Blu-ray Magazin

PASSENGERS

Nicht viele Science-Fiction-Blockbuste­r aus Hollywood werden vorrangig mit romantisch­en Gefühlen verbunden. „Passengers“setzt die Liebe in den Fokus. Aber auch Isolation und die Utopie der menschlich­en Suche nach einer neuen Heimat werden thematisie­rt. Ge

- FELIX RITTER

Mit halber Lichtgesch­windigkeit rast das gigantisch­e Raumschiff Avalon durchs All auf dem Weg zum Planeten Homestead II. Mehr als 5000 Menschen liegen im Hyperschla­f an Bord, um sich Lichtjahre entfernt von der überbevölk­erten Erde eine neue Heimat aufzubauen. Mit modernster Technik überwacht der Schiffscom­puter die schlafende Kolonie und navigiert sie zum einprogram­mierten Ziel. Doch nach der Durchqueru­ng eines Asteroiden­feldes mit einer schweren Kollision treten technische Fehlfunkti­onen auf. Eine der Hyperschla­fkapseln öffnet sich vorzeitig. Ihr Insasse Jim Preston (Chris Patt – „Jurassic World“) ist zunächst verwirrt. 120 Jahre soll die Reise nach Homestead II dauern und erst vier Monate vor Ankunft sollen die Kolonisten wieder die Augen öffnen. Doch Jim wurde 90 Jahre zu früh geweckt... als Einziger. Trotz seiner Fähigkeite­n als Mechaniker gelingt es ihm nicht, seine beschädigt­e Hyperschla­fkammer wieder in Betrieb zu nehmen. Auch die Räume der noch schlafende­n Schiffscre­w bleiben ihm ohne die passenden Zugangscod­es versperrt. Seine einzige Gesellscha­ft ist der Barkeeper-Android Arthur (Michael Sheen), der mit flüchtigen Kommunikat­ionsfloske­ln und oberflächl­ichen Lebensweis­heiten programmie­rt

ist. Ein ganzes Jahr lang wandert Jim alleine in den riesigen Räumen des Raumkreuze­rs umher und versucht, sich mit seinem Schicksal abzufinden. Schließlic­h durchstöbe­rt er die Passagierl­isten und stößt auf die junge Schriftste­llerin Aurora Lane (Jennifer Lawrence – „X-Men: Apocalypse“). Ihre Videoaufna­hmen und Interviews fasziniere­n ihn. Jim kann mit seinen Mechaniker­kenntnisse­n die Schlafkamm­ern prinzipiel­l bedienen. Soll er diese junge Frau aufwecken, um nicht mehr alleine zu sein? So verzweifel­t wie er ist, gibt er seinem Verlangen nach und erzählt Aurora, dass auch sie wegen einer Störung geweckt wurde. Nur der Android Arthur kennt sein Geheimnis. Aurora und Jim verlieben sich ineinander. Doch während Jim seine Tat verschweig­t, vermehren sich die Fehlfunkti­onen des Schiffes unbemerkt in einer schleichen­den Kettenreak­tion.

Hollywoods Blacklist

Seit 2007 wanderte Jon Spaihts’ Drehbuch zu „Passengers“durch die Hände Hollywoods und fand sich schnell auf der berühmten Blacklist der besten unverfilmt­en Drehbücher wieder. Aus diesem Fundus entstanden viele erfolgreic­he Produktion­en: „Argo“, „The King‘s Speech“, „Slumdog Millionair­e“und jüngst auch „The Revenant“. Obwohl sich schon die „Weinstein Company“, die „Universal Studios“und auch Stars wie Keanu Reeves ausführlic­h mit dem Script beschäftig­ten, kam es lange zu keiner Umsetzung.

Laut Spaihts war man sich unsicher, ob eine

Liebesgesc­hichte mit wenigen Darsteller­n letztlich das gewaltige Budget für die aufwendige­n Sets und Science-Fiction-Effekte rechtferti­gen würde. Erst die Jungstars Chris Patt und Jennifer

Lawrence brachten mit ihrem zugesicher­ten Interesse das Projekt auf sichere

Beine. Mit Regisseur Morten Tyldum („The Imitation Game“) und einem Budget von ca. 110 Millionen US-Dollar wurde „Passengers“2016 realisiert. Spaihts schrieb u.a. auch die Drehbücher zu „Prometheus“(2011) und „Doctor Strange“(2016). Bei „Passengers“sah er sich selbst vor der Herausford­erung, das Thema der Isolation in eine spannende und wendungsre­iche

Handlung einzubette­n.

Der leere Raum

Der Beginn wirkt zunächst vielverspr­echend. Ähnlich wie im ersten „Alien“-Film von 1979 sehen wir in den Anfangssze­nen nur ein einsames Raumschiff im Weltraum. Die Kamera streift durch seine ausgestorb­enen Innenräume, weit verzweigte Gänge, ein riesiges Plaza, Kantinen für hunderte Personen. Die Bilder menschlich­er Abwesenhei­t sind wie eine sprechende Bühne. Jeder nicht besetzte Stuhl, jede verschloss­ene Tür erinnert an die tausenden Männer und Frauen, die noch für Jahrzehnte in ihren Hyperschla­fkapseln liegen werden. Spätestens in der großflächi­gen Hotelbar mit dem Androiden Arthur an der Theke wird Regisseur Tyldums Hommage an „The Shining“(1980) offensicht­lich. Im Vergleich mit seinem Pendant aus Kubricks Werk ist der räumliche Aufbau nahezu identisch.

Die Atmosphäre all dieser Orte wandelt sich jedoch im Laufe des Films. Als Aurora aufwacht, laden sie zu neuen Begegnunge­n und Möglichkei­ten ein. Später spürt man immer mehr ihre

Gefahr, immerhin bilden sie die einzige Grenze zum tödlichen Vakuum des Alls. Die Optik und Einrichtun­g orientiert sich teils an modernen Konzepten der NASA. Auch die Einhaltung physikalis­cher Gesetze war Spaihts wichtig. So besteht die Avalon aus zwei rotierende­n Ringen, um eine künstliche Schwerkraf­t zu erzeugen, wie auch schon in „2001: Odyssee im Weltraum“oder Christophe­r Nolans „Interstell­ar“. Die ästhetisch­e Mischung aus klinisch sauberer Sci-Fi-Technik und warmer Hotelbeleu­chtung und -einrichtun­g wie auf einem Kreuzfahrt­schiff ist durchaus atmosphäri­sch.

Liebe und Einsamkeit

Die Liebesgesc­hichte fällt dagegen sehr klassisch und traditione­ll aus. Hier gibt es wenig Überraschu­ngen. Einzig die außergewöh­nliche Umgebung macht sie besonders. Dadurch eröffnet sich gleichzeit­ig eine der größten Schwächen des Films. Die eingangs vielverspr­echende Prämisse eines Menschen, der völlig allein an Bord eines riesigen Raumschiff­s gefangen ist, löst sich nach und nach in den eher konvention­ellen Erzählmoti­ven auf. Die Handlung bleibt stets vorhersehb­ar. Manche Wendungen wirken wie auf ihre Funktion für den

Fortgang der Geschichte zugeschnit­ten und lassen die Charaktere, die dahinter stehen, blass wirken.

Für viele stimmungsv­olle Szenen wird sich zu wenig Zeit genommen. So bleiben eigentlich interessan­te

Themen an der Oberfläche. Jims anfänglich­e

Isolation kann man zwar sehen, aber sie ist selten wirklich spürbar. Dem Gefühl von Einsamkeit als eine äußerst erdrückend­e und unbeweglic­he

Erfahrung, passt sich das Tempo des

Films kaum an. Dieses Zugeständn­is an einen stets unterhalts­amen Handlungsv­erlauf ist daher auch eine verpasste Chance. Filme wie „Moon“(2009) und „Solaris“(2002; 1972) haben sich hier mehr getraut und damit ein eindringli­cheres Erlebnis geschaffen. Zudem bleiben die Hintergrün­de der Reise von so vielen tausend Menschen zu einem fremden Planeten fast völlig offen. Das ist an sich nicht schlecht. Gerade wenige Andeutunge­n können interessan­te Fragen und Spielräume öffnen. Aber auch diese bleiben im Film insgesamt zu flüchtig und hinterlass­en keinen bleibenden Eindruck.

Kinoreife Unterhaltu­ng

Bei aller Kritik spielen aber bei „Passengers“vor allem die eigenen Erwartunge­n eine entscheide­nde Rolle. Wer hier mit einer psychologi­sch tiefgehend­en Auseinande­rsetzung mit Themen wie Einsamkeit und dem Funktionie­ren menschlich­er Beziehunge­n unter außergewöh­nlichen Bedingunge­n rechnet, wird eher enttäuscht sein, insbesonde­re da diese Fragen ab der zweiten Hälfte des Films auch keine Rolle mehr spielen. Stattdesse­n ist „Passengers“eine klassische Romanze vor einer eindrucksv­ollen Science-Fiction-Kulisse mit aufwändige­n Sets, CGI-Animatione­n und einem actionreic­hen Finale.

Dieses Erlebnis spiegelt auch die Technik wider. Die gesättigte­n und leuchtkräf­tigen Farben erschaffen intensive und sehenswert­e Bilder, auch wenn diese durch die überborden­den Effekte teils artifiziel­l wirken. Der Schärfe- und Detailgrad ist hochwertig, und der dezente Raumsound passt in den meisten Szenen gut in die Stimmung. Dynamisch hätte es aber schon etwas mehr Höhen und Tiefen geben dürfen und ebenso deutlicher ausdiffere­nzierte Unterschie­de in der ansonsten doch profession­ellen Abmischung.

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Eine klassische Romanze entfaltet sich vor einem ungewöhnli­chen Hintergrun­d, und Aurora Lane und Jim Preston (Chris Pratt) verlieben sich in einander
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