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Beschäftigung sichern durch Weiterbildung
Ab 1. April gibt es das Qualifizierungsgeld. Damit will der Staat ermöglichen, dass Belegschaften für neue Aufgaben fit werden.
BERLIN (dpa) Mit einem sogenannten Qualifizierungsgeld sollen ab 1. April Betriebe und Beschäftigte stärker im Hinblick auf Weiterbildung unterstützt werden. Der Grund: Die deutsche Wirtschaft erlebe einen Strukturwandel, heißt es vom Bundesarbeitsministerium. Treiber dieser Entwicklung seien unter anderem die Digitalisierung und die angestrebte Klimaneutralität. Mit der Förderung soll es Beschäftigten ermöglicht werden, sich weiterzubilden und damit ihre Stelle behalten zu können.
Durch den beschleunigten Strukturwandel ändern sich in einigen Branchen die Aufgabengebiete – manche fallen weg, an anderen Stellen entstehen neue. „Beispielsweise, wenn ein Unternehmen von einer handwerklichen Produktion auf eine computergestützte Produktion wechselt“, erklärt Irmgard
Pirkl von der Bundesarbeitsagentur. „Dann brauchen die Angestellten Weiterbildungen, sonst können sie nicht weiter bei dem Unternehmen arbeiten.“Das Qualifizierungsgeld soll diesen Schritt vereinfachen. Es ist Teil einer Anpassung des Ausund Weiterbildungsgesetzes, die am 1. April in Kraft tritt.
Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) sieht die Einführung des Qualifizierungsgeldes kritisch: „Es verkompliziert ein ohnehin bereits komplexes System weiter und schließt Unternehmen aus, die über keine einschlägige Betriebsvereinbarung oder einschlägigen Tarifvertrag verfügen.“
Nach Angaben der BDA erreicht das Qualifizierungsgeld vor allem größere Unternehmen. Demnach passen die Förderkriterien nicht gut auf kleine und mittlere Unternehmen. Die Nutzung wird dem Verband zufolge auch dadurch eingeschränkt, dass der Verbleib im Betrieb garantiert sein muss.
Das Qualifizierungsgeld greift als Lohnersatz. Das bedeutet, dass Arbeitnehmer für die Zeit, in der sie an der Weiterbildung teilnehmen, Geld von der Arbeitsagentur anstelle ihres Gehalts bekommen. Es handelt sich also nicht um eine zusätzliche Zahlung; während der Weiterbildungen bekommen sie keine Lohnzahlung von ihrem Arbeitgeber. „Das Unternehmen zahlt die Fortbildung und investiert damit in die Arbeitskräfte“, sagt Pirkl. Demnach müssen die Beschäftigten der Weiterbildung aber zunächst zustimmen.
Das Qualifizierungsgeld wird in der Höhe von 60 Prozent des Nettogehalts an die Arbeitnehmer ausgezahlt. Für Angestellte mit Kindern erhöht sich der Satz auf 67 Prozent. Demnach handelt es sich um dieselbe Berechnung wie beim Kurzarbeitergeld. „Arbeitgeber können den Betrag natürlich aufstocken, wenn sie mögen“, ergänzt Pirkl.
Arbeitgeber können die Förderung online beantragen – vorausgesetzt, ein Großteil ihrer Belegschaft ist betroffen, wie die Arbeitsagentur erklärt. Konkret müssen es demnach bei Unternehmen mit mindestens 250 Beschäftigten 20 Prozent sein, bei weniger Beschäftigten zehn Prozent. Der Bedarf für eine Qualifizierung müsse zudem in einer betriebsbezogenen Regelung oder einem Tarifvertrag festgehalten sein. Sind weniger als zehn Beschäftigte angestellt, reicht den Angaben zufolge eine schriftliche Erklärung des Betriebs.
Eine Grundvoraussetzung soll sein, dass die berufliche Weiterbildung der Beschäftigten mehr als 120 Stunden umfasst. Laut Arbeitsagentur kann sie berufsbegleitend, in Vollzeit oder auch in Teilzeit absolviert werden. Der Bildungsträger, der die Weiterbildung anbiete, müsse zudem für die Förderung zertifiziert sein. Darüber hinaus bestehe der Anspruch, dass die Lerninhalte „über eine ausschließlich arbeitsplatzbezogene, kurzfristige Anpassungsfortbildung hinausgehen“, schreibt die Agentur. Beispielsweise könne eine Schulung für eine betriebsspezifische Software nicht gefördert werden.
Nach Angaben des Bundesarbeitsministeriums wird die Unterstützung aus dem Haushalt der Bundesagentur für Arbeit finanziert und beträgt im Jahr 2024 etwa 3,3 Milliarden Euro. Demnach entscheiden die örtlichen Agenturen für Arbeit über die konkrete Mittelverwendung. Der Entwurf des Aus- und Weiterbildungsgesetzes ist laut Ministerium von jährlichen Mehrkosten durch das Qualifizierungsgeld in Höhe von bis zu 360 Millionen Euro ausgegangen.