LA LA LAND
Die Meinungen über „La La Land“könnten unterschiedlicher nicht sein. Für die einen ist der Film jetzt schon ein moderner Klassiker im Stile von Gene Kellys „Singing In The Rain“oder Jacques Demys „Die Regenschirme von Cherbourg“. Das spiegelt sich auch in den unzähligen Auszeichnungen, darunter sechs Oscars, wider. Dann gibt es wiederum Kritiker, die den Film als überbewerteten, prätentiösen und ziemlich trivialen Musikfilm ansehen. Klar ist: „La La Land“ist eine wunderschön gefilmte, farbenfrohe Hommage an das alte Hollywood zu Zeiten von Bogart und Bacall und wartet mit herausragend inszenierten Musiknummern auf, die mit ihrer positiven Energie und guten Laune förmlich auf der Leinwand explodieren. Leider verbirgt sich unter dem beeindruckenden Äußeren eine banale und manchmal so klischeehafte Liebesgeschichte, wie sie selbst für Andrew Lloyd Webber etwas zu platt gewesen wäre. Auch die Songs haben nicht gerade Sondheimoder Jonathan-Larson-Qualität - aber all das könnte man unter „Geschmackssache“verbuchen. Einen großen Fehler kann und sollte man „La La Land“aber nicht verzeihen: Er vergisst rund 40 Minuten lang, ein Musical zu sein.
Die von Chazelle durchaus witzig geschriebene Handlung folgt dem Jazz-Pianisten Sebastian (Ryan Gosling) und der Schauspielerin Mia (Emma Stone), die beide auf ihre Art versuchen, in Los Angeles ihre Träume zu verwirklichen. Während Sebastian mit anspruchslosen Jobs als Lounge-Pianist Geld zusammen spart, um seinen eigenen Jazz-Club zu eröffnen, arbeitet Mia als Kellnerin in einem Café und hangelt sich von Vorsprechen zu Vorsprechen. Aus flüchtigen Zufallsbegegnungen erwächst schließlich eine echte Romanze. Doch als sie nach einigen Monaten merken, dass sie beruflich auf der Stelle treten und ihre Träume vernachlässigen, beginnt die Beziehung, erste Risse zu bekommen.
Viele sagen, Musicals gehören auf die Bühne, nicht auf die Leinwand. „Whiplash“-Regisseur Damien Chazelle sieht das wohl anders und hat mit „La La Land“einen audiovisuell makellosen Versuch unternommen, dem Genre neues Leben einzuhauchen.
All That Jazz
Auch wenn die Handlung eher papierdünn ist, so schafft es Chazelle mit seiner retrohaften Herangehensweise, „La La Land“dennoch in eine mitreißende, musikalische Reise zu verwandeln. Die Lieder von Chazelle, seinem Komponisten-Kollegen Justin Hurvitz und Grammy-Preisträger John Legend folgen den klassischen Musical-Regeln: Bekannte Gruppen-Tanznummern wechseln sich mit eingängigen Feel-Good-Songs und langsameren Balladen für die beiden Hauptfiguren Sebastian und Mia ab. Richtig im Gedächtnis bleibt bis auf die L.A.-Liebeserklärung „City of Stars“aber keines der Lieder. Kritisch ist dass der Film ab der Hälfte plötzlich das Musical-Sein kurzerhand so gut wie einstellt und damit seine erzählerischen
Schwächen offenbart. Abgesehen davon zeigt Chazelle aber ein geniales Gespür für die richtige Inszenierung und setzt gleich zu Beginn auf eine phänomenale Plansequenz. Auch sonst verzichtet er bei den Songs und Tanzeinlagen auf unnötige Schnitte und arbeitet stattdessen mit ausgedehnten Kamerafahrten. Herauszustellen sei da der fulminante Schluss, der den alten Ballett-Sequenzen der MGM-Musicals wie „Ein Amerikaner in Paris“bildgewaltigen Respekt zollt.
Can You Feel The Love Tonight
Die größte Qualität von „La La Land“ist aber ganz klar die Chemie zwischen Emma Stone und Ryan Gosling, die hier bereits zum dritten Mal gemeinsam vor der Kamera stehen. Stone liefert nach „Birdman“eine weitere, vielschichtige Performance als strauchelnde Schauspielerin Mia ab. Sie ist taff und gleichermaßen verletzlich, witzig und ernst. Dass ihre Figur nie die Schwere einer Anne Hathaway aus „Les Misérables“erreicht, ist dem Skript geschuldet. Gosling kann seinem Sebastian da schon mehr Ebenen entlocken und begeistert vor allem dann, wenn er mit sardonischem Humor versucht, seine unendliche Liebe zu Mia zu verbergen. Beide sind als Paar so ungekünstelt und echt miteinander, dass man sie wirklich in einem Atemzug mit filmischen Vorbildern wie Fred Astaire und Ginger Rogers nennen könnte – auch wenn Stones und Goslings Talente eher beim Tanz als beim Gesang zu finden sind. Passend zum altmodisch-nostalgischen Unterton präsentiert sich „La La Land“im alten CinemaScope-Bildverhältnis von 2.55:1 und brilliert dabei mit seinen lebhaften Farben und gutem Detailgrad, der selbst in dunkleren Szenen nur marginal leidet. Der Star bei einem Musical dieser Qualität ist aber natürlich der Sound, der eines der bisher besten Klangerlebnisse überhaupt bietet. Die Abmischung und Räumlichkeit des Tracks dürften jeden Surround-Fan zufrieden stellen. Das umfangreiche Bonusmaterial mit zahlreichen Featurettes rundet die technisch gelungene Blu-ray dann ab. „La La Land“ist am Ende ein Musical, bei dem man gerne geteilter Meinung sein darf. Er hat seine Schwächen und ist definitiv nicht das Ausnahmewerk, zu dem es viele erhoben haben. Ein cineastisches Erlebnis ist er aber trotzdem.