Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Beyer und die Schiris retten einen Punkt
Handball-Bundesliga: Das Remis des Bergischen HC gegen den TBV Lemgo Lippe endet in der Wuppertaler Unihalle mit einem echten Aufreger – und mit ganz viel Dusel für die Gastgeber.
WUPPERTAL/SOLINGEN Es war eine Bundesliga-Partie zum Hadern für den Bergischen HC. Immer wieder hatten die Gastgeber in der Wuppertaler Unihalle gegen den TBV Lemgo Lippe geführt, sich aber nicht entscheidend absetzen können. Als Trainer Arnor Gunnarsson 20 Sekunden vor Schluss die letzte Auszeit nahm, standen die Bergischen beim Stand von 30:31 am Rande einer Niederlage. Einen letzten Angriff hatten die Löwen noch, um zumindest einen Punkt zu retten. Das gelang. Noah Beyer traf aus beinahe unmöglichem Winkel und krönte so eine persönliche Glanzleistung mit zehn Treffern. Die Schlussszene, die das 31:31 (15:16) besiegelte, bot allerdings Raum für Kontroversen.
„Das war nicht der beste Pass meiner Karriere“
Mads Andersen BHC-Rückraum
„Das war nicht der beste Pass meiner Karriere“, räumte Mads Andersen mit Blick auf das Anspiel Richtung Noah Beyer Sekunden vor dem Ende ein. „Ich konnte nicht selbst werfen“, sagte der sechsfache insgesamt gut aufspielende Torschütze. „Da habe ich für Noah auf Außen gespielt, weil ich weiß, dass er in solchen Situationen stark ist.“
Der Ball segelte viel zu hoch Richtung Seitenaus, das mögliche Remis schien dahin zu sein. Doch Beyer hob im Stile eines American Footballers in der Endzone ab, pflückte die Kugel doch noch und zögerte trotz des unfassbar schlechten Winkels zum Tor nicht. „Ich wusste, es sind höchstens noch drei Sekunden. Da musste ich werfen“, beschrieb der 27-Jährige die Situation.
Mit voller Überzeugung und enormem Selbstvertrauen, das er sich durch seine neun Tore ohne Fehlversuch zuvor erarbeitet hatte, knallte Beyer den Ball irgendwie zwischen die Pfosten vorbei an Lemgos Schlussmann Finn Zecher zum 31:31-Endstand. Der Punkt war damit gerettet – oder doch nicht?
Die Lemgoer Bank inklusive Trainer Florian Kehrmann protestierte sofort, dass sich Beyer nach dem Fang des Andersen-Passes bei der Landung im Aus befunden hatte. Die Schiedsrichter sichteten die Szene im Videobeweis noch einmal, sahen allerdings keine Perspektive, die diese These belegte und gaben zur Freude des BHC und knapp 2400 Fans in der Unihalle das Tor.
Unmittelbar nach der Entscheidung
allerdings spielte der übertragende Sender Dyn einen weiteren Kamerawinkel ein, bei dem klar zu erkennen ist, dass Beyer mit einem Fuß im Aus stand. Der BHC hat also enormes Glück gehabt. Gäste-Coach Kehrmann stellte klar: „Letztendlich können wir sagen: Beide haben einen Punkt und das ist toll – trotzdem: Ich bin sauer, weil uns durch eine Fehlentscheidung der zweite Punkt verloren geht. Am Ende hätten wir mit einem Tor gewonnen, ob das dann verdient ist oder nicht, ist egal.“
So verständlich der Ärger aus Sicht der Gäste war, haderte man beim BHC freilich weniger mit der letzten Szene als dem Spielverlauf zuvor. Mehrere Male schienen sich die Bergischen absetzen zu können, schafften es aber doch nicht, weil oft auch der Zugriff in der Abwehr fehlte. „Dort haben wir den Punkt wohl hergegeben“, fand Sportdirektor Fabian Gutbrod. „Lemgo tut uns
in der zweiten Halbzeit wahnsinnig weh mit dem siebten Feldspieler.“
Das taktische Mittel, statt Torhüter offensiv zu siebt, also in Überzahl zu agieren, ging aus Gäste-Sicht voll auf. „Dazu kamen dann von uns im Angriff ein paar einfache Fehler“, meinte Beyer, der selbst keine beging, aber klar stellte: „Ich hätte
lieber zwei Punkte gehabt, als zehn Tore zu werfen. Aber ich hatte wohl einfach einen sehr guten Tag. Dass der letzte Schuss reingeht, war aber auch glücklich.“
Differenziert fiel auch die Sichtweise von BHC-Coach Markus Pütz aus: „Den einen Punkt nehmen wir natürlich mit, aber es tut weh, weil wir uns mehr vorgenommen hatten.“Unter dem Strich lobte der 38-Jährige den Geist der Mannschaft. „Wir lassen uns von Negativphasen nicht unterkriegen. Das heißt: Die Mannschaft lebt, nimmt die Situation an, und die Zuschauer sind dabei. Das ist das, was wir auf die Platte bringen wollen. Wir schaffen es wieder mehr, zu unserer Identität zurückzukommen.“
Sinnbildlich steht dafür auch Mads Andersen. Der Däne war in den letzten Monaten vor dem Trainerwechsel von Jamal Naji zu Gunnarsson, Pütz und Gutbrod ein Schatten seiner selbst. Seitdem spielt er befreit und teils beflügelt auf. „Wir haben viel darüber gesprochen, dass wir mehr Spaß, mehr Emotionen brauchen. Ich spüre das richtig“, sagte der 27-Jährige, dem es offensichtlich auch hilft, vorne wie hinten eingesetzt zu werden. „Da bekommt man mehr Gefühl für das Spiel.“