Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Königin „Ömmi“schießt den Vogel ab
Bei der großen Sause bei Wildschütz Aue gab es auch nachdenkliche Töne zur Zukunft der Schützenvereine.
REMSCHEID Welch ein unfassbarer Marathon bei Wildschütz Aue. Das Königsschießen beim Schützenfest geriet zur Nervenschlacht und Geduldsprobe. Fast zweieinhalb Stunden legten die Aspiranten Freitagabend im Festzelt mit dem Luftgewehr auf den zehn Meter entfernten Holzvogel an.
Es dauerte 71 Schuss, bis der linke Flügel durch einen Treffer von Axel Prang zu Boden fiel, 73 Schuss, bis Jochen Roin den rechten Flügel stutzte. Es folgten weitere 121 Schuss, bis die zehn Verbliebenen unter ursprünglich 27 Bewerbern, den Kopf mit Krone runterholten.
Fast hätte es Richard Kaufmann, amtierender König, bei Kaiserwetter geschafft sich zum Kaiser zu krönen. Das Zepter wackelte bedenklich – brach aber erst beim Schuss von Sandra Rösler ab.
Die 51-Jährige ist eine VereinsIkone. Seit 40 Jahren ist „Ömmi“, die zweifache Oma, im Verein. Als Hans Dampf in allen Gassen, präsent als Bezirksvorsitzende, im Präsidium des Bergischen Schützenbundes und als Schriftführerin bei Wildschütz Aue, ist sie über das Morsbachtal in Schützenkreisen bekannt. Und 1993 war sie schon einmal Königin.
„Ohne Sandra wäre unser Verein um einiges ärmer. Sie ist meine rechte und linke Hand zugleich“, freut sich Vereinsvorsitzender Oliver Rösler, ihr Ex-Mann. Da nahm er in Kauf, dass seine Gattin Tanja zum dritten Mal hintereinander vergeblich um die Königswürden antrat.
15 Vereine zählt der Bergische Schützenbund. Wildschütz Aue ist momentan fast ein wenig dessen Nabel. Denn der König der regionalen Dachvereinigung, der alle zwei Jahre ausgeschossen wird, ist mit Heiko Vaupel auch ein Aue-Mitglied. Unter den 100 Mitgliedern bei Wildschütz ist mit Adrian Kastrati auch der Bundesprinz. Beide hatten sich bereits am 20. April an der Vogelstange des Remscheider Schützenvereins am Schützenplatz ausgezeichnet. Im Festzelt blickte Christoph Lange, Vorsitzender des Bergischen Schützenbundes, am Samstag auf 100 Jahre Schützenbund zurück. Dessen Ziele haben sich seit dem Gründungsjahr ständig gewandelt, berichtete Lange. Schützenvereine seien heute eine „einzigartige Mischung aus Sport, Tradition und Gemeinschaftsgeist“.
Trotzdem kämpfen viele mit Nachwuchsproblemen. „Nicht alle“, betonte Christoph Lange, „einige Vereine sind toll aufgestellt. Aber auch ein Verein muss ‚mit der Zeit gehen‘.“Verliere man den Anschluss, lande man schnell in einer Sackgasse. Überalterung, Mitgliederschwund, das Ausbleiben von Nachwuchs – dagegen ließe sich eigentlich etwas tun. „Es sind schon Kleinigkeiten. Einige Vereine machen zum Beispiel Werbung auf Instagram oder TikTok, und das funktioniert dann auch.“Beliebt seien zudem die Sportsparten der Vereine, meinte Lange. In so gut wie alle Vereine im Bergischen
Schützenbund sind längst Sportschützen beheimatet, hier erfreut sich tatsächlich gerade der Bogen bei der Jugend großer Popularität, wie auch die Lang- und Kurzwaffen.
Ein wachsendes Problem sieht Christoph Lange neben den sinkenden Mitgliederzahlen auch in der Erwartungshaltung an Vereine. Lange spricht von „Dienstleistungsgesellschaft“.
„Die Leute zahlen ihren Mitgliedsbeitrag und erwarten, dass sie trainieren, wieder gehen und das war‘s.“Das sei schade. Vereine stehen und fallen mit dem Ehrenamt. „Es ist ja eine Gemeinschaft. Instandsetzungen, Reparaturen, Vorstandsarbeit. Es ist sehr schwierig geworden, da Menschen für zu begeistern.“Dazu kommen noch gesetzliche Auflagen zum Waffenrecht, zu denen der Schützenbund
Vorträge anbietet. „Die Diskussion selbst ist natürlich gerechtfertigt“, räumt Lange ein. Trotzdem stellen Auflagen oft zusätzliche Hürden für Schützenvereine dar.
Trotz, oder vielleicht gerade wegen all dieser Herausforderungen, liege die Zukunft aber im traditionsbewussten Zusammensein. Dies wurde am Samstagabend beim „Tanz in den Frühling“mit der Kult-Coverband Kaschämm aus Köln gefeiert. Im nur mittelprächtig gefüllten Zelt lieferten Kaschämm richtig ab, ebenso die Hollywood Drive Band sowie Marcel Filodda, der bei seinem umjubelten Auftritt seinen „Hammer“auspackte und „Ich hab die Fische gesehen“.
Nehmen Sie an unserer Umfrage teil unter rp-online.de/heimatliebe