Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Wo sich Brahms und Brüder Grimm trafen
In Grevenbroich gibt es Häuser, die ein Stück Stadtgeschichte geschrieben haben. Wo heimlich im Garten geraucht, wo der älteste Frontsoldat des Ersten Weltkriegs wohnte und wo die Gebrüder Grimm sich einst ein Stelldichein gaben.
Heute geht der eine oder andere an ihnen achtlos vorbei. Zu ihren Glanzzeiten spielten einige Immobilien im Stadtgebiet von Grevenbroich jedoch eine große Rolle. Sogar A-Promis ihrer Zeit gingen dort ein und aus. Eine Übersicht.
Die Burg Oberhalb der früheren Burg Lievendahl wurde Anfang des 19. Jahrhunderts auf hochwasserfreiem Gelände ein zweigeschossiges Gebäude mit Dreiecksgiebel und Walmdach errichtet, das in Wevelinghoven als „die alte Burg“bekannt ist. Die Stadt Wevelinghoven erwarb das Haus im Jahr 1937 und ließ es sanieren. Heute wird das große Gebäude als Wohnhaus für Menschen mit geistiger Behinderung von der Lebenshilfe im Rhein-Kreis Neuss genutzt.
Vor 1937 war die „Burg“im Besitz von Gustav Kottmann, einem Wevelinghovener Original, das seinerzeit sogar für überregionale Schlagzeilen sorgte. Denn „Vater Kottmann“, wie er genannt wurde, galt als ältester Frontsoldat des Ersten Weltkriegs. Trotz seines hohen Alters von 72 Jahren ließ er sich im August 1914 in das Landwehr-Infanterie-Regiment Nr. 39 einreihen, noch im selben Jahr wurde er zum Unteroffizier befördert. Gustav Kottmann überlebte den Krieg und starb im Jahr 1932.
Heinsberg-Haus Wer mit offenen Augen durch Wevelinghoven geht, kann dort auch heute noch viele alte Bürgerhäuser entdecken. Mehrere dieser liebevoll restaurierten Villen stehen an der Poststraße. Unter der Hausnummer 91 ist das sogenannte Heinsberg-Haus zu finden. Das Gebäude diente 1863 als Sitz und Wohnstätte des Landrats Caspar von Heinsberg. Während das (damals noch zweigeschossige) Hauptgebäude hauptsächlich Wohnzwecken diente, enthielten die beiden Anbauten zur
Linken und zur Rechten die Kontore des Landratsamtes sowie Wirtschaftsräume. So waren rechts auch die
Pferde des Landrates untergebracht, während sich links unter anderem Remisen für seine Kutschen befanden. Bis 1886, als der Sitz des Landrates nach Grevenbroich verlegt wurde, führte von Heinsberg von dort aus die Kreisgeschäfte. Im Haupthaus wohnte er mit seiner Frau Caroline von der Rhoer und den sieben Kindern.
Im Ort „berüchtigt“war eine seiner Töchter, deren für die damalige Zeit ungewöhnliches Selbstbewusstsein sich beispielsweise darin ausdrückte, Zigaretten rauchend durch den elterlichen Garten zu schlendern. Dieser erstreckte sich mehrere hundert Meter hinter dem Haus und umfasste unter anderem die Grundstücke, auf denen heute die Schule und der Kindergarten stehen. Seit 1990 steht das Gebäude unter Denkmalschutz, im Jahr 2000 wurde es liebevoll von Anneliese und Dieter vom Scheidt restauriert und zum Wohnund Geschäftshaus umgebaut.
Montanus-Haus Das Haus an der Lindenstraße 1 hat Villa-Charakter: großzügige Räume, Mosaik-Parkett,
Stuckdecken. Dort lebte und starb vor 148 Jahren der Notar und Autor Vinzenz von Zuccalmaglio (alias „Montanus“), dort residierten der Fabrikant Hermann Hundhausen und die Unternehmerfamilie Anton Walraf. Große Namen, die ein Stück Stadtgeschichte mitgeschrieben haben. Die alte Villa mit der denkmalgeschützten Fassade bietet mitsamt Anbau rund 660 Quadratmeter Nutzfläche und ist heute im Besitz der Caritas.
Gebaut wurde das Haus zwischen 1855 und 1860 von Vinzenz von Zuccalmaglio. Gemeinsam mit seinem Bruder Wilhelm hielt er die Villa stets offen, um dort den Diskurs mit den Größen der damaligen Zeit zu führen. Die Märchen sammelnden Gebrüder Grimm gehörten ebenso zum Freundeskreis der beiden wie „Struwwelpeter“-Erfinder Heinrich Hoffmann, der Maler Andreas Achenbach sowie die Komponisten Johannes Brahms und Robert Schumann – nur um einige zu nennen.
Nach seinem Tode (1876) bewohnte von Zuccalmaglios Schwiegersohn Hermann Hundhausen, ein Ingenieur und Mitbegründer der Grevenbroicher Maschinenfabrik, das Domizil. Später bezog der Notar Gerhard Vasen das Anwesen. Er verkaufte es um 1900 an die Firma Anton Walraf Söhne. Das Haus, das 1928 umgebaut und 1935 aufgestockt wurde, blieb im Familienbesitz, bevor es in den 70er Jahren an das katholische Bildungswerk veräußert wurde. Im Frühjahr 2008 erwarb die Caritas die schmucke Villa im Stadtzentrum.
Villa Kaulen Die Villa Kaulen zählt zu den Schmuckstücken der Bürgerhäuser an der Poststraße in Wevelinghoven. Errichtet wurde das repräsentative Haus im Frühjahr 1886 für den ortsansässigen Mediziner Dr. Kaulen. Neben großzügigen Wohnund Praxisräumen entstanden im ausgehenden 19. Jahrhundert auch geräumige Wirtschaftsräume – vor allem Stallungen für Pferde und Remisen
für Kutschen, da Kaulen seine Hausbesuche im ländlichen Umfeld tätigte. 1890 wurde die vom Grevenbroicher Architekten und Bauunternehmer Jean Willichs errichtete Villa sogar im Deutschen BaugewerksBlatt auf mehreren Seiten lobend erwähnt. Das Haus mit seinen ausgedehnten gärtnerischen Anlagen vermittele einen gediegenen und dabei recht gefälligen Eindruck, hieß es darin. Seiner ursprünglichen Bestimmung blieb das Haus über viele Jahrzehnte hinweg erhalten. Der Arzt Peter Stöcker hat bis vor zwei Jahren dort noch seine Praxis geführt.
Haus Hartmann Das bekannteste Gebäude der Stadt ist zweifellos das Alte Schloss. Bis in 13. Jahrhundert lässt sich die wechselvolle Geschichte der Befestigungsanlage zurückverfolgen, die im 15. und 16. Jahrhundert von den Jülicher herzögen als Landesherren aus- und umgebaut wurde. Innerhalb der Schlossanlage entstand 1724 ein Kellnereigebäude, das heute als Haus Hartmann bekannt ist. Dort war einst der Verwalter des Jülicher Amtes für die ordnungsgemäße Verzeichnung der Einnahmen zuständig.
1850 ging das Kellnerei-Gebäude in Privatbesitz über: Georg Hartmann, damals Webmeister in Diensten der Firma „Walraf & Co.“, erstand es von der Jülicher Amtsverwaltung. Von ihm und seinen Nachkommen hat das Haus, das als älteste massiv gebaute Privatimmobilie Grevenbroichs gilt, bis heute seinen Namen. Einige Jahre später machte sich Georg Hartmann selbstständig und errichtete im ehemaligen KellnereiGebäude eine mechanische Weberei. Bereits um 1860 standen 85 Mitarbeiter bei ihm in Lohn und Brot.
Das Unternehmen schloss 1932 seine Tore, bis in die 60er Jahre blieb das Haus in Privatbesitz. 1977 erwarb die Stadt das Anwesen und ließ es – bei größtmöglicher Erhaltung des alten Baustils – zur „guten Stube“Grevenbroichs umbauen.