Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Königin „Ömmi“schießt den Vogel ab

Bei der großen Sause bei Wildschütz Aue gab es auch nachdenkli­che Töne zur Zukunft der Schützenve­reine.

- VON JANA KIPPHEN UND ANDREAS WEBER INFO

REMSCHEID Welch ein unfassbare­r Marathon bei Wildschütz Aue. Das Königsschi­eßen beim Schützenfe­st geriet zur Nervenschl­acht und Geduldspro­be. Fast zweieinhal­b Stunden legten die Aspiranten Freitagabe­nd im Festzelt mit dem Luftgewehr auf den zehn Meter entfernten Holzvogel an.

Es dauerte 71 Schuss, bis der linke Flügel durch einen Treffer von Axel Prang zu Boden fiel, 73 Schuss, bis Jochen Roin den rechten Flügel stutzte. Es folgten weitere 121 Schuss, bis die zehn Verblieben­en unter ursprüngli­ch 27 Bewerbern, den Kopf mit Krone runterholt­en.

Fast hätte es Richard Kaufmann, amtierende­r König, bei Kaiserwett­er geschafft sich zum Kaiser zu krönen. Das Zepter wackelte bedenklich – brach aber erst beim Schuss von Sandra Rösler ab.

Die 51-Jährige ist eine VereinsIko­ne. Seit 40 Jahren ist „Ömmi“, die zweifache Oma, im Verein. Als Hans Dampf in allen Gassen, präsent als Bezirksvor­sitzende, im Präsidium des Bergischen Schützenbu­ndes und als Schriftfüh­rerin bei Wildschütz Aue, ist sie über das Morsbachta­l in Schützenkr­eisen bekannt. Und 1993 war sie schon einmal Königin.

„Ohne Sandra wäre unser Verein um einiges ärmer. Sie ist meine rechte und linke Hand zugleich“, freut sich Vereinsvor­sitzender Oliver Rösler, ihr Ex-Mann. Da nahm er in Kauf, dass seine Gattin Tanja zum dritten Mal hintereina­nder vergeblich um die Königswürd­en antrat.

15 Vereine zählt der Bergische Schützenbu­nd. Wildschütz Aue ist momentan fast ein wenig dessen Nabel. Denn der König der regionalen Dachverein­igung, der alle zwei Jahre ausgeschos­sen wird, ist mit Heiko Vaupel auch ein Aue-Mitglied. Unter den 100 Mitglieder­n bei Wildschütz ist mit Adrian Kastrati auch der Bundesprin­z. Beide hatten sich bereits am 20. April an der Vogelstang­e des Remscheide­r Schützenve­reins am Schützenpl­atz ausgezeich­net. Im Festzelt blickte Christoph Lange, Vorsitzend­er des Bergischen Schützenbu­ndes, am Samstag auf 100 Jahre Schützenbu­nd zurück. Dessen Ziele haben sich seit dem Gründungsj­ahr ständig gewandelt, berichtete Lange. Schützenve­reine seien heute eine „einzigarti­ge Mischung aus Sport, Tradition und Gemeinscha­ftsgeist“.

Trotzdem kämpfen viele mit Nachwuchsp­roblemen. „Nicht alle“, betonte Christoph Lange, „einige Vereine sind toll aufgestell­t. Aber auch ein Verein muss ‚mit der Zeit gehen‘.“Verliere man den Anschluss, lande man schnell in einer Sackgasse. Überalteru­ng, Mitglieder­schwund, das Ausbleiben von Nachwuchs – dagegen ließe sich eigentlich etwas tun. „Es sind schon Kleinigkei­ten. Einige Vereine machen zum Beispiel Werbung auf Instagram oder TikTok, und das funktionie­rt dann auch.“Beliebt seien zudem die Sportspart­en der Vereine, meinte Lange. In so gut wie alle Vereine im Bergischen

Schützenbu­nd sind längst Sportschüt­zen beheimatet, hier erfreut sich tatsächlic­h gerade der Bogen bei der Jugend großer Popularitä­t, wie auch die Lang- und Kurzwaffen.

Ein wachsendes Problem sieht Christoph Lange neben den sinkenden Mitglieder­zahlen auch in der Erwartungs­haltung an Vereine. Lange spricht von „Dienstleis­tungsgesel­lschaft“.

„Die Leute zahlen ihren Mitgliedsb­eitrag und erwarten, dass sie trainieren, wieder gehen und das war‘s.“Das sei schade. Vereine stehen und fallen mit dem Ehrenamt. „Es ist ja eine Gemeinscha­ft. Instandset­zungen, Reparature­n, Vorstandsa­rbeit. Es ist sehr schwierig geworden, da Menschen für zu begeistern.“Dazu kommen noch gesetzlich­e Auflagen zum Waffenrech­t, zu denen der Schützenbu­nd

Vorträge anbietet. „Die Diskussion selbst ist natürlich gerechtfer­tigt“, räumt Lange ein. Trotzdem stellen Auflagen oft zusätzlich­e Hürden für Schützenve­reine dar.

Trotz, oder vielleicht gerade wegen all dieser Herausford­erungen, liege die Zukunft aber im traditions­bewussten Zusammense­in. Dies wurde am Samstagabe­nd beim „Tanz in den Frühling“mit der Kult-Coverband Kaschämm aus Köln gefeiert. Im nur mittelpräc­htig gefüllten Zelt lieferten Kaschämm richtig ab, ebenso die Hollywood Drive Band sowie Marcel Filodda, der bei seinem umjubelten Auftritt seinen „Hammer“auspackte und „Ich hab die Fische gesehen“.

Nehmen Sie an unserer Umfrage teil unter rp-online.de/heimatlieb­e

 ?? FOTOS: DORO SIEWERT ?? Beim Königsschi­eßen setzte sich Wildschütz-Urgestein Sandra „Ömmi“Rösler (4.v.l.) durch. Um sie herum scharen sich (v.l.) Tomaso und Beate Masucci als Adjutanten, Leonie Rösler als Prinzessin, Sandras Enkelin Emily auf dem Arm, Olli Prang als Prinzregen­t und die Adjutanten Corinna und Peter Hanika.
FOTOS: DORO SIEWERT Beim Königsschi­eßen setzte sich Wildschütz-Urgestein Sandra „Ömmi“Rösler (4.v.l.) durch. Um sie herum scharen sich (v.l.) Tomaso und Beate Masucci als Adjutanten, Leonie Rösler als Prinzessin, Sandras Enkelin Emily auf dem Arm, Olli Prang als Prinzregen­t und die Adjutanten Corinna und Peter Hanika.
 ?? ?? Im Festzelt heizte die Tanzformat­ion „Hollywood Drive Band“ein.
Im Festzelt heizte die Tanzformat­ion „Hollywood Drive Band“ein.

Newspapers in German

Newspapers from Germany