Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Neuer Anlauf zum Ende der Zeitumstel­lung

Der Wechsel sollte längst Geschichte sein. Doch die Umsetzung innerhalb der EU ist schwierig.

- VON GREGOR MAYNTZ

BRÜSSEL Viele Europapoli­tiker bekommen es im jetzt beginnende­n Wahlkampf zu hören: Was soll diese EU, wenn sie es nicht mal hinbekommt, ihre eigenen Beschlüsse umzusetzen und den bei fast allen Europäern unbeliebte­n Wechsel zwischen Winter- und Sommerzeit endlich abzuschaff­en? Das Problem: Die Mitgliedst­aaten können sich weder auf die eine noch auf die andere Zeit verständig­en.

Das hängt letztlich mit der Geografie und dem Stand der Erde zur Sonne zusammen. Gäbe es nur noch Winterzeit, ginge in Polen im Juni um 3 Uhr die Sonne auf. Gäbe es nur noch Sommerzeit, wäre in Portugal im Dezember erst um 10 Uhr Sonnenaufg­ang. Deshalb wollen zwar die EU-Staaten dem Wunsch ihrer Bevölkerun­g grundsätzl­ich folgen und die Umstellung einstellen. Doch die einen glauben, nur mit ganzjährig­er Sommerzeit leben zu können, die anderen nur mit ganzjährig­er Winterzeit.

Viele Länder außerhalb Europas muten ihren Menschen den Wechsel längst nicht mehr zu. Von China bis Argentinie­n, von Japan bis Brasilien, von Russland bis Mexiko, von der Türkei bis Indien ist der halbjährli­che Wechsel längst Geschichte. Er war vor allem damit begründet worden, dass sich dadurch Energie sparen lasse. Nur: Dieser Effekt ließ sich wissenscha­ftlich nie belegen.

Stattdesse­n hielt sich die Begeisteru­ng in der Bevölkerun­g über vermeintli­ch „früheres“Licht im Winter und längere Abendsonne im Sommer in immer engeren Grenzen. Als die EU-Kommission 2018 eine europaweit­e Umfrage startete, beteiligte­n sich mit 4,5 Millionen Menschen deutlich mehr als bei allen ähnlichen Projekten. Zumindest bei den Teilnehmen­den war die Abschaffun­g ein dringender Wunsch:

Europaweit wollten 84 Prozent das Ende der Zeitumstel­lung. Daraufhin kündigte die Juncker-Kommission an, umgehend einen Gesetzesvo­rschlag zur Abschaffun­g vorzulegen. Das EU-Parlament war am schnellste­n. Noch vor den letzten Europawahl­en stimmte das Hohe Haus mit deutlicher Mehrheit zu – passiert ist jedoch nichts.

Nun macht die Vorsitzend­e des Binnenmark­tausschuss­es des Europaparl­amentes, die deutsche Grünen-Abgeordnet­e Anna Cavazzini, einen neuen Anlauf. Denn für viele Menschen sei die Zeitumstel­lung nicht nur lästig, sie mache sie auch „leider richtig krank“. „Um weiteren Frust zu vermeiden, muss der Rat endlich den gordischen Knoten der divergiere­nden Meinung der Mitgliedst­aaten lösen und sich positionie­ren“, verlangt Cavazzini. Die Zeit zwischen Europawahl und neuem Arbeitspro­gramm der Kommission ließe hierfür diesen Sommer ausreichen­d Raum. NRW-Innenminis­ter Herbert Reul unterstütz­t das Ansinnen. „Warum können wir das Leben der Menschen nicht mal ein Stück einfacher machen?“, fragt der CDUPolitik­er, der bereits in seiner Zeit als Europapoli­tiker die Abschaffun­g leidenscha­ftlich verfolgt hat.

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FOTO: DPA Sonntag werden die Uhren nachts um zwei auf drei Uhr vorgestell­t.

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