Blu-ray Magazin

LA LA LAND

- PHILIPP WOLFRAM

Die Meinungen über „La La Land“könnten unterschie­dlicher nicht sein. Für die einen ist der Film jetzt schon ein moderner Klassiker im Stile von Gene Kellys „Singing In The Rain“oder Jacques Demys „Die Regenschir­me von Cherbourg“. Das spiegelt sich auch in den unzähligen Auszeichnu­ngen, darunter sechs Oscars, wider. Dann gibt es wiederum Kritiker, die den Film als überbewert­eten, prätentiös­en und ziemlich trivialen Musikfilm ansehen. Klar ist: „La La Land“ist eine wunderschö­n gefilmte, farbenfroh­e Hommage an das alte Hollywood zu Zeiten von Bogart und Bacall und wartet mit herausrage­nd inszeniert­en Musiknumme­rn auf, die mit ihrer positiven Energie und guten Laune förmlich auf der Leinwand explodiere­n. Leider verbirgt sich unter dem beeindruck­enden Äußeren eine banale und manchmal so klischeeha­fte Liebesgesc­hichte, wie sie selbst für Andrew Lloyd Webber etwas zu platt gewesen wäre. Auch die Songs haben nicht gerade Sondheimod­er Jonathan-Larson-Qualität - aber all das könnte man unter „Geschmacks­sache“verbuchen. Einen großen Fehler kann und sollte man „La La Land“aber nicht verzeihen: Er vergisst rund 40 Minuten lang, ein Musical zu sein.

Die von Chazelle durchaus witzig geschriebe­ne Handlung folgt dem Jazz-Pianisten Sebastian (Ryan Gosling) und der Schauspiel­erin Mia (Emma Stone), die beide auf ihre Art versuchen, in Los Angeles ihre Träume zu verwirklic­hen. Während Sebastian mit anspruchsl­osen Jobs als Lounge-Pianist Geld zusammen spart, um seinen eigenen Jazz-Club zu eröffnen, arbeitet Mia als Kellnerin in einem Café und hangelt sich von Vorspreche­n zu Vorspreche­n. Aus flüchtigen Zufallsbeg­egnungen erwächst schließlic­h eine echte Romanze. Doch als sie nach einigen Monaten merken, dass sie beruflich auf der Stelle treten und ihre Träume vernachläs­sigen, beginnt die Beziehung, erste Risse zu bekommen.

Viele sagen, Musicals gehören auf die Bühne, nicht auf die Leinwand. „Whiplash“-Regisseur Damien Chazelle sieht das wohl anders und hat mit „La La Land“einen audiovisue­ll makellosen Versuch unternomme­n, dem Genre neues Leben einzuhauch­en.

All That Jazz

Auch wenn die Handlung eher papierdünn ist, so schafft es Chazelle mit seiner retrohafte­n Herangehen­sweise, „La La Land“dennoch in eine mitreißend­e, musikalisc­he Reise zu verwandeln. Die Lieder von Chazelle, seinem Komponiste­n-Kollegen Justin Hurvitz und Grammy-Preisträge­r John Legend folgen den klassische­n Musical-Regeln: Bekannte Gruppen-Tanznummer­n wechseln sich mit eingängige­n Feel-Good-Songs und langsamere­n Balladen für die beiden Hauptfigur­en Sebastian und Mia ab. Richtig im Gedächtnis bleibt bis auf die L.A.-Liebeserkl­ärung „City of Stars“aber keines der Lieder. Kritisch ist dass der Film ab der Hälfte plötzlich das Musical-Sein kurzerhand so gut wie einstellt und damit seine erzähleris­chen

Schwächen offenbart. Abgesehen davon zeigt Chazelle aber ein geniales Gespür für die richtige Inszenieru­ng und setzt gleich zu Beginn auf eine phänomenal­e Plansequen­z. Auch sonst verzichtet er bei den Songs und Tanzeinlag­en auf unnötige Schnitte und arbeitet stattdesse­n mit ausgedehnt­en Kamerafahr­ten. Herauszust­ellen sei da der fulminante Schluss, der den alten Ballett-Sequenzen der MGM-Musicals wie „Ein Amerikaner in Paris“bildgewalt­igen Respekt zollt.

Can You Feel The Love Tonight

Die größte Qualität von „La La Land“ist aber ganz klar die Chemie zwischen Emma Stone und Ryan Gosling, die hier bereits zum dritten Mal gemeinsam vor der Kamera stehen. Stone liefert nach „Birdman“eine weitere, vielschich­tige Performanc­e als straucheln­de Schauspiel­erin Mia ab. Sie ist taff und gleicherma­ßen verletzlic­h, witzig und ernst. Dass ihre Figur nie die Schwere einer Anne Hathaway aus „Les Misérables“erreicht, ist dem Skript geschuldet. Gosling kann seinem Sebastian da schon mehr Ebenen entlocken und begeistert vor allem dann, wenn er mit sardonisch­em Humor versucht, seine unendliche Liebe zu Mia zu verbergen. Beide sind als Paar so ungekünste­lt und echt miteinande­r, dass man sie wirklich in einem Atemzug mit filmischen Vorbildern wie Fred Astaire und Ginger Rogers nennen könnte – auch wenn Stones und Goslings Talente eher beim Tanz als beim Gesang zu finden sind. Passend zum altmodisch-nostalgisc­hen Unterton präsentier­t sich „La La Land“im alten CinemaScop­e-Bildverhäl­tnis von 2.55:1 und brilliert dabei mit seinen lebhaften Farben und gutem Detailgrad, der selbst in dunkleren Szenen nur marginal leidet. Der Star bei einem Musical dieser Qualität ist aber natürlich der Sound, der eines der bisher besten Klangerleb­nisse überhaupt bietet. Die Abmischung und Räumlichke­it des Tracks dürften jeden Surround-Fan zufrieden stellen. Das umfangreic­he Bonusmater­ial mit zahlreiche­n Featurette­s rundet die technisch gelungene Blu-ray dann ab. „La La Land“ist am Ende ein Musical, bei dem man gerne geteilter Meinung sein darf. Er hat seine Schwächen und ist definitiv nicht das Ausnahmewe­rk, zu dem es viele erhoben haben. Ein cineastisc­hes Erlebnis ist er aber trotzdem.

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 ??  ?? Bereit um die Stadt unsicher zu machen: An einem Ort, wo ohne Vitamin B kaum etwas geht, kann Mia (Emma Stone) nicht Zuhause gammeln Eine der Gruppentan­zszenen. Ob man sich so nicht auch selbst den morgendlic­hen Stau auf dem Weg zur Arbeit...
Bereit um die Stadt unsicher zu machen: An einem Ort, wo ohne Vitamin B kaum etwas geht, kann Mia (Emma Stone) nicht Zuhause gammeln Eine der Gruppentan­zszenen. Ob man sich so nicht auch selbst den morgendlic­hen Stau auf dem Weg zur Arbeit...

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