Münchner Maschen
Strickmode Maerz München ist bekannt für seinen Klassiker: den gelben „Genscher-Pulli“. Der ist nach wie vor gefragt. Das Unternehmen will aber mehr. Von Simone Dürmuth
Wenn das Thermometer im Herbst fällt und die Temperaturen nur noch einstellige Werte erreichen, beginnt für Katja Beibl die schönste Zeit des Jahres. Nicht nur, weil sie gerne Ski fährt, sondern auch, weil dann die umsatzstärkste Zeit des Strickwarenspezialisten Maerz München beginnt: Etwa 70 Prozent des Jahresumsatzes werden laut der Geschäftsführerin in der kalten Jahreszeit erwirtschaftet.
Das ist durchaus üblich bei diesen Produkten, wie Silvia Jungbauer vom Verband Gesamtmasche erklärt. Es gebe inzwischen aber auch leichte Verschiebungen: Angesichts milder Winter sinke die Nachfrage nach warmer Kleidung. „Dafür erobert lässiger Sommerstrick zunehmend die Garderoben. Damit kann man das ein Stück weit auffangen.“
Für lässigen Strick war Maerz nicht immer bekannt: Ino zieller Markenbotschafter des Unternehmens war viele Jahre Hans-Dietrich Genscher. Seine hellgelben Pullover bezog er ausschließlich von den Münchnern. Doch auch dieser prominente Kunde konnte das nun fast hundertjährige Unternehmen nicht vor der Insolvenz bewahren.
In den 80er-Jahren wurde der Firmensitz in Giesing verkauft, die Produktion ins Ausland verlagert. Fehlentscheidungen im Management, der harte Konkurrenzkampf in der Textilbranche: Das Unternehmen geriet in die Schieflage. Heute liegt der Firmensitz in München-Perlach, produziert wird bis heute überwiegend in Ungarn in einem eigenen Werk mit 360 Mitarbeitern.
Sechs Jahre in der Insolvenz
Als in den 90ern die Umsätze weiter einbrachen, folgte 2003 die Insolvenz. Sechs Jahre wurde Maerz in der Insolvenz verwaltet, bis Mark Bezner, Geschäftsführer des Hemdenherstellers Olymp (Bietigheim-Bissingen), die Firma kaufte. Die Firma war nach der langen Zeit des Stillstands als „Pullover-Amt“verschrien. „Es sah hier aus wie im Kreisverwaltungsamt“, blickt Beibl zurück.
2012 holte Bezner dann Beibl an Bord. Als sie angefangen habe, den Betrieb umzukrempeln, habe sie Ausgaben an unsinnigen Stellen gefunden: „Es wurden horrende Summen für Büromaterial ausgegeben. Ich habe dann Geld in das Produkt, den Handel und das Designteam gesteckt.“Es folgte viel Unruhe im Unternehmen – gut vorstellbar, wenn die neue Chefin beginnt, die Firma neu zu strukturieren. Was allerdings gedauert hat: „Ich hatte ja kein Geld für Abfindungen.“
Heute wächst Maerz schneller als die Branche: Während dort die Umsätze seit Jahren stagnieren, machte Maerz im vergangenen
Jahr 29,9 Mio. € Umsatz, 2017 waren 28,3 Mio. €. „Wir sind da die Einäugigen unter den Blinden“, erklärt Geschäftsführerin Katja Beibl und lacht. Wachstumstreiber sei vor allem die Damenmode, die um 19 Prozent zulegte. Zahlen zum Gewinn nennt Beibl nicht, man sei profitabel.
Kurzfristig will sie die Marke von 30 Mio. € Umsatz knacken, langfristig soll sich der Umsatz sogar verdoppeln. Eine Aufgabe, die die 50-Jährige bis zur Rente beschäftigen wird? „Zumindest die nächsten zehn Jahre sehe ich mich hier“, erwidert sie.
Wachsen soll in den kommenden Jahren vor allem der eigene Onlineshop, der derzeit etwa 5 Prozent zum Umsatz beiträgt.
Ein Umsatzbringer sind auch die Knit-Shops: Flächen in Kaufhäusern, zum Beispiel bei Galeria Karstadt Kaufhof, die mit Maerz-Produkten bestückt und entsprechend designt sind.
In diesem Jahr haben die Münchner außerdem ihren ersten eigenen Laden eröffnet – in der Krefelder Innenstadt. „In München kann ich mir die Ladenmieten nicht leisten“, erklärt Beibl.
Im kommenden Jahr feiert der Strickspezialist sein 100-jähriges Bestehen. Beibl hat etwas besonderes geplant: Sie will bei Familie Genscher anfragen, ob sie die Farbe des hellgelben Lieblingspullover des Politikers unter einem neuen Namen vermarkten darf: als Genscher-Gelb.
Geschä sführerin Katja Beibl mit dem Markenmaskottchen Finchen – ein Merino-Schaf – auf dem Arm.