Gericht für Fahrverbote in Ludwigsburg
Umweltschutz Land muss nach VGH-Urteil den Luftreinhalteplan überarbeiten.
Mannheim. Nach einem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg drohen nun auch in Ludwigsburg Fahrverbote für Dieselfahrer. Die Richter gaben am Donnerstag einer Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH) wegen langjähriger Überschreitung des Grenzwertes für Stickstoffdioxid in der Barockstadt statt. Der 10. Senat sieht die Maßnahmen von
Stadt und Land gegen den Luftschadstoff als zu wenig ambitioniert an. Deshalb könne es deren Prognosen zum schnellstmöglichen Erreichen des Grenzwerts von 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter im Jahresmittel nicht folgen. Der Luftreinhalteplan des Landes für die Stadt, der bisher keine Fahrverbote vorsieht, muss nun überarbeitet werden.
In Ludwigsburg lag der Jahresmittelwert im vergangenen Jahr an der Messstelle Friedrichstraße bei 51 Mikrogramm. Land und Stadt verwiesen auf ein Tempolimit an der Messstelle, den Ausbau des Nahverkehrs und ausgeklügelte Verkehrsleittechnik. Damit sei 2020 der Grenzwert einzuhalten.
Die Entscheidung ist auch für andere Städte im Land relevant.
Die DUH hat Klagen gegen die Luftreinhaltepläne von Freiburg, Esslingen, Heilbronn, Backnang und Marbach eingereicht. Bundesweit waren 15 von 38 DUH-Klagen bisher erfolgreich. Das Land lässt das Urteil gegen Reutlingen vom Bundesverwaltungsgericht überprüfen. Auch im Fall Ludwigsburg ist eine Revision möglich.
Verkehr Der Verwaltungsgerichtshof fordert Fahrverbote für Ludwigsburg. Die Landesregierung lehnt Verhandlungen ab, der Streit um die Luftbelastung hält weiter an. Von Rafael Binkowski
Ludwigsburg muss jetzt ernsthaft mit Fahrverboten rechnen.
Matthias Hettich
Gerichtssprecher
Nun ist es offiziell: Der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim gibt der Klage der Deutschen Umwelthilfe recht, weil seit 2010 in Ludwigsburg die Sticksto oxid-Grenzwerte von 40 Mikrogramm überschritten werden. „Man muss jetzt ernsthaft mit Fahrverboten rechnen“, sagt Matthias Hettich, der Sprecher des Gerichts. Die genaue Begründung des Urteils mit Details solle bis zum Jahresende vorgelegt werden.
Revision ist möglich
Und noch eine wichtige Botschaft gibt es aus Mannheim: Gegen das Urteil ist Revision beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig möglich – wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage. Auch hier folgt das höchste Verwaltungsgericht des Landes seiner Argumentation im Fall Reutlingen, für den am 27. Februar über die Revision in Leipzig verhandelt wird. Jürgen Resch, der Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, rechnet auch dort mit einem Erfolg. „Schließlich hat Leipzig im Gericht für Stuttgart auch in unserem Sinne entschieden“, sagt er, „ich rechne sogar noch mit einer Verschärfung der Vorgaben, weil seither nichts passiert ist.“
Ob die Landesregierung auch im Ludwigsburger Prozess Revision einlegen wird, ist o en. „Das Land kann erst dann über die weitere Vorgehensweise entscheiden, wenn das Urteil inklusive Urteilsbegründung vorliegt und geprüft wurde“, erklärt Stefanie Paprotka, die Sprecherin des Regierungspräsidiums. Davon hänge auch ab, welche weiteren Maßnahmen für Ludwigsburg konkret angeordnet werden müssten.
Klar ist jedenfalls, dass es weder für Reutlingen noch für Ludwigsburg zeitnah Verhandlungen zwischen der Deutschen Umwelthilfe und der Landesregierung geben wird – anders als in Nordrhein-Westfalen etwa, wo Jürgen Resch derzeit einen Deal für 13 Städte mit dem dortigen Verkehrsministerium aushandeln will. „Man reagiert nicht einmal auf unsere Briefe“, sagt Jürgen Resch. Zwar war für den 17. Oktober ein Gespräch im Ludwigsburger Rathaus angesetzt – doch an diesem nahm nur der Ludwigsburger Oberbürgermeister Matthias Knecht teil.
Warum dort kein Vertreter des Landes erschien, darüber gehen die Meinungen auseinander. „Zunächst war zugesagt, dass ein Vertreter erscheint, doch dies wurde wieder revidiert“, sagt Jürgen Resch. Dem widerspricht Christoph Erdmenger, Abteilungsleiter im Verkehrsministerium, der die Gespräche in Ludwigsburg hätte führen sollen: „Ich wäre gekommen.“Uneins war man sich o enbar über die Vorbedingungen für ein solches Gespräch.
Im Ministerium heißt es, die Umwelthilfe habe über nichts anderes als über Fahrverbote verhandeln wollen: „Unter dieser Prämisse ergeben Gespräche keinen Sinn.“Jürgen Resch widerspricht: „Wir haben für viele Städte wie Wiesbaden oder Darmstadt Kompromisse ausgehandelt.“Das Hickhack macht jedenfalls eines klar: Die Zeichen stehen nicht auf Verständigung, sondern eher auf eine weitere juristische Konfrontation.
Konflikt liegt in der Lu
Der Konflikt beginnt schon bei der Frage, wie hoch die Luft in Ludwigsburg tatsächlich mit Stickoxiden belastet ist. In der Gerichtsverhandlung tauchte plötzlich eine als „Siemens-Gutachten“titulierte Studie im Auftrag des Verbandes der Deutschen Automobilindustrie (VDA) auf, in dem das holländische Büro TNO an zwei Stellen auf der B 27 und für die Keplerstraße ziemlich dramatische Zahlen prognostiziert hat. Der Umwelthilfe-Anwalt Remo Klinger spricht von „Werten bis zu 80 Mikrogramm“und fordert die entsprechenden Berechnungen an.
Die Vertreter des Regierungspräsidiums verweisen darauf, dass dies lediglich „modulierte“, also errechnete Werte seien. Die Landesanstalt LUBW, die für Schadsto messungen zuständig ist, hat nun an den drei Stellen einfache Sensoren aufgestellt, so genannte Passivsammler. Diese stehen auch schon an der Friedrichstraße in der Nähe der offizielle Station der LUBW, um die sich bislang die Diskussion dreht. Der Anwalt der Stadt Ludwigsburg, Felix Rauscher, hat im Prozess darauf hingewiesen, dass die Passivsammler für die Friedrichstraße niedrigere Werte zeigten.
Eine Kuriosität ist in dem Prozess übrigens aufgetaucht: Just vor der Hotspot-Messstelle an der Friedrichstraße wird im nächsten Jahr eine Gasleitung verlegt. Auf der Seite der Fahrbahn, wo der Sensor steht, wird überhaupt kein Verkehr mehr fließen. Ob dann die Messungen dort noch repräsentativ sind, auch darüber wird kräftig gestritten. Im Ludwigsburger Rathaus setzt OB Matthias Knecht trotz der Absage des Landes auf Verhandlungen mit der Umwelthilfe. „Die Gespräche mit Jürgen Resch liefen in konstruktiver Atmosphäre“, sagt er. Immerhin auf dieser Ebene scheint der Dialog zu funktionieren.
Noch ist grüne Welle auf der Ludwigsburger B 27, kommen bald Fahrverbote?