 3 Uhr die Sonne auf. Gäbe es nur noch Sommerzeit, wäre in Portugal im Dezember erst um 10 Uhr Sonnenaufgang. Deshalb wollen zwar die EU-Staaten dem Wunsch ihrer Bevölkerung grundsätzlich folgen und die Umstellung einstellen. Doch die einen glauben, nur mit ganzjähriger Sommerzeit leben zu können, die anderen nur mit ganzjähriger Winterzeit.
Viele Länder außerhalb Europas muten ihren Menschen den Wechsel längst nicht mehr zu. Von China bis Argentinien, von Japan bis Brasilien, von Russland bis Mexiko, von der Türkei bis Indien ist der halbjährliche Wechsel längst Geschichte. Er war vor allem damit begründet worden, dass sich dadurch Energie sparen lasse. Nur: Dieser Effekt ließ sich wissenschaftlich nie belegen.
Stattdessen hielt sich die Begeisterung in der Bevölkerung über vermeintlich „früheres“Licht im Winter und längere Abendsonne im Sommer in immer engeren Grenzen. Als die EU-Kommission 2018 eine europaweite Umfrage startete, beteiligten sich mit 4,5 Millionen Menschen deutlich mehr als bei allen ähnlichen Projekten. Zumindest bei den Teilnehmenden war die Abschaffung ein dringender Wunsch:
Europaweit wollten 84 Prozent das Ende der Zeitumstellung. Daraufhin kündigte die Juncker-Kommission an, umgehend einen Gesetzesvorschlag zur Abschaffung vorzulegen. Das EU-Parlament war am schnellsten. Noch vor den letzten Europawahlen stimmte das Hohe Haus mit deutlicher Mehrheit zu – passiert ist jedoch nichts.
Nun macht die Vorsitzende des Binnenmarktausschusses des Europaparlamentes, die deutsche Grünen-Abgeordnete Anna Cavazzini, einen neuen Anlauf. Denn für viele Menschen sei die Zeitumstellung nicht nur lästig, sie mache sie auch „leider richtig krank“. „Um weiteren Frust zu vermeiden, muss der Rat endlich den gordischen Knoten der divergierenden Meinung der Mitgliedstaaten lösen und sich positionieren“, verlangt Cavazzini. Die Zeit zwischen Europawahl und neuem Arbeitsprogramm der Kommission ließe hierfür diesen Sommer ausreichend Raum. NRW-Innenminister Herbert Reul unterstützt das Ansinnen. „Warum können wir das Leben der Menschen nicht mal ein Stück einfacher machen?“, fragt der CDUPolitiker, der bereits in seiner Zeit als Europapolitiker die Abschaffung leidenschaftlich verfolgt hat.