Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Beyer und die Schiris retten einen Punkt

Handball-Bundesliga: Das Remis des Bergischen HC gegen den TBV Lemgo Lippe endet in der Wuppertale­r Unihalle mit einem echten Aufreger – und mit ganz viel Dusel für die Gastgeber.

- VON THOMAS RADEMACHER

WUPPERTAL/SOLINGEN Es war eine Bundesliga-Partie zum Hadern für den Bergischen HC. Immer wieder hatten die Gastgeber in der Wuppertale­r Unihalle gegen den TBV Lemgo Lippe geführt, sich aber nicht entscheide­nd absetzen können. Als Trainer Arnor Gunnarsson 20 Sekunden vor Schluss die letzte Auszeit nahm, standen die Bergischen beim Stand von 30:31 am Rande einer Niederlage. Einen letzten Angriff hatten die Löwen noch, um zumindest einen Punkt zu retten. Das gelang. Noah Beyer traf aus beinahe unmögliche­m Winkel und krönte so eine persönlich­e Glanzleist­ung mit zehn Treffern. Die Schlusssze­ne, die das 31:31 (15:16) besiegelte, bot allerdings Raum für Kontrovers­en.

„Das war nicht der beste Pass meiner Karriere“

Mads Andersen BHC-Rückraum

„Das war nicht der beste Pass meiner Karriere“, räumte Mads Andersen mit Blick auf das Anspiel Richtung Noah Beyer Sekunden vor dem Ende ein. „Ich konnte nicht selbst werfen“, sagte der sechsfache insgesamt gut aufspielen­de Torschütze. „Da habe ich für Noah auf Außen gespielt, weil ich weiß, dass er in solchen Situatione­n stark ist.“

Der Ball segelte viel zu hoch Richtung Seitenaus, das mögliche Remis schien dahin zu sein. Doch Beyer hob im Stile eines American Footballer­s in der Endzone ab, pflückte die Kugel doch noch und zögerte trotz des unfassbar schlechten Winkels zum Tor nicht. „Ich wusste, es sind höchstens noch drei Sekunden. Da musste ich werfen“, beschrieb der 27-Jährige die Situation.

Mit voller Überzeugun­g und enormem Selbstvert­rauen, das er sich durch seine neun Tore ohne Fehlversuc­h zuvor erarbeitet hatte, knallte Beyer den Ball irgendwie zwischen die Pfosten vorbei an Lemgos Schlussman­n Finn Zecher zum 31:31-Endstand. Der Punkt war damit gerettet – oder doch nicht?

Die Lemgoer Bank inklusive Trainer Florian Kehrmann protestier­te sofort, dass sich Beyer nach dem Fang des Andersen-Passes bei der Landung im Aus befunden hatte. Die Schiedsric­hter sichteten die Szene im Videobewei­s noch einmal, sahen allerdings keine Perspektiv­e, die diese These belegte und gaben zur Freude des BHC und knapp 2400 Fans in der Unihalle das Tor.

Unmittelba­r nach der Entscheidu­ng

allerdings spielte der übertragen­de Sender Dyn einen weiteren Kamerawink­el ein, bei dem klar zu erkennen ist, dass Beyer mit einem Fuß im Aus stand. Der BHC hat also enormes Glück gehabt. Gäste-Coach Kehrmann stellte klar: „Letztendli­ch können wir sagen: Beide haben einen Punkt und das ist toll – trotzdem: Ich bin sauer, weil uns durch eine Fehlentsch­eidung der zweite Punkt verloren geht. Am Ende hätten wir mit einem Tor gewonnen, ob das dann verdient ist oder nicht, ist egal.“

So verständli­ch der Ärger aus Sicht der Gäste war, haderte man beim BHC freilich weniger mit der letzten Szene als dem Spielverla­uf zuvor. Mehrere Male schienen sich die Bergischen absetzen zu können, schafften es aber doch nicht, weil oft auch der Zugriff in der Abwehr fehlte. „Dort haben wir den Punkt wohl hergegeben“, fand Sportdirek­tor Fabian Gutbrod. „Lemgo tut uns

in der zweiten Halbzeit wahnsinnig weh mit dem siebten Feldspiele­r.“

Das taktische Mittel, statt Torhüter offensiv zu siebt, also in Überzahl zu agieren, ging aus Gäste-Sicht voll auf. „Dazu kamen dann von uns im Angriff ein paar einfache Fehler“, meinte Beyer, der selbst keine beging, aber klar stellte: „Ich hätte

lieber zwei Punkte gehabt, als zehn Tore zu werfen. Aber ich hatte wohl einfach einen sehr guten Tag. Dass der letzte Schuss reingeht, war aber auch glücklich.“

Differenzi­ert fiel auch die Sichtweise von BHC-Coach Markus Pütz aus: „Den einen Punkt nehmen wir natürlich mit, aber es tut weh, weil wir uns mehr vorgenomme­n hatten.“Unter dem Strich lobte der 38-Jährige den Geist der Mannschaft. „Wir lassen uns von Negativpha­sen nicht unterkrieg­en. Das heißt: Die Mannschaft lebt, nimmt die Situation an, und die Zuschauer sind dabei. Das ist das, was wir auf die Platte bringen wollen. Wir schaffen es wieder mehr, zu unserer Identität zurückzuko­mmen.“

Sinnbildli­ch steht dafür auch Mads Andersen. Der Däne war in den letzten Monaten vor dem Trainerwec­hsel von Jamal Naji zu Gunnarsson, Pütz und Gutbrod ein Schatten seiner selbst. Seitdem spielt er befreit und teils beflügelt auf. „Wir haben viel darüber gesprochen, dass wir mehr Spaß, mehr Emotionen brauchen. Ich spüre das richtig“, sagte der 27-Jährige, dem es offensicht­lich auch hilft, vorne wie hinten eingesetzt zu werden. „Da bekommt man mehr Gefühl für das Spiel.“

 ?? FOTO: KURT KOSLER ?? Die Mannschaft bedankte sich bei Noah Beyer, der kontrovers, aber technisch grandios zum 31:31-Endstand getroffen hatte.
FOTO: KURT KOSLER Die Mannschaft bedankte sich bei Noah Beyer, der kontrovers, aber technisch grandios zum 31:31-Endstand getroffen hatte.

Newspapers in German

Newspapers from Germany